Böwlrider / Big Röck Möuntain Highs
Big Röck Möuntain Highs Spielzeit: 62:36
Medium: CD
Label: Rising Records (SPV), 2008
Stil: Rock

Review vom 24.09.2008


Markus Kerren
Die Band Böwlrider gibt es bereits seit dem Jahr 1972. Schon kurz nach der Gründung spielte man weltweit Konzerte vor begeisterten Zuschauern, deren Anzahl sich pro Konzert auch konstant im zweistelligen Bereich hielt. Nicht sehr viel später geschah jedoch das Unfassbare. Alle Bandmitglieder tauchten spurlos ab und wurden nie wieder gesehen. Bis auf deren Rhythmus-Gitarristen und Sänger Clive Reeve, der von unbekannten, umtriebigen Gestalten entführt und eingefroren wurde. Erst Mitte des derzeitigen Jahrzehnts taute Reeve wieder auf, machte sich umgehend auf die Suche nach seinen alten Kumpanen und - nachdem er diese nicht mehr finden konnte - suchte er sich anschließend einfach kurzerhand drei neue. So steht es zumindest in der Band-Bio geschrieben.
Selbstverständlich vollkommener Humbug, den sich das Quartett zwischen dem ein oder anderen Dutzend Pints im heimischen Pub zurechtgelegt hat. Dass die im Bade- und Urlaubsort Brighton beheimatete Truppe aus England kommen muss, war eigentlich schon klar, bevor ich den Promozettel zu "Big Röck Möuntain Highs" überhaupt in die Finger nahm, denn der Sound und die Attitüde der vier Schluckspechte sprach bereits durch ihre Musik Bände. Die knallharte Produktion, die dennoch jederzeit Feinheiten erkennen lässt und vor allem der gesangliche Vortrag redeten gleich Tacheles. Die Fotos der Musiker malen dazu das typische Bild von jungen, unzufriedenen und angepissten Engländern, die sehr viel mehr mit Bands wie den Sex Pistols oder Dogs D'Amour zu tun haben, als mit zufriedenen, pflichtbewussten und aufstrebenden Karrieremachern.
Und nachdem die ersten, einleitenden Gitarrenakkorde angelaufen sind, ertönt Clive Reeves Schlachtruf »…aaaaaAAAAAH…FUCK IT!!!« und setzt damit direkt zu Anfang schon mal den Ton für das gesamte Album. Böwlrider sind Rock'n'Roll pur, ohne Rücksicht auf Verluste. Bereits beim starken Opener "Duck Dive" hat die Truppe den Zuhörer schwer im Treiben. Fette Gitarre, drei bis vier Akkorde-Technik und ein absolutes Powerhouse als Hintermannschaft lassen es heftig krachen. Auch der Nachfolger "Human Torch" reiht sich da nahtlos ein, selbst wenn hier die Strophen etwas ruhiger gehalten sind. Auch eine kleine Spur Iggy Pop ist da rauszuschmecken.
Jau, Freunde, und bei "Back On The Booze" kommt ebenso Begeisterung auf, da die Spielfreude der Band und die Unverbrauchtheit derselben geradezu aus den Boxen spritzt. Eine Wahrheit wird dem Genießer des dreckigen, immer noch gefährlich wirkenden Rock'n'Rolls bereits hier unwiderruflich gewiss: Wert auf Radioeinsätze wird bei Böwlrider nicht gelegt! Diese Jungs machen keine Gefangenen mit den zwölf Tracks ihres Debütalbums. Hier und da stoßen sie fast mal an die Grenze des Punk Rock, ohne diese aber jemals, trotz all dem Adrenalin und der Unwirschheit, zu überschreiten. Denn dafür befinden sich viel zu viel Gitarrensoli und ausgeklügelte Arrangements auf dem Silberling.
Eine echte Überraschung zum Abschluss des Longplayers zaubert der Vierer mit dem Cover von Mudhoneys "In 'n' Out Of Grace" aus dem Ärmel, wobei der Song allerdings völlig einverleibt und ver-Böwlrider-t wird. Neben der enthusiastischen Einspielung der Songs, dem coolen Sound, den durchaus vorhandenen Melodien und der ungezügelten Attitüde ist die einnehmende Frische der Band ihr größtes Plus. Die Musik der Truppe riecht geradezu nach einem kleinen oder mittelgroßen Club, jeder Menge Schweiß und Biergestank, berstend lautem Sound und einem Moshpit, der sich nicht mehr halten kann. Aber so ungestüm und 'voll auf die Zwölf' die Musik auch ist, Böwlrider wissen schon ganz genau, was sie tun.
Als Anspieltipps möchte ich zunächst einmal "Rhino Ride" und den Opener "Duck Dive" nennen, bei denen man unmittelbar weiß, woran man bei dem Quartett ist. Dann sind da aber auch noch die sehr starken "Back On The Booze", "Metal Girl", "Theme", "Old Mother Trucker" (witziges Wortspiel!) und vor allem "Hell's Teeth", das ganz locker das Kunststück beherrscht, sowohl über ein starkes, eingängiges Riff, wie auch über eine gesunde Portion Chaos zu verfügen. Ach ja, einen Hidden-Track gibt es auch noch: Song Nr. 13 ist offensichtlich, nach guten viereinhalb Minuten Leerlauf, eine Live-Version von "Old Mother Trucker" (an dieser Stelle als "Hey Motherfucker" gesungen). Hier wird dann klar, dass die Band es auch auf der Bühne nicht nur kann, sondern auch kräftig wie differenziert krachen lässt.
Die Wurzeln der Musik von Böwlrider liegen zweifellos in den Siebzigern, weshalb man sich wohl auch die oben geschilderte Band-Bio aus den Fingern gezogen hat. Letztendlich bleibt die Feststellung, dass dieses Album rockt wie die so oft zitierte Sau, über starke Songs, sehr gute Instrumentalisten, ein Quartett, das sich als Einheit präsentiert, und einen überzeugenden Frontmann verfügt. Die Daumen des Rezensenten gehen da von ganz alleine nach oben und
8 von 10 RockTimes-Uhren werden nach Brighton geschickt, wo sie aufgrund der hohen Luftfeuchtigkeit (wegen des angrenzenden Meeres oder dem Pub-Dunst) hoffentlich nie aufhören werden, weiterzuticken.
Line-up:
Clive Reeve (vocals, guitars)
Chris Lean (drums)
Doom Lawson (bass, vocals)
Nathan Coles (lead guitars)
Tracklist
01:Duck Dive
02:Human Torch
03:Back On The Booze
04:Double Zero
05:Theme
06:Hell's Teeth
07:Upland
08:Metal Girl
09:Old Mother Trucker
10:Powerful Medicine
11:Rhino Ride
12:In 'n' Out Of Grace
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