Brand X / Is There Anything About?
Is There Anything About? Spielzeit: 33:21
Medium: CD
Label: Gonzo Multimedia, 2014 (1982)
Stil: Jazz Rock


Review vom 12.02.2014


Steve Braun
Ich gebe es gerne zu: Zu Brand X bin ich seinerzeit - man schrieb das Jahr 1978 - nur gekommen, weil mir auf einer Platte mit ziemlich coolem Cover der Name Phil Collins im Line-up ins Auge sprang. Es handelte sich um "Unorthodox Behaviour" und keine zwei Tage später konnte ich auch das damals aktuelle "Moroccan Roll" mein Eigen nennen. Ohne diesen glücklichen Umstand wäre Brand X sehr wahrscheinlich komplett an mir vorüber gezogen, anstatt mit all ihren Vinyls einen Ehrenplatz bei mir einzunehmen.
Im Jahr des Erscheinens des hier zu besprechenden "Is There Anything About?" stand eine Zeitenwende für Brand X an. Einer der wichtigsten Songschreiber, Bassist Percy Jones, war nach "Do They Hurt?" ausgestiegen und nur noch bei einem Stück präsent. Er wurde allerdings mit John Giblin ganz exquisit ersetzt, der zuhauf neue, wichtige Impulse mit seinem Fretless setzen konnte. Perkussionist Morris Pert hatte ebenfalls (ersatzlos) seinen Dienst quittiert. Und auch Phil Collins hatte sich wohl innerlich bereits (endgültig) verabschiedet - er benötigte schließlich seine ganze Energie für den gequirlten Quark seiner Hauptband und des Soloprojektes, für 'einzigartige Meilensteine der Popmusik' wie Abacab, "Hello, I Must Be Going" oder "Invisible Touch" - so viel Sarkasmus darf ruhig auch mal sein...
Ein satt groovender, funkjazziger Einstieg in "Is There Anything About?", wie er seinerzeit oft und gerne zu hören war, erfolgt mit "Ipanaemia". Von der Melodik erinnert das stark an The Rippingtons und hier vor allem an Russ Freemans flüssiges Gitarrenspiel. Nach dieser munteren Eröffnung folgt mit "A Longer April" einer der schönsten Takes, die jemals von Brand X auf Tonträger gebannt wurden. Der neue Bassist John Giblin fügt sich hier mit wattig-weichen, elastischen Fretless-Figuren bestens ein. Wer das einfühlsame Sopransax bläst, gibt das spartanische Booklet leider nicht preis. Es könnte allerdings auch ein Keyboard sein, das via Mundstück angesteuert wurde, obwohl mir dafür der Sound zu authentisch klingt. 'Gesampletes' Vogelzwitschern und Regenplätschern lassen eine Stimmung von frühwarmen Frühlingsgefühlen aufkeimen. Eine traumhafte Nummer - im doppelbödigen Wortsinn...
Verträumte Synthesizerklänge laden in "Tmiu-Atga" zur 'körpermittigen' Entspannung nach New Age-Art ein. Waldorfschüler sollten dazu auch - sanft schwebend - ihren Namen tanzen können... Dagegen kommt der "Swan Song" sehr kernig, majestätisch und kraftvoll daher. Der geslappte Bass macht einen mächtigen Alarm - gegen Ende wird das Grundthema allerdings etwas zu breit ausgewalzt und läuft sich folglich 'tot'.
Der Titelsong stellt sich als der zweite Überflieger dieses Albums heraus. Hier ist Percy Jones mit von der Partie und glänzt mit sehr freejazzigen Bassfiguren, die ziemlich frappierend an den 'verblichenen' Jaco Pastorius von Weather Report erinnern. Ihn treibt Phil Collins mit 'fluffigem' Schlagwerk förmlich vor sich her. Fragmentartig streut Robin Lumley seine Moogläufe und glockige Fender Rhodes-Parts ein - einzig John Goodsalls Gitarre kommt für meinen Geschmack in diesem wirklich sehr 'freien' Stück etwas zu kurz.
Gastkeyboarder J. Peter Robinson, Andrew Lloyd Webbers Pianist, steuert im abschließenden "Modern, Noisy And Effective" prägnante Oberheim-Fanfaren bei, wie man sie schöner vom (damaligen) 'Markenkollegen' Lyle Mays kaum zu hören bekommen könnte. Darüber soliert Lumley mit seinem Mini Moog, dass es eine helle Freude ist. Die knackig-kompakteste Nummer - ein gelungener Abschluss.
Damit hier kein falscher Eindruck aufkommt: "Is There Anything About?" ist - trotz zweier Granaten - eine gute aber keinesfalls die beste Brand X-Scheibe, obwohl sie - rein von den Verkaufszahlen betrachtet - zu den erfolgreichsten zählt. Das zwischenzeitliche Ende der Band deutete sich wohl bereits an...
Als essentiell würde ich dagegen "Moroccan Roll" bezeichnen - mit diesem Album sollte man praktischerweise den Grundstock zu seiner Brand X-Sammlung legen. Etwas 'anspruchsvoller' ist der Einstieg in die Welt von Brand X sicherlich mit der kürzlich von unserem Joe besprochenen Zusammenstellung Missing Period, die niemals zuvor veröffentlichtes Material aus den Anfangstagen der Band (den Jahren 1975 und 1976, kurz vor "Unorthodox Behaviour") beinhaltet.
Bereits nach einer guten halben Stunde ist das Vergnügen vorüber. Die Spielzeit der CD entspricht eben 1:1 der des Vinyls. Schade, über den einen oder anderen Bonustrack - gerne auch Livematerial von den Studioversionen - hätte man sich doch gefreut. Hoffentlich werden wir von Gonzo Multimedia bald mit weiteren Neuauflagen 'versorgt'. Dann allerdings bitte mit Bonusmaterial!!
Line-up:
Phil Collins (drums, percussion)
John Giblin (bass - #1-4,6, voices)
Robin Lumley (keyboards, voices)
John Goodsall (electric guitar)

Guests:
Percy Jones (bass - #5)
J. Peter Robinson (keyboards - #6)
Tracklist
01:Ipanaemia (3:51)
02:A Longer April (7:23)
03:Tmiu-Atga (5:09)
04:Swan Song (4:37)
05:Is There Anything About? (7:53)
06:Modern, Noisy And Effective (3:58)
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