Die Klever Jazzfreunden e.V. waren vor der Sommerpause mit einem Hochkaräter am Start. Das Jasper Blom Kwintet war im Klever Coffeehouse zu Gast. Wenn man sich die Viten der Musiker zu Gemüte führt, fallen jede Menge berühmter Namen. Bei Jasper Blom sind es Nat Adderley, Chet Baker, Bob Brookmeyer, Randy Crawford, George Duke, Conrad Herwig, Lee Konitz oder David Liebman. Außerdem ist er noch in einigen anderen Projekten involviert, wie zum Beispiel dem Metropole Orchestra oder Dialect (mit dem New Yorker Pianisten David Berkman). Der Gitarrist Jesse van Ruller hat als erster Europäer 1995 den Thelonius Monk Award gewonnen. Auf seiner Visitenkarte stehen unter anderem Philip Catherine, Tom Harrell, Christian McBride, Mike Stern beziehungsweise die WDR Big Band. 2001/2002 wurde er für den Bird Award des North Sea Jazz Festivals nominiert.
Für Frans van der Hoeven stand der Kontrabassist Jeroen Vierdag auf der Bühne. Er ist Mitglied bei den Ploctones und spielt auch mit Francien van Tuinen, Ed Verhoeff, Amina Figarova, Bart Wirtz, Ferial und Nueva Manteca. Schlagzeuger Martijn Vink ist bekannt durch das Metropole Orchestra, New Cool Collective oder den Ploctones. Tja, und Dick Oatts muss man einem Jazz-Freund fast mehr nicht vorstellen. Bei ihm sind David Byrne, Everything But The Girl, Thad Jones/Mel Lewis Big Band, Joe Henderson, Sue Tucker beziehungsweise Luther Vandross auf der Liste. Zu allen Künstlern könnten noch mehr Musiker/Bands genannt werden, aber das würde hier den Rahmen definitiv sprengen. Das Quintett bot einen Querschnitt aus den drei Alben "Dexterity", "Statue Of Liberty" und "Gravity".
Das erste Lied war so etwas wie eine Vorstellungsrunde. Zunächst legte die Rhythmusabteilung einen herrlichen Groove hin. Dick Oatts, Jasper Blom sowie Jesse van Ruller zeigten, wie variantenreich sie auf ihren Instrumenten Wirkung erzeugen konnten. Die in ihrem weiteren Verlauf von Rhythmuswechseln geprägte Nummer kreierte auch ausdrucksstarke atmosphärische Veränderungen. Dann wurde das Publikum in den "Sherwood Forest" entführt. Nicht nur hier wurden die melodischen Leitmotive von den beiden Saxofonisten im Twinsound serviert. Dann entwickelte Dick Oatts aus dem Songthema heraus Klangkaskaden, die ihren Ursprung in den gebirgigen Tiefen hatten, dort wo man frisches Quellwasser vorfindet. Sein mit Ecken und Kanten versehenes Solo führte ihn bis unter die Wolkendecke und war geprägt von grandioser Lyrik.
Es folgte ein Loblied auf eine Stadt im Freistaat Liechtenstein. In "Vaduz" ging es wenigen um einen Fluchtpunkt für Steuerflüchtlinge, sondern viel mehr lieferte die Band einen flotten, kulturellen Streifzug durch den Ort und seine Umgebung. Auf den Schwingen des Swing gab es Jazz aus der Feinkostabteilung. Einem Jesse van Ruller bei der Arbeit zuzusehen war ein Genuss. Erstaunlich, wie er aus einer scheinbar inneren Ruhe heraus aussagekräftige Klänge erzeugte. Seine Fingerakrobatik war nicht nur hörens- sondern auch sehenswert. Apropos sehenswert ... Dick Oatts' Alleingänge hatten einen deutlich ausgeprägten körpersprachlichen Schwerpunkt. Vor der Pause gab es noch ein längeres Stück aus der eher experimentellen, freien Form des Genres. Ohrenfällig deutlich von einander getrennt, fügten die fünf Künstler ihre musikalischen Puzzleteile in "The Least Of Your Worries" zu einem großartigen, furiosen Ganzen zusammen. Brillant! Das Jasper Blom Kwintet lieferte Jazz in der Feinform.
Der Beginn der zweiten Runde war von geradezu sinnlicher Entspanntheit geprägt. "White Stripes" gehörte aus meiner Sicht zu den Highlights des Konzerts. Mit seinen vielen Effektgeräten erzeugte Jasper Blom auf seinem Tenorsaxofon eine Vielzahl von herrlichen, sehr divergierenden Sounds. Da durfte sein Instrument durchaus auch wie eine Querflöte klingen. Insgesamt hatten die Lieder ein sehr hohes Maß an Kreativität. Jesse van Rullers Genialität auf den sechs Saiten seiner halbakustischen Gibson erinnerte mit seinem weichen Klang phasenweise an John Scofield. In einer weiteren Ballade gab es von Jasper Blom kurze fernöstliche Klappenmodulationen und ein Jeroen Vierdag-Basssolo, dessen tiefe Töne von der hereinbrechenden Nacht geprägt waren. Klasse! Dick Oatts sowie der Bandleader dialogisierten über die Freuden des Lebens und es war schon ein Ereignis der besonderen Art, den Professor am Altsaxofon erlebt zu haben.
"Britpop" ... die Inspiration für diesen Track fand der Protagonist bei seiner älteren Schwester, die Vinyl-Singles abspielte. Unter anderem "Yummy, Yummy, Yummy" von der amerikanischen Combo Ohio Express. Zu Beginn zeigte sich die Gruppe doch tatsächlich etwas rockig orientiert. Dann allerdings wechselte man in den zollfreien Bereich des Jazz. Dick Oatts brillierte mit einem Solo, bei dem die Noten wie Schmetterlinge durch den Raum flogen. Dieser Künstler sorgte ein ums andere Mal für mächtige Luftverwirbelungen/Turbulenzen. Jasper Blom ist im großen Feld des Jazz ein Saxofonist, der seine Individualität facettenreich zum Ausdruck brachte. Bei seinem Solo im letzten Song der Setlist ("Knor") brachte der Saxofonist aus Amsterdam Dick Oatts zu einem anerkennenden Lächeln. Martijn Vink lieferte luftige Rhythmik und Jesse van Ruller sorgte mit seinem herausragenden Alleingang nicht das erste Mal für Szenenapplaus. In der balladesken Zugabe "Nancy In The Sky" war die Melancholie eines Dick Oatts zum Greifen nahe. Der Jazz des Jasper Blom Kwintets war innovativ und berauschend. Dieser Band gehört die Zukunft.
Wir bedanken uns bei Steven Decorte von den Klever Jazzfreunden e.V. für die problemlose Akkreditierung.
Line-up:
Jasper Blom (tenor saxophone)
Dick Oatts (saxophone)
Jesse van Ruller (guitar)
Jeroen Vierdag (upright bass)
Martijn Vink (drums)
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