Da hatten wir RockTimes-Redakteure doch letztens ein Redaktionstreffen im Großraum Hannover, stiegen in einem Etablissement namens Soundcheck ab, welches aber niemand vor Ort unter diesem Namen kannte und Abends 'überfielen' uns zielgerichtet glatt eine Horde Teddyboys & -girls, direkt anno 1957 aus der Zeitreisemaschine kommend, um uns den Marsch zu bl…, äh, rocken. Also von wegen unbekannte Location, die Brillantine-Szene weiß ganz genau, wo und wann die Rockabilly-Post abgeht. Eine Szene, die nie wirklich völlig ohne Präsenz war und punktuell gar absolut en vogue ist. Zu den Sturm- und Drang-Zeiten des Schreiberlings dieser Zeilen waren die Stray Cats nur die Spitze des Eisbergs und in unseren Landen ist es gar nicht so lange her, dass ein braver und äußerst blasser Popsäuseler namens Sasha zum grandios erfolgreichen und ungleich schwungvolleren Rockabilly-Entertainer Dick Brave mutierte.
Wie komme ich zu dieser Einleitung?
Ganz einfach, auf meinem provisorischen Arbeitstisch ist neben Bergen von Windeln, Cremedosen, Babyöl, Breiresten, Spucktüchern, Spielzeug, Schnullern und ähnlichem eine CD namens "Minor Part 2" gelandet, eingespielt von einer Combo, die sich folgendes Credo auf die Fahnen geschrieben zu haben scheint: »Built 4 Speed«.
Nie gehört? Okay, ich auch nicht und die beiden Kapellen, die das besagte Soundcheck nebst den versammelten RockTimes-Redakteuren rockten, hießen irgendwie anders. Aber vielleicht ist Rockabilly ja gerade wieder massiv en vogue, als Zwillingsvater kriegt mensch ja nix mehr mit.
Ich entnehme, um nun endlich die entscheidende Kurve zu kriegen, dem beiliegenden Waschzettel nicht nur die überraschenden Tatsachen, dass Built 4 Speed aus Bad Oeynhausen kommen, dass sie mit der auf dem Album enthaltenen Coverversion des Depeche Mode-Klassikers "Personal Jesus" einen veritablen Clubhit haben, dass ihr Sänger, King Of Doublebass, Songschreiber, Produzent und Mastermind J.A. Kusmanow, genannt Johnny 'Don Vincenzo', in seiner Vergangenheit unter anderem für uns Dieter ( Bohlen) und Doro Pesch als Studio- bzw. Gastmusiker musizierte und dass Becks Bier (sehr löblich, die Brauerei befindet sich quasi gleich neben meiner Haustür) zum allerersten Grundnahrungsmittel des Quartetts gehört, nein, bevor letztes Jahr die Debüt-EP "Minor Part 1" erschien, spielten Built 4 Speed als Supportact sowohl für Lee Rocker, als auch für Slim Jim Phantom, ihres Zeichen Bassist und Drummer der bereits erwähnten Rockabilly-Ikone Stray Cats.
Puh, da muss ich erstmal Luft holen und bin äußerst gespannt, was mich auf diesem Silberling erwartet. Brian Setzer kann ich jedenfalls nicht als Gastmusiker ausfindig machen.
Der Name der 'Speed'-Rocker, ihr offensichtliches Logo (ein Totenkopf mit Elvis-Tolle) und ihre Meriten ließen mich auf ein Werk messerscharfen Turbo-Rockabillys mit Punkeinschlag schließen, aber die Töne, die meine häusliche Kasperanlage ausspuckt, sprechen eine andere Sprache.
Wie es alle anderen von mir auffindbaren Rezensionen zu der Musik von Built 4 Speed auf einen Nenner bringen, entsteht auch bei mir vor meinem geistigen Auge eher ein Soundtrack zu Filmen der Marke Quentin Tarantino oder David Lynch, als dass der wieder auferstandene Elvis the pelvis durchs Wohnzimmer kreisen würde.
Der Bass slappt zwar munter durch die Gegend, aber die durchgehend in Moll gehaltenen Töne und die gelegentlich surfartigen Gitarrensounds beackern letztlich ganz andere Gefilde. Dabei gelingen durchaus memorable Melodielinien, von denen nicht wenige auch in die Beine gehen können. Die instrumentalen Parts sind absolut professionell gespielt, den beiden Gitarristen Luca Brasi und Voodoo Finger ist ihre Vergangenheit in Trashmetal- und Punkrockbands nicht anzuhören, zwischendurch gibt es gerne mal saftige Rocksoli, kurz und knackig auf den Punkt gepfeffert.
Songs wie der ohrwurmige Opener "Back Again", das federnde "Six Feet Under", das leicht Psych-angehauchte "Suicide Girl" oder das vorwärtsstürmende "Sun" wissen durchaus zu gefallen. Mal ganz abgesehen vom einzigen wahrhaften Teddytwist auf dem Album, "So Cool", der wirklich gelungenen Variation des "Personal Jesus"-Themas, dem Rausschmeißer "Final Curtain", der sich vom melancholisch dramatischen Schleicher zum energetischen Rocker wandelt und dem absoluten Highlight dieses Silberlings mit dem Titel "In Pain We Trust", ein düsteres Stück Parademoll mit äußerst viel Atmosphäre und Feeling, ohne falschen Bombast und mit einer sich hartnäckig im Ohr und im emotionalen Epizentrum festsetzenden Songstruktur und Melodieführung.
Fazit:
Es bleibt aber festzuhalten, dass der Bandname und das offerierte Image der Band nicht wirklich dem entsprechen, was sich der geneigte Hörer/die geneigte Hörerin musikalisch davon versprechen dürfte. Stattdessen kommt das ganze Produkt ultra-cool und hochprofessionell daher, was sich auch in der Aufmachung des Albums (Booklet, Digi-Pack) manifestiert. Die Vier musizieren nicht erst seit gestern und haben durchaus einen Sound gefunden, der sie von herkömmlichen Acts der Szene signifikant unterscheidet.
Doch im Gesamteindruck fehlen einfach Spitzen, die über gehobene Solidität hinaus ragen, wie es das Highlight "In Pain We Trust" eindrucksvoll vormacht. Die musikalische Abwechslung hält sich ob aller Moll-Kompositionen in relativ engen Grenzen, auch wenn durchaus Variantenreichtum durchschimmert. Dafür mag zudem die nur begrenzt flexible Stimme des Frontmannes verantwortlich zeichnen, der darüber hinaus ein höchstens durchschnittliches Schulenglisch in Wort und Aussprache pflegt.
Irgendwie fehlt mehr Stoff, aus dem die Partyträume gemacht sind, welche das Rockabilly-Genre in aller Regel bereit hält.
Brian Setzer fehlt eben doch! 6 von 10 RockTimes-Uhren
Line-up:
Johnny 'Don Vincenzo' (vocals, doublebass)
Luca Brasi (guitar)
Voodoo Finger (guitar)
Gamasche (drums)
Tracklist |
01:Back Again
02:Time
03:Personal Jesus
04:Six Feet Under
05:Play Or Pay
06:So Cool
07:Judgement Day
08:Psychotic Waltz
09:By My Side
10:In Pain We Trust
11:Sun
12:Suicide Gril
13:Just Playing The Bass
14:Final Curtain
|
|
Externe Links:
|