Brainticket / Psychonaut & Celestial Ocean
Brainticket - Psychonaut & Celestial Ocean Spielzeit: 32:28 (Psychonaut, 1972), 43:20 (Celestial Ocean, 1973)
Medium: CD
Label: Esoteric Recordings, 2010 (1972 & 1973)
Stil: Psychedelic, Progressive


Review vom 02.09.2010


Ulli Heiser
Brainticket ... wenn es einen Wettbewerb gäbe, welche Band das abgefahrenste Album ihr eigen nennen darf, dann wäre das 1971er Debütalbum "Cottonwoodhill" aber so was von ganz weit vorne mit dabei. Ach was sage ich, es gibt im psychedelischen Bereich mit Sicherheit keinen Trip, der es mit diesem Album aufnehmen kann.
Ende der Sechziger von dem mittlerweile 72-jährigen Belgier Joël Vandroogenbroeck, seines Zeichens Multiinstrumentalist, zusammen mit Musikern aus der Schweiz und Deutschland gegründet, hatte die Band nach dem Debüt (mit veränderter Besetzung) zwei weitere Alben ("Psychonaut" 1972 und "Celestial Ocean" 1973) bis sie sich auflöste. Jahre später gab es eine Reunion mit den Alben "Adventure" (1980), "Voyage" (1982) und "Alchemic Universe" (2000). Den beiden Werken aus den Siebzigern wollen wir uns widmen, die, ich sag es gleich, wesentlich gemäßigter daherkommen, als Braintickets Einstand.
Man liebt "Cottonwood Hill", oder man hasst es. Dazwischen ist Vakuum. "Psychonaut" ist nun aber keine Schlaftablette. Im Gegenteil, wer das Debüt nicht kennt, kann ja nicht vergleichen und wenn man das nicht tut, ist der 72er Nachfolger eine Mischung aus einerseits folkigen Flötenparts, Synthieeinschüben und mit "Watchin' You" donnert uns gar ein halber Bluesrocker mit starkem Gesang von Jane und nicht minder starker Gitarre entgegen. Gegen Ende wird es zwar wieder indisch eingefärbt, aber das rockt schon. Dass uns keine Schlaftablette im Player liegt, zeigt auch "Like The Place In The Sun". Göttlich, wenn Carole Muriel die Stimme erhebt und die Orgel, der rollende, hypnotische Rhythmus, die Geräusche ... man ist dem Debüt nun ziemlich nahe. Und wieder liegt dem Track ein blues-rockiges Gen bei. Ein Drum-Solo leitet über zu, ja einer fast doomigen Passage kann man sagen, wenn da nicht wieder die geile Orgel einbrechen würde.
"Feel The Wind Blow": Gesprächsfetzen eröffnen, minimaler Instrumenteneinsatz schlurft dazu, Carole mit ihrem süchtig machenden Timbre elektrisiert die Nackenhaare, der Song steigert sich. Ja, das ist genau die Stimmung, die man Anfang der Siebziger brauchte ...
Ganz anders "Coc'O Mary"; perkussiv wie ein Tanz auf dem Vulkan, Joël entlockt seiner Flöte wilde Tull-Töne. Wahrlich anders als "Cottonwood Hill", aber spannend und herrlich seventy.
"Celestial Ocean" hat ein Jahr mehr Abstand zum Debüt wie "Psychonaut", ist ihm musikalisch aber näher. Stimmfetzen, schwerer Tribal-Rhythmus (und das 1973, also einige Jahre vor der Begrifffindung), tonnenschwere Orgelläufe, hypnotischer Drive ... ja, wir sind nahe dran an "Cottonwood Hill". Die Flöte folkt dezent und sich steigernde Keys schaffen eine wohlig düstere Stimmung. Das Album ist »inspired by the Egyptian Book of the Dead«, informiert uns das vorbildliche Booklet (wie auch im Fall von "Psychonaut") und addiert man die Sprachsequenzen mit dem, was die Musik beim Hören freisetzt, dann kann man schon verstehen, dass die Leute in den RCA-Studios auf Holz klopften, sobald die Band auftauchte. Schwer, hier auf einzelne Tracks einzugehen.

Ganz im Gegensatz zu "Psychonaut" wird hier an manchen Stellen die Psycho-Prog-Keule ausgepackt. Ruhigere Passagen gibt es jedoch auch (z. B. in "To Another Universe"), aber in der Summe geht es schon etwas 'unruhig' zu. "The Space Between" ist allerdings ein Ohrschmeichler; zu einem gemäßigten Trommelrhythmus gesellt sich ein nicht näher zu identifizierendes Geräusch und ein sphärischer Synthesizer mit durchaus angenehmer Melodie. Ein schönes Stück zum wegdriften. Auch "Visions", Piano-dominiert, ist von der gemäßigten Sorte und lädt zum Genießen ein.
Beide Alben sind anders als "Cottonwoodhill". Von der Art her, ist, wie gesagt, "Celestial Ocean" näher dran als "Psychonaut", aber trotzdem meilenweit davon entfernt. Jede Platte hat etwas und immerhin zeigen sie auch, was Brainticket im Verlauf dreier Jahre an Unterschiedlichem in Rille gebracht haben. Ganz ehrlich: Das Debüt bleibt für mich Referenzwerk. Aber ebenso ehrlich: Die beiden Nachfolger sind es wert, daneben im Regal zu stehen. Und sind wir mal rigoros ehrlich: Gibt es jemanden, der zwei weitere Scheiben à la "Cottonwoodhill" aushalten würde?
Schließlich steht nicht umsonst Folgendes auf meiner LP:
»After listening to this record, your friends may not know you anymore.
Only listen to this once a day. Your brain might be destroyed!«
Line-up:
Psychonaut
Joël Vandroogenbroeck (organ, piano, flute, sitar, sanzee vocals, rumours, generator)
Jane Free (lead vocals, tbilat, tambourine, slide whistle, sounds)
Rolf Hug (lead guitar, acoustic guitar, tablas, vocals)
Martin Sacher (bass, flute)
Barney Palm (drums, percussion, strange sound)
Carole Muriel (speaking - #4,5)

Celestial Ocean
Joël Vandroogenbroeck (keyboard, guitar, synthesizer, flute, vocals)
Carole Muriel (vocals, zither, synthesizer, generators)
Barney Palm (percussion, vocals, baja)
Tracklist
Psychonaut:
01:Radagacuca (7:24)
02:One Morning (3:51)
03:Watchin' You (5:15)
04:Like A Place In The Sun (6:28)
05:Feel The Wind Blow (3:32)
06:Coc'O Mary (6:08)
Celestial Ocean:
01:Egyptian Kings (5:50)
02:Jardins (10:06)
03:Rainbow (0:46)
04:Era Of Technology (1:15)
05:To Another Universe (6:23 )
06:The Space Between (7:58)
07:Cosmic Wind (5:29)
08:Visions (5:33)
Externe Links: