Jackson Browne & Band with David Lindley
17.06.2010, Palais des Beaux-Arts, Brüssel (B)
Browne & Lindley Jackson Browne & Band with David Lindley
Palais des Beaux-Arts, Brüssel (B)
17. Juni 2010
Konzertbericht
Stil: Rock, Folk Rock, Westcoast
Fotos: © Markus Hagner


Artikel vom 22.06.2010


Steve Braun
Browne & Lindley Was soll man machen, wenn man bei einem Konzert mit zwei Legenden der Westcoast-Szene neben einem schnöselig-öligen Wichtigtuer sitzt, der während der gesamten Show lieber mit seinem neuesten Spielzeug, einem iPhone, hantiert? Schreiend weglaufen oder schreiend um sich schlagen? So geschehen und hautnah erlebt bei Jackson Browne und David Lindley in Brüssel. Unfassbar, dass so manchem Konzertbesucher - sicherlich die verschwindend geringe Anzahl an diesem Abend - die historische Dimension dieses Abends offensichtlich nicht bewusst war.
Palais des Beaux-Arts hieß der Veranstaltungsort in der belgischen Landeshauptstadt und dieser Name hielt, was er versprach. Beim Eintritt in dieses altehrwürdige Theater klappte beim Fotograf wie dem Schreiber dieser Zeilen erst einmal die Kinnlade herunter. Drei Emporen, barocker Stuck satt und eine mit den brabantischen Löwen verzierte Königsloge ließen einen Hauch von Royal Albert Hall aufflammen. Ein perfekter Rahmen für diesen - und hier sind wir wieder bei der Eingangspassage - historischen Abend. Leider war die über etwa 2000 mit Samt bezogene Sesseln verfügende Räumlichkeit nur zu gut drei Vierteln gefüllt, was bei der geringen Anzahl von Gigs der Protagonisten auf dem europäischen Kontinent so nicht zu erwarten gewesen war.
Browne & LindleyEs waren Jackson Brownes beste Jahre: die Zeit mit David Lindley in den 1970er Jahren. Der flippige Freak war der kongeniale Partner des eher introvertieren Westcoast-Barden. Keiner konnte diese intimen, fast zerbrechlichen Momente seiner Songs besser in zu Tränen rührende Emotionen verpacken. Heute heißt Jacksons 'bessere Hälfte' Kevin McCormack (bass), der sich aber im Gegensatz zu dem zumeist mit blumigen Hemden ausgestatteten und früher stets mit im Mittelpunkt stehenden Lindley unauffällig im Hintergrund aufhält.
Die Nachricht, dass sich die beiden langjährigen Weggefährten und Freunde nach langer Zeit für eine gemeinsame Tour zusammenschließen würden, ließ in der Musikszene die berühmt-berüchtigte Bombe platzen. 2006 in Spanien aufgezeichnete Aufnahmen der Beiden, Love Is Strange betitelt, wurden als Initialzündung vorab veröffentlicht. Natürlich ließ dies im Vorfeld ein akustisches Duo vermuten - es sollte anders kommen ...
Browne & Lindley'Jackson Browne & Band with David Lindley' wurde auf den Konzertplakaten angekündigt und diese Verheißung sorgte erstmal - aufgrund der Erwartungshaltung - für eine gewisse Ernüchterung. Zum ersten Set bestiegen die Beiden allerdings mit akustischen Klampfen ausgestattet die Bühne. Lindley stand hierbei als Hauptsänger im Mittelpunkt, zumal Browne nach zwei Songs die Bühne wieder verließ. Ein Antikriegssong Bruce Springsteens zum Vietnamkrieg wurde zu einem kurzen Statement zu den aktuellen kriegerischen Aktivitäten der USA genutzt: »... it's a shame!« Wenn Lindley seine kleinen Geschichten erzählte, blitzte immer wieder dieses spitzbübisch-lausbubenhafte Grinsen auf, das man seit seinen frühen Jahren kennt. Dieser Mann hat einfach eine unglaubliche, faszinierende Bühnenpräsenz. Dazu kommen nahezu einzigartige gitarristische Fähigkeiten. Ob auf Bouzouki, Mandoline oder Cister - unglaubliche Töne wusste der graumähnige Held im ersten Set seinen Instrumenten zu entlocken. Immer wieder schimmerten Irish Folk und orientalische Klänge durch seine Songs. Nach knappen 45 Minuten war - leider gefühlt viel zu früh - Schluss und nach einer kurzen Umbaupause betrat Jackson Browne samt Band die äußerst großzügige Bühne.
