Joe Bonamassa / You & Me
You & Me
Mit seinem letzten Album Had To Cry Today hat Joe Bonamassa die Messlatte recht hoch gelegt. Ob er sie mit seiner neuen CD "You & Me" wieder überspringt oder die Marke gar noch toppen kann?
Zumindest wird es für den gebürtigen New Yorker verdammt schwer werden, zumal sich in der Band so einiges getan hat. Eric Czar und Kenny Kramme haben die Band verlassen und wurden durch Bogie Bowles (dr), der schon für Kenny Wayne Shepherd trommelte, und Mark Epstein (b), dem ehemaligen Bassisten von Johnny Winter ersetzt. Warum das so ist, erklärt uns Joe in einem Kurzinterview der 'Good Times': "Es war Zeit für eine Veränderung. Und mein neuer Produzent Kevin Shirly bestand darauf, dass ich eine rockigere Scheibe machen sollte".
Ich persönlich kann dieser Aussage nicht so richtig folgen, denn das, was der gute Mann bisher abgeliefert hat, kriegen andere Musiker in ihrer ganzen Karriere nicht auf die Kette und gehört zur Spitzenklasse in der Blues Rock-Abteilung. Ich befürchte, das der gute Joe sich da ganz schön verbiegen lässt.
Auch komisch erscheint mir, dass er mit seiner momentanen Live-Besetzung nicht ins Studio gegangen ist, sondern sich für diesen Job Jason Bonham (Foreigner) und Carmine Rojas (Rod Steward) geholt hat, die er sich, nach eigenen Angaben aber finanziell als Live-Band nicht leisten kann. Das bedeutet für mich im Umkehrschluss, dass Joe mit einer Band tourt, die für ihn wohl nur zweite Wahl ist. Sehr merkwürdig!
Dann wollen wir das neue Werk mal in Augenschein bzw. Ohrenschein nehmen.
Das Cover ist sehr gut gelungen. Es lässt sich zu einem Poster ausklappen und enthält alle wichtigen Informationen, außer den Texten zur CD. Punktabzug in der B-Note. Dafür lässt der Sound keinerlei Wünsche offen. Die Songs klingen druckvoll und die Höhen sind angemessen abgemischt. Volle Punktzahl also für den Sound. Bei diesem Album wurde teilweise mit zwei Gitarren gearbeitet und Keyboards eingesetzt, die Rick Melick eingespielt hat. "Bridge To Better Days" ist einer dieser Songs. Die zweite Gitarre übernahm hier Pat Thrall, der auch das zweite Solo spielte. Der Song stammt aus der Feder von Joe Bonamassa und groovt recht ordentlich, die Soli können sich hören lassen. Es gibt Tempi- und Intensitätswechsel, die die Nummer recht gut abgehen lassen.
Und dann Das: "Asking Around For You", eine schmalzige Slowbluesnummer bei der mir schlagartig die Gary Moore-Aufnahme von dem Album "Blues For Greeny", "Need Your Love So Bad" einfällt. Diese Streicher finde ich persönlich schrecklich und führten dazu, das Gary Moore seit Jahren keinen Eintritt mehr in meinen CD-Player bekommt. Diese Klänge gefallen mir auf einem Joe Bonamassa-Album überhaupt nicht. Sorry Joe!
Die Entschädigung folgt aber auf dem Fuße: "So Many Roads" ist wieder eine ruhige Bluesnummer, die mit schönen Gitarrenriffs- und soli aufwartet. Der Gesang ist gefühlvoll und gefällt dem Rezensenten. "I Don't Believe" ist eine typische Joe Bonamassa-Nummer, auch wenn sie nicht von ihm geschrieben wurde. Tolle Soli, tolle Riffs, tolle Breaks! Na also, geht doch.
Auch die akustische Gitarre, gezupft und geslidet, ist auf dieser CD zu hören. Mit sehr viel Gefühl singt und spielt der Joe den Song "Tamp Em Up Solid", der im Original von Ry Cooder stammt.
"Django" ist wohl der außergewöhnlichste Track auf diesem Silberling. Ein Instrumental, das dem Gitarristen Django Reinhardt gewidmet ist, der als der Vater und Begründer des europäischen Jazz gilt. Durch den Song "Vous Et Moi" inspiriert, lässt Joe seine Gitarre teilweise psychedelisch singen. Eine Nummer, die mir mit jedem Durchgang besser gefällt.
Auch an Led Zeppelin kam Herr Bonamassa bei diesem Album nicht vorbei. "Tea For One" wurde leider wieder mit diesen künstlichen Keyboardsounds eingespielt. Dafür kommt der Gesang von Dough Henthorn hervorragend rüber. Schade, dass der Mann nur die eine Nummer singt, da hätte ich gerne mehr von gehört.
Und wieder gibt es eine akustisches Instrumental, mit dem Titel "Palm Trees Helicopters And Gasoline" zu hören, bei dem sich Smokin' Joe mächtig ins Zeug legt. Der Fetzer dauert knapp 2 Minuten. Und um das Album noch etwas abwechslungsreicher zu gestalten wurde für "Your Funeral And My Trial" LD Miller verpflichtet um die Harp zu spielen.
"Torn Down" beschließt das Album in typischer Joe Bonamassa-Manier; ein wenig Blues, viel Rock, eine geile Gitarre und ganz viel Joe Bonamassa.
Auch wenn diese Platte ein gutes bluesiges Werk geworden ist, so kann es doch bei weitem nicht an "Had To Cry Today" heranreichen. Zu viele unterschiedliche Einflüsse sind auf diesem Longplayer zu spüren. Da fehlt mir doch ein wenig der rote Faden, aber der Mann ist ja noch jung. Übrigens, wer den Gitarrenvirtuosen mal live erleben möchte hat jetzt die Gelegenheit, denn ab dem 04.04.06 rockt Joe wieder Deutschland und einige andere europäische Länder.


Spielzeit: 50:17, Medium: CD, Provogue, 2006
1:High Water Everywhere 2:Bridge To Better Days 3:Asking Around For You 4:So Many Roads 5:I Don't Believe 6:Tamp Em Up Solid 7:Django 8:Tea For One 9:Palm Trees Helicopters And Gasoline 10:Your Funeral And My Trial 11:Torn Down
Michael (Mike) Schröder, 13.04.2006