The 1987 Dave Brubeck Quartet / Blue Rondo
Blue Rondo Spielzeit: 44:43
Medium: CD
Label: Concord Music Group, 2011 (1987)
Stil: Jazz


Review vom 17.10.2011


Wolfgang Giese
Gleich in der Bandbezeichnung ist eine genaue Eingrenzung auf das Entstehungsjahr vorgenommen worden, wohl um eine Abgrenzung zu den unzähligen Formationen des Pianisten Dave Brubeck herzustellen. Dieses ist also nicht die Zeit des Klassikers Time Out, sondern wir befinden uns bereits eine Generation weiter - auch deshalb, weil einer seiner Sprösslinge, Chris Brubeck am Bass, mitwirkt. Dieses Generationentreffen hatte es allerdings bereits in den Siebzigern gegeben, seinerzeit mit drei Söhnen des Musikers.
Als weitere Besonderheit weist diese Platte auf, dass anstatt des so oft gehörten Klangs des Altsaxofons in Verbindung mit Brubecks Piano (allen voran sei hier Paul Desmond genannt) hier mit Bill Smith ein Klarinettist zu hören ist, der mit dem Bandleader bereits in dessen frühen Jahren zusammen musizierte. Ergänzt wird das Quartett durch den Drummer Randy Jones, der damals auch schon einige Zeit dabei war.
Und - hat sich etwas geändert? Denn es gibt erneut 'Remakes' dreier Titel, aber der Rest ist neu. Aufgenommen im Dezember 1986 in San Francisco sind die Voraussetzungen für feinsten Westcoast-Jazz gegeben.
Böse Zungen könnten angesichts des im Booklet abgedruckten Bildes auf 'Barmusik' schließen, denn alle vier Musiker tragen Anzug und Fliege. Wilde Exkursionen wird ein Free Jazz-Liebhaber nicht vorfinden, das ist richtig. Aber 'loungiger Langeweilejazz' ist auch nicht angesagt. Die Klarinette erfährt sogar auf drei Titeln eine elektronische Bearbeitung, »processed through a Yamaha TX7« wie es im Booklet heißt.
Der Bass macht den Unterschied. Der für den E-Bass typische Klang nimmt zwar etwas von der Geschmeidigkeit eines Double Bass, gibt der Musik aber einen etwas 'moderneren' Anstrich, der Sound wird sozusagen 'upgedated'. Brubecks Sohn ist ein sehr guter Bassist und weiß mit seiner virtuosen Spielweise ein sehr musikalisches Element einzubringen. Der Chef selbst tobt sich auf den schnellen Stücken mit teils wild hämmernden Akkorden oft regelrecht aus - klasse, wie frisch und unverbraucht er spielt. Die Klarinette bringt mit ihrem weichen Klang einen ganz anderen Eindruck in die Musik, und bei den langsamen Stücken, wie "Easy As You Go", brilliert Smith mit äußerst gefühlvollem Einsatz. Gut ist der Wechsel zwischen den verschiedenen Stimmungen angesetzt.
Das erste 'Aha-Erlebnis' stellt sich bei "Blue Rondo A La Turk", dem Stück aus der Platte "Time Out", ein. Inmitten geht der Titel in eine sanft rockende Variante über - darüber könnte nun auch ein Blueser ein Solo variieren. Und so bringt auch Brubeck Blues-betontes in jenem Teil zum Klingen, fein, wie er locker über die Tasten rollt. Schön, dass man hier nicht versucht hat, dieses Remake als Kopie abzuliefern, sondern dem Klassiker neuen Geist eingehaucht hat.
Offensichtlich an Dizzy Gillespie soll das mit einem an dessen Vorliebe für lateinamerikanische Rhythmen ausgestattete "Dizzy's Dream" erinnern. Hier bedient man sich darüber hinaus mit Zitaten aus "The Girl From Ipanema", bevor man noch kurz das Thema des gerade zu Ende gegangenen Titels einflicht. Man bemerke, dass der Humor nicht außen vor bleibt, und das tut dem so oft als ernst verschrienen Jazz mal ganz gut. Ach ja, Dizzy's "Salt Peanuts" taucht später auch noch auf. Es folgt mit "I See Satie" eine deutliche Widmung an Eric Satie und dessen berühmtes Stück "Gymnopedien". Das sind lyrische Momente mit Schönklang, wunderschön vorgetragen.
Die "Swing Bells" machen genau das, was der Titel verspricht. Nun ist Chris Brubeck an der Posaune zu hören, sehr locker und leicht klingt das. In der folgenden Ballade bringt er noch einmal die Posaune und als Schlusspunkt folgt ein weiteres ruhiges Stück, eingeleitet durch ein eineinhalb Minuten langes Pianosolo, bevor der Song dann aber doch in im Midtempo swingende Sphären abhebt. Nicht nur hier fällt mir die professionelle Lockerheit der Musiker auf, wie 'aus der Hüfte' geht alles selbstverständlich auf höchstem Niveau von der Hand, und wunderbar auffällig ist auch der energische und ideenreiche Drummer! So verfügte Dave Brubeck über alle bisherigen Phasen seines langen Schaffens stets über hochklassige Musiker, allesamt Garanten für hochwertigen Jazz mit Charakter.
Line-up:
Dave Brubeck (piano)
Bill Smith (clarinet)
Chris Brubeck (electric bass, bass trombone)
Randy Jones (drums)
Tracklist
01:How Does Your Garden Grow? (5:55)
02:Festival Hall (5:55)
03:Easy As You Go (3:15)
04:Blue Rondo A La Turk (7:03)
05:Dizzy's Dream (4:08)
06:I See, Satie (3:45)
07:Swing Bells (3:03)
08:Strange Meadowlark (5:05)
09:Elana Joy (5:13)
(all composed by Dave Brubeck)
Externe Links: