Spielzeit: 77:04 (CD 1), 77:00 (CD 2), 77:02 (CD 3), 76:45 (CD 4) Medium: 4CD-Box, Label: Repertoire Records, 2012 (1963 - 1967) Stil: Rhythm & Blues Review vom 21.03.2013 Markus Kerren

Wow, was für ein fettes Teil! Eine sehr reichhaltig ausgestattete Box mit vier prall gefüllten CDs von The Graham Bond Organization, einer Band, die zwar als eine der Innovatoren des englischen Rhythm'n'Blues-Booms der sechziger Jahre gilt, leider allerdings nie wirklich über einen gewissen Insider-Status hinaus kam. Eben eine dieser Geschichten, bei denen immer von der Ungerechtigkeit des Business geredet wird. Dabei hatte dieses Quartett (außer einer Gitarre vielleicht) alles was nötig ist, um den großen Durchbruch zu schaffen und sich in den Verkaufscharts ganz oben anzusiedeln.

Da war zum einen der Namensgeber, ein überdurchschnittlicher Organist und sehr passabler Sänger, mit Dick Heckstall-Smith hatte man einen Erneuerer des Saxophonspiels in den eigenen Reihen und schließlich war da ja auch noch die Rhythmusabteilung, die sich aus keinen geringeren als den zukünftigen Cream-Mitgliedern Jack Bruce und Ginger Baker zusammensetzte. Diese beiden konnten sich privat zwar überhaupt nicht ausstehen und hatten sich ständig gegenseitig am Hals, musikalisch waren sie allerdings (auch in jungen Jahren schon) eine Macht. Wunderbar nachzuvollziehen eben auch auf diesen insgesamt 96 Tracks, die mir nun vorliegen.

Aber was wird denn nun geboten? Vor allem sehr viel rares und unveröffentlichtes Material befindet sich auf diesen vier Silberlingen. Zum Beispiel gibt es hier sehr gute Songs mit der Graham Bond Organization als Backing Band für (heute nahezu vergessene) Leute wie zum Beispiel Duffy Power, Winston G. oder den Gitarristen Ernest Ranglin, die meisten Titel stammen aber natürlich aus Sessions, die unter eigenem Namen aufgenommen wurden. Sage und schreibe 36 Aufnahmen gilt es unter die Lupe zu nehmen, die davor noch nie auf die Öffentlichkeit losgelassen wurden. Und selbst wenn es sich dabei auch des Öfteren mal um Alternativversionen zu bekannten Stücken handelt, so sind diese ebenfalls durchaus eine Entdeckung wert..

Aber natürlich sind auch jede Menge Titel des bei uns bereits vorgestellten Albums
The Sound Of 65 vertreten, die hier in einem Stereo Remix angeboten werden. Eine Besonderheit dieser Truppe stellte die Tatsache dar, dass man nach einigen Monaten mit John McLaughlin vollkommen auf einen Gitarristen verzichtete und nicht nur dadurch die herrschenden Konventionen durchbrach. Auch stilistisch war das Quartett sehr breit aufgestellt, was sich aber sehr subtil in den einzelnen Songs ausdrückte, anstatt die Fans mit einer plakativen Herangehensweise zu verwirren.

Diese Band brannte lichterloh und entfachte nicht nur unter sich selbst, sondern auch auf jeder Bühne und bei den Fans ein Lauffeuer, das erst langsam wieder zu erlöschen schien, wenn der letzte Ton schon lange gespielt war. Heckstall-Smith's geniales Sax-Spiel, das Power-Duo Bruce/Baker und die brodelnde Orgel Bonds waren die Grundlage, über die der Bandleader dann seine intensiven und teilweise fast fieberhaften Vocals legte.

Auch das Booklet ist sehr schön gemacht und liefert neben den (teilweise nur ungefähren, z. B. »Herbst 1964«) Aufnahmeterminen auch noch die kompletten Besetzungslisten des jeweiligen Songs. Darüber hinaus gibt es alte Zeitungsausschnitte, Konzert-Tickets, natürlich Fotos und einen ausführlichen Text von Pete Brown (Musiker und Songwriting-Partner von Jack Bruce). Ebenso historisch wertvoll ist die Tatsache, dass man hier die allerersten Aufnahmen von Jack Bruce wie auch Ginger Baker als Sänger begutachten kann. Insgesamt also eine herrliche Box, die im Prinzip alles beinhaltet, was man von der Graham Bond Organization braucht.

Zu dem weiteren Werdegang von Ginger Baker und Jack Bruce braucht man wohl nichts mehr zu schreiben, ebenso wenig wie über das Schaffen von Dick Heckstall-Smith (R.I.P.). Für Graham Bond ging es nach der Auflösung seiner Organization leider stetig abwärts. Er nahm zwar bis in die frühen Siebziger noch weitere Alben auf, aber der Erfolg blieb ihm versagt. Der stetige Griff nach verbotenen Früchten sowie chronische Depressionen halfen natürlich auch nicht dabei, sein Leben in den Griff zu bekommen. 1974 landete er unter einer U-Bahn, wobei bis heute ungeklärt ist, ob es sich dabei um einen Unfall oder Suizid handelte.

Geblieben ist seine Musik, in die man mit dieser CD-Box ganz wunderbar eintauchen und sich darin geradezu verlieren kann. Ganz feines Teil!

Line-up:
Graham Bond (piano, organ, alto sax - CD 2 - 12-28, CD 3 - #5-20, CD 4 - #10-18, mellotron - CD 3 - #5-20, lead vocals)
Jack Bruce (bass, double bass, lead vocals)
Ginger Baker (drums & percussion, vocals - CD 3 - #1,2,5-20)
Dick Heckstall-Smith (tenor sax - CD 1 - #1-3,23-26, all songs on CD 2, 3 & 4)

With:
Duffy Power (vocals - CD 1 - #4-10)
John McLaughlin (guitar - CD 1 - #4-7,11-15)
Big Jim Sullivan (guitar - CD 1 - #8-10)
Ernest Ranglin (guitar - CD 1 - #16-22)
John Hockridge (trumpet - CD 2 - #18,19)
Ian Hamer (trumpet - CD 2 - #18,19)
Mike Falana (trumpet - CD 3 - #21-24, CD 4 - #1-5)
Jon Hiseman (drums - CD 4 - #5-8)
Winston G. (vocals - CD 3 - #3,4)