Browne & LindleyAusgerechnet mit drei Songs der wenig überzeugenden aktuellen "Time The Conqueror"-Scheibe startete die Band - ohne Lindley - in das zweite Set. Das waren schöne, gefällig arrangierte Songs allerdings ohne jeglichen Biss und Aktion, die am kritischen Zuhörer eindruckslos vorbeirauschten. Auffällig war die exzellente Akustik im Palais des Beaux-Arts, die von Jackson ausdrücklich lobend erwähnt wurde.
Bezeichnenderweise war es mit "Shape Of A Heart" ein Klassiker, der für erste Begeisterungsstürme sorgte. Auch weil sich nun Lindley wieder auf der Bühne einfand, wurde "For Everyman" - mit einem einzigartigen Lap Steel-Solo veredelt - zum ersten ganz großen Highlight des zweiten Sets. Warum aber saß dieser, wegen dem die beiden Berichterstatter hauptsächlich angereist waren, so versteckt im hinteren Bereich der Bühne, neben dem Schlagzeug? Sein angestammter Platz wäre neben Jackson Browne im Bühnenmittelpunkt gewesen ...
Browne & LindleyDie beiden vielleicht schönsten Songs des "I'm Alive"-Albums, "Too Many Angels" und der Titeltrack, verzauberten die Hörer. Während bei Letzterem erstmals richtig losgerockt wurde, war Ersterer mit einer Akustischen, einer 12-String und einer Bouzouki traumhaft schön und rein akustisch interpretiert. Offenen Szenenapplaus sicherte sich unser Westcoast-Barde, als er in der Ankündigung zu "Before The Deluge" auf die traurige politische Situation im Land des Veranstaltungsortes aufmerksam machte und damit ein Auge für geopolitische Zusammenhänge bewies, das US-Amerikanern nicht selten völlig abgeht. Belgien steht kurz vor einer Zerreißprobe, die das Land in zwei unabhängige Länder spalten könnte. »It's a song for both...«, also Wallonen wie Flamen gleichermaßen - diese Aussage geriet zu einer eindrucksvollen Einheitsbekundung des Publikums!
Und es wurde gegen Ende der Show fleißig weiter gerockt: Zu "Doctor My Eyes" und
Running On Empty holten alle Akteure noch einmal das Letzte aus sich heraus. Lap Steel, Hammond und Slide duellierten sich gnadenlos ... nach 75 Minuten verklang der letzte Ton des zweiten Sets.
Auch wenn der vielstimmig geforderte Klassiker "The Load Out/Stay" nicht gebracht wurde, so versöhnte David Lindleys wohl bester Song, der "Mercury Blues" vom "El Rayo-X"-Album, vollauf. Hei, wurde hier gerockt, bis die Schwarte bedenklich krachte! Mit "Take It Easy" (wer kennt diese Glenn Frey/Jackson Browne-Nummer für die Eagles eigentlich nicht?) fanden insgesamt gut 130 unterhaltsame Minuten ihr endgültiges Ende.
Browne & LindleyWar der eingangs benutzte Terminus 'Historische Dimension' zu hoch gegriffen? Knapp dreißig Jahre gingen sich Jackson Browne und David Lindley mehr oder weniger aus dem Weg. Zu groß war das Bestreben des Letztgenannten, sich aus dem langen Schatten zu lösen und zu groß wohl auch die Differenz der musikalischen Basis. Letztlich sind diese beiden Namen aber bei den Fans zu einer Einheit verwachsen und diese Tour samt dazugehörigem Album erscheint als überfällig. Allerdings darf man sicher sein, dass Browne und Lindley auch zukünftig vorwiegend getrennte Pfade beschreiten werden und - wenn überhaupt - dürften künftige gemeinsame Konzerte vorwiegend in den USA oder UK stattfinden. Von daher betrachten die beiden Berichterstatter diese Show in Brüssel als einzigartiges Ereignis und zumindest für diese Beiden hatte der Abend im Palais des Beaux-Arts somit eine historische Dimension.

Wir danken Katrien Lefevre von Greenhouse Talent für das exzellente Sitzplatzarrangement und die überaus freundliche Akkreditierung.
Line-up:
Jackson Browne (vocals, guitars, piano)
David Lindley (vocals, diverse Saiteninstrumente)
Mark Goldenberg (guitar)
Kevin McCormack (bass, background vocals)
Jeff Smith (keyboards, background vocals)
Maurizio Lewak (drums)
Alethia Mills (background vocals)
Debbie Young (background vocals)
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