Dickey Betts & Great Southern
Rockpalast: 30 Years Of Southern Rock (1978 - 2008)
Rockpalast: 30 Years Of Southern Rock (1978 - 2008) Spielzeit: 75:56 (CD 1), 74:01 (CD 2)
Medium: Do-CD
Label: SPV, 2010
Stil: Southern Rock

Review vom 01.07.2010


Steve Braun
Ein gutes Jahr nachdem die DVD Rockpalast: 30 Years Of Southern Rock (1978 - 2008) heraus gebracht wurde, schieben nun SPV und der Rockpalast die dazu gehörige Doppel-CD nach. Warum man seinerzeit nicht gleich ein hochwertiges Package mit einem Quartett von Silberlingen aufgelegt hat, bleibt das Geheimnis der Verantwortlichen. Der Freude über diesen Doppeldecker tut's letztendlich keinen Abbruch...
Über Forrest Richard Betts, genannt Dickey Betts, muss man wohl - so hoffe ich doch - nichts mehr sagen. Der Mann war Gründungsmitglied und Co-Bandleader der Allman Brothers Band und hat alle Höhen und Tiefen der Band exzessiv ausgelebt. Mitte der 70er Jahre ging es mit der ABB, drogen- und alkoholbedingt, steil bergab. Bandleader Gregg Allman hatte einen gesalzenen Drogenprozess am Hals und zog seinen Kopf dadurch aus der Schlinge, dass er seinem Dealer, einem Roadie der ABB, die ganze Schuld in die Schuhe schob. Der Rest der Band empfand dies als Verrat und man ließ die Chose zum ersten Mal platzen. Dickey Betts formierte daraufhin sein Great Southern-Projekt, das - mit großen zeitlichen Unterbrechungen - bis heute Bestand hat.
In der Nacht vom 4. auf den 5. März 1978 debütierten Dickey Betts & Great Southern auf dem europäischen Kontinent. Es war eine glänzend besetzte Nacht, die jeden Rockfan mit der Zunge schnalzen ließ. Dickey wurde von Peter Rüchel zwischen Mother's Finest und Spirit platziert und konnte sich nach einem sehr fahrigen Beginn mit "Run Gypsy Run" langsam frei spielen. Größtenteils wussten die Songs zu überzeugen, auch wenn man zusätzlich zum erstgenannten Song das schröckliche "Dealin' With The Devil" abzieht. Selbst das auf dem mäßigen "Win Lose Or Draw"-Album (ABB, 1975) erschienene "High Falls" kommt überzeugend rüber. Neben traumhaft perlenden Soli, die sich der Meister und sein Side Kick Dan 'Dangerous' Toler mit brasilianisch anmutenden Doppelpässen zuspielen, glänzt hier ein solistisches Rhythmus-Feuerwerk, das die beiden Taktstock-Schwinger Dani Sharbono und David Toler abzufeuern verstehen. Hammond-Virtuose Michael Workman, der später für Leute wie Delaney Bramlett in die Tasten griff, steuert ein ums andere Mal einen inspirierten Solo-Ritt bei, während ihm allerdings besser kein Mikro vor die Nase gesetzt worden wäre. Der 'Satzgesang' ist nämlich nahezu unerträglich...
Bei den instrumentalen Longtracks "In Memory Of Elisabeth Reed" und "Jessica" - allesamt aus dem Repertoire der ABB - ziehen Great Southern alle Register ihres Könnens. Die typischen Southern Twin-Läufe sorgen für Gänsehaut-Feeling. Als Zugabe gibt es noch den Klassiker "Ramblin' Man", in der für Dickey typisch 'schnarrenden' Manier gesungen und alleine wegen des Nostalgie-Bonus' lohnt sich die Anschaffung von "Rockpalast: 30 Years Of Southern Rock (1978 - 2008)".
In einem Punkt irrt allerdings Großmeister Peter Rüchel: Wenn er in den Liner Notes schreibt, Dickey Betts & Great Southern seien »...die ersten und wichtigsten Vertreter des Südstaaten-Rock...« gewesen, dann ist dies so garantiert nicht richtig. Weder das "erste" noch das "wichtigste" stimmt...
