»Michael Bormann, 103 Jahre, Duisburg.«
So steht's auf seiner MySpace-Seite. Na na, immer schön vorsichtig mit persönlichen Daten in sozialen Netzwerken; man weiß nie, ob der Versicherungsmensch von der BU mitliest. Und dann wird's teuer! Aber gut ... 103 Lenze sind wohl nicht so gaaaanz realistisch. Denn Michael Bormann mischt in der deutschen Melodic Rock-Szene schließlich 'erst' ein rundes viertel Jahrhundert mit. Für die ehemalige Stimme von Jaded Heart, Letter X, J.R. Blackmore's Superstition und diversen Projektarbeiten ist anno 2010 Zeit für sein viertes Studioalbum, "Different".
Für wen schreibt man eigentlich die Plattenkritik eines Bormann-