Jack Bruce / Silver Rails
Silver Rails Spielzeit: 47:36
Medium: CD
Label: Esoteric Antenna, 2014
Stil: Rock

Review vom 04.05.2014


Jochen v. Arnim
Weia, hat denn jemand noch ernsthaft damit gerechnet, dass der Meister der tiefen Töne mit über siebzig Lenzen auf dem Buckel ein neues Soloalbum herausbringen würde? Immerhin liegt der letzte Alleingang schon rund zehn Jahre zurück. Andererseits hat der frühere Cream-Basser immer wieder mal in Kooperationen mit anderen hochkarätigen Kollegen seinem Drang nach Neuem freien Lauf gelassen, so das für mein Empfinden überaus starke Album "Seven Moons", das er zusammen mit Robin Trower und dem hervorragenden Gary Husband veröffentlichte. Als Konzertmitschnitt gab es das Ding unter dem Titel Seven Moons Live ein Jahr später als CD und DVD und ließ auch bei den geschätzten Kollegen Joe und Jürgen die Daumen nach oben schnellen.
Nun haben wir das noch warme Solowerk "Silver Rails" in den Händen und als erstes fällt mal wieder auf, dass der Begriff Soloalbum ja im Grunde vollkommen falsch ist. Jack Bruce ist schon seit 1968 nicht mehr bei Cream, Cream gibt es seit 1968 nicht mehr und auch West, Bruce & Laing war nur ein Projekt, das zwei oder drei Scheiben lang hielt. Ansonsten war er immer 'solo mit anderen'. Okay, aber genug der Haarspalterei, tun wir so, als sei das hier ein Soloalbum, denn schließlich hat er alle Songs dazu geschrieben. Dennoch haben wir eine beeindruckende Liste an Mitstreitern, die dem begnadeten Schotten mit ihrem musikalischen Talent unter die Arme gegriffen haben.
Da gibt es den bereits genannten und aus anderen Kooperationen mit Bruce bekannten Robin Trower, den früheren Whitesnake-Gitarristen Bernie Marsden, Phil Manzanera von Roxy Music, Uli Jon Roth (ja ja, auch mal bei den Scorpions), die göttliche Cindy Blackman Santana (u. a. Challenge, Lenny Kravitz) an den Drums und, und, und… Eine wahrlich stattliche Anzahl geballter musikalischer Power, vielseitiger Power. Denn Vielseitigkeit ist genau das Stichwort, unter dem man dieses Album abheften könnte.
Mit einem leichten Hauch von Karibik eröffnet "Candlelight" die dreiviertel Stunde, die wir brauchen, um einen kompletten Durchlauf zu absolvieren. Feine Hammond-Klänge harmonieren mit dem Bläsersatz und versprühen ein lockeres und sonniges akustisches Flair.
Von den Bläsern bleibt beim zweiten Song, "Reach For The Night", allein Derek Nash am Saxofon übrig und der steht im Wettstreit mit des Meisters Bassläufen, die sanft und unaufdringlich eine gekonnte Leitlinie legen.
Ganz frisch kommt danach "Fields Of Forever" daher und wartet auch wieder mit den Bläsern auf, die sich jedoch nur ganz verhalten während einzelner Passagen äußern. Vordergründig dominieren in diesem flotten Track ansonsten der Gesang und das Pianospiel von Jack Bruce.
Ein mächtiger Time Warp versetzt den Hörer in abgedunkelte Kiffer-Spelunken der späten Sechziger: "Hidden Cities" scheint wie eine Hommage an die Zeiten, als Bruce noch mit den Kollegen Clapton und Baker ein Trio bildete.
Ein richtig cooler Blues folgt dann etwas später mit "Rusty Lady", der besonders auch durch das versierte Gitarrenspiel Trowers an Intensität gewinnt.
Nicht weniger intensiv, aber vollkommen auf etwas Piano und Gesang reduziert, präsentiert sich "Industrial Child". Die akustische Gitarre, die im Booklet ausgewiesen wird, ist im Grunde gar nicht wahrnehmbar. Dennoch eine beeindruckende Ballade, der mit dem unmittelbar folgenden "Drone" ein interessanter Gegenpol gesetzt wird. Alle Saiteninstrumente sieben Oktaven tiefer gestimmt und eine kleine Retro-Doomwalze kreiert - so ähnlich möchte man hier plump und vorschnell urteilen, wären da nicht feine Jazz-Elemente, die sich erst beim genauen Hinhören eröffnen und einen wirklich komplexen Song daraus machen.
Das ist übrigens ein wichtiges Merkmal von "Silver Rails": Es muss genau hingehört werden. Man braucht gar nicht zu erwarten, dass sich einem die Komplexität der Scheibe beim ersten oder zweiten Durchlauf in voller Gänze eröffnet. Jede neue Umdrehung offenbart feine Nuancen, die in Zusammenschau ein richtig gutes Album ausmachen. Erstaunlich ist zudem, wie gut der vor ein paar Jahren noch beinahe an Krebs verstorbene Meister seine Stimme im Griff hat. Kein Album für viel Airplay, aber für viel Hörgenuss unter dem Kopfhörer.
Line-up:
Jack Bruce (vocals, bass, piano)

with:
Phil Manzanera, Robin Trower, Bernie Marsden, Uli Jon Roth, Malcolm Bruce, Tony Remy, Pearse MacIntyre (guitars)
John Medeski (keyboards, Hammond)
Rob Cass (percussion, backings)
Cindy Blackman Santana, Frank Tontoh (drums)
Milos Pál (djembe)
Winstom Rollins (trombone)
Derek Nash (sax)
Russell Bennett (trumpet)
Aruba Red, Kyla Bruce, Chantelle Nandi, Julie Iwheta (vocals)
Tracklist
01:Candlelight
02:Reach For The Night
03:Fields Of Forever
04:Hidden Cities
05:Don't Look Now
06:Rusty Lady
07:Industrial Child
08:Drone
09:Keep It Down
10:No Surrender
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