Jeff Beck / Emotion & Commotion
Emotion & Commotion Spielzeit: 40:26
Medium: CD
Label: Atco Rhino/Warner Music Germany, 2010
Stil: Rock and more

Review vom 27.04.2010


Markus Kerren
Jeff Beck hat sich ja immer schon gerne kreative Pausen gegönnt. Am prägnantesten wohl in den achtziger Jahren, in denen nach "There And Back" (1980) gerade mal noch "Flash" (1985) und "Beck's Guitar Shop" (1989) erschienen. Dieses Mal hat es sogar geschlagene sieben Jahre gedauert, bis er nun endlich mit "Emotion & Commotion" ein neues Studio-Album vorlegt. Das mag zum einen daran liegen, dass der Brite nur äußerst ungern auf Tour geht, zum zweiten fällt mir dazu seine Charakter-Eigenschaft ein, über die Maßen selbstkritisch zu sein. So antwortete er dem englischen Classic Rock-Magazin etwa Anfang 2007 einmal auf die Interview-Frage, welches sein liebstes eigenes Studio-Album sei, ganz lapidar »Ach komm', die sind doch alle Sch…«.
Wie er sein aktuelles Werk mit etwas Abstand beurteilen wird, bleibt abzuwarten. Allen Freunden des Meister-Gitarristen kann ich aber schon mal versprechen, dass sich das Warten gelohnt hat. Wenn Beck hier auch wieder mal ganz neue Wege geht. So hat er neben drei Gastsängerinnen für drei Songs mit einem 64 Instrumente starken Orchester zusammengearbeitet. Über die Qualitäten des Gitarristen Jeff Beck braucht man ganz sicher keine Worte mehr zu verlieren, der Mann ist unberechenbar und immer für eine Überraschung gut. Davon abgesehen bestechen die neuen, hier vorgelegten zehn Tracks vor allem durch ihre Melodiösität, woran ganz sicher die Zusammenarbeit mit dem Orchester nicht gerade unschuldig war.
Sehr relaxt startet "Corpus Christi Carol" die Scheibe mit einer Jeff Buckley-Nummer. Das Orchester hält sich sehr zurück und Beck zaubert mit einem schier unerschöpflichen Vorrat an Feeling wunderschöne, fast zärtliche Töne und Melodie-Strukturen aus seinem Instrument. Ein sehr sanfter Einstieg, der dann aber von dem wesentlich extrovertierteren "Hammerhead" abgelöst wird. Mein erster Favorit auf dem Album und ein Rocker der Sparte, wie man sich ihn von einem Jeff Beck wünscht. Begonnen wird mit einer Wah Wah-Einlage, die man als tiefe Verbeugung vor
Jimi Hendrix' "Voodoo Chile" verstehen kann. Nach 40 Sekunden lässt dann ein Schlagzeug-Break den eigentlichen Song starten, bei dem Jeff einmal mehr mal alle Trümpfe seines Könnens aus dem Ärmel zieht. Die fetten, hochmelodischen Gitarren-Hooks und das immer irgendwie ungewöhnliche Spiel erinnern mich hier sehr an die bereits erwähnte Scheibe "There And Back". Definitiv einer der Höhepunkte.
Für mich eher überraschend hat auch ein Titel wie "Somewhere Over The Rainbow" seinen Platz auf diesem Album gefunden. War ich zunächst noch kritisch, so überzeugt der Gitarrist aber schließlich auch auf dieser Nummer, die wieder vom Orchester unterstützt wird. Und zwar schlicht und ergreifend durch die Tatsache, dass Beck seine Gitarre hier sprichwörtlich zum Singen bringt. Fantastisch, was der mittlerweile auch schon über 60-jährige hier aus seinem Tremolo rausholt, butterzart und wunderschön.
Im Anschluss reiht sich praktisch ein Highlight an das andere. Joss Stone ist zu Gast für "I Put A Spell On You". Selbstverständlich kann keine Version dieser Welt das über alle Maßen vom Wahnsinn getriebene Original von Screamin' Jay Hawkins toppen, aber dennoch ist die vorliegende Version sehr gut gelungen. Joss Stone macht mit ihren souligen Vocals eine hervorragende Figur und Jeff Beck ist hier eher ein Teamplayer, der es sich aber natürlich nicht nehmen lässt, gekonnt seine Akzente zu setzen. Im Anschluss das wunderschöne "Serene", mit dichter Atmosphäre ausgestattet und bei mir Assoziationen mit einem warmen, träumerischen Sommerabend auslösend. Für die zweite Jeff Buckley-Nummer, "Lilac Wine" ist Imelda May als Gastsängerin am Start. Und auch hier kann man feststellen: Eine superstarke Blues/Jazz-Ballade mit einem Feeling der 50er, bzw. 60er gesegnet. Da passt alles!
Den dramatischen Höhepunkt von "Emotion & Commotion" stellt "There's No Other Me" dar, für den Joss Stone zum zweiten Mal den Platz vor dem Mikro eingenommen hat. Und wie! Nach eher verhaltenem, wenn auch hier schon sehr intensivem Beginn explodiert sie im Laufe des Tracks geradezu und zusammen mit den sechs Saiten (die es ihr nachtun) ist das eine hochbrisante Mischung. Mann, ist die Stone stark auf dieser Nummer. Da gehen einem selbst die Rhythmus gebenden Samples plötzlich am Allerwertesten vorbei. "Elegy For Dunkirk" beendet das Album dann im ruhigen Stil, mit Orchester und einem schönen Beitrag der Opern-Sängerin Olivia Safe.
"Emotion & Commotion" ist ein Jeff Beck-Album geworden, wie man es sich wünscht. Nicht sehr vertrackt, dafür von klasse Melodien bestimmt, super Gastsänger und das über allem stehende Instrument des Protagonisten. Auch die Zusammenarbeit mit dem Orchester kommt sehr inspiriert, unaufgesetzt rüber, passt, wackelt und hat Luft. Es gibt sehr viel zu entdecken und auch nach den knapp zehn Durchläufen, die ich bis jetzt hinter mir habe, hätte ich eigentlich ein doppelt so langes Review schreiben können. Zum Anchecken würde ich "Hammerhead", "Serene" und "There's No Other Me" empfehlen. Wenn man sich nach diesen Stücken noch nicht sicher ist, ob man das Album mögen wird, sollte man es wahrscheinlich bleiben lassen.
Auch die Vinyl-Freunde kommen nicht zu kurz und dürfen sich über eine Veröffentlichung von "Emotion & Commotion", in schickes Schwarz gepresst, freuen.
Ach ja, und hatte ich eigentlich schon erwähnt, dass mich allein die letzten drei Gitarren-Noten des Puccini-Stückes "Nessun Dorma" schier in den Wahnsinn treiben? Alle Daumen nach oben für diesen Ausnahme-Künstler!
Tracklist
01:Corpus Christi Carol
02:Hammerhead
03:Never Alone
04:Somewhere Over The Rainbow
05:I Put A Spell On You (featuring Joss Stone)
06:Serene
07:Lilac Wine (featuring Imelda May)
08:Nessun Dorma
09:There's No Other Me (featuring Joss Stone)
10:Elegy For Dunkirk (featuring Olivia Safe)
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