Dreißig Jahre nach diesem Ereignis kamen Dickey Betts & Great Southern erneut für eine Handvoll Konzerte nach Deutschland und wurden mit offenen Armen empfangen. Es entbehrte nicht einer gewissen Komik, wenn so mancher, der kein einziges dieser Konzerte miterlebt hat, von einer katastrophalen Performance des gealterten Dickey Betts sprach. Das genaue Gegenteil war der Fall gewesen. Der Mann mit dem riskanten Lebensstil präsentierte sich in einer glänzenden Verfassung und die junge Band, der er den ehrwürdigen Namen Great Southern verpasst hatte, erwies sich als ein Jungbrunnen für den alten Crack... und Sohnemann Duane Betts konnte zeigen, dass er Vadderns Gene intus hat.
Ursprünglich sollte eigentlich Dan Toler an der dritten Gitarre dabei sein, der war allerdings aus nicht näher bekannten Gründen unabkömmlich gewesen. So sprang Andy Aledort, der mit seinen Groove Kings gerade eine neue Scheibe heraus gebracht hat, ein und gab den Slider dieses Triumvirates. Michael Kach bediente Hammond und Piano in noch überzeugenderer Art und Weise als Michael Workman drei Dekaden zuvor. Mit "Get Away" steuerte er eine Ballade seiner Michael Kach Group bei, die er natürlich selbst sang. Pedro Arevalo, ein Buddy des ABB-Bassers Oteil Burbridge und genauso begnadet wie dieser, bediente seinen Viersaiter furios-virtuos und komplettierte das flockige Rhythmus-Gerüst um die beiden Drummer Frankie Lombardi und James Vanardo. Diese Rhythm-Section, blutjung an Jahren, erinnerte in Qualität wie Stil durchaus an die Band, aus der Dickey im Jahr 2000 wegen Alkoholproblemen und einer über Jahrzehnte gepflegten Hassliebe mit dem Bandleader achtkantig herausflog.
Beginnend mit dem "Statesboro Blues" war von Anfang an Zug am Bonner Museumsplatz. Die Rhythmusabteilung groovte mal entspannt, mal packend und druckvoll. "Blue Sky" war erwartungsgemäß einer der Knaller - die daran anschließende unbekannte Ballade "Get Away" überraschte positiv, bevor mit "One Way Out" ein ellenlanger Jam abging. Die olle "Elisabeth Reed" - die einen finden sie nach vier Dekaden zum Gähnen langweilig, die anderen können nie genug von ihr bekommen - offenbarte 'gefühlte' dreißig Minuten Sonderklasse. Die Zugaben "No One To Run With" und der obligatorische "Ramblin' Man" beschlossen ein Set, das bewies: Dickey Betts sieht zwar nach all den Eskapaden mittlerweile uralt aus, musikalisch ist er allerdings noch voll auf 'Ballhöhe'!
Es war eine schöne Idee von SPV und dem Rockpalast-Team, uns Fans zwei Shows mit Dickey Betts im Abstand von 30 Jahren im direkten Vergleich zu ermöglichen. Nachdem der visuelle Genuss bereits vor gut einem Jahr auf DVD veröffentlicht wurde, bekommen wir nun - pünktlich zur Cabrio-Saison - die Musik für das Auto. Diese locker-flockige Mucke, auf zwei knallvolle Datenträger gepackt, ist der Stoff, aus dem Southern-Träume gewoben sind...
Line-up:
Essen, Grugahalle 1978:
Dickey Betts (vocals, guitar)
Dan Toler (guitar)
Michael Workman (Hammond, Fender Rhodes, backing vocals)
David Goldflies (bass)
David Toler (drums, percussion)
Dani Sharbono (drums, percussion, backing vocals)
Bonn, Museumsplatz 2008:
Dickey Betts (vocals, guitar)
Duane Betts (guitar)
Andy Aledort (guitar)
Michael Kach (Hammond, piano, vocals)
Pedro Arevalo (bass)
Frankie Lombardi (drums, percussions, backing vocals)
James Vanardo (drums, percussions)
Tracklist
CD 1 (Essen, Grugahalle 1978):
01:Rockpalast-Intro (1:04)
02:Run Gypsy Run (5:23)
03:In Memory Of Elizabeth Reed (11:39)
04:Good Time Feelin' (7:06)
05:Dealin' With The Devil (3:50)
06:Jessica (12:19)
07:High Falls incl. Drum Solo (29:13)
08:Ramblin' Man (6:11)
CD 2 (Bonn, Museumsplatz 2008:):
01:Statesboro Blues (6:09)
02:Nothing You Can Do (5:22)
03:Blue Sky (9:26)
04:Get Away (6:38)
05:One Way Out (8:36)
06:Havin' A Good Time (5:51)
07:In Memory Of Elisabeth Reed (19:49)
08:No One To Run With (6:27)
09:Ramblin' Man (5:42)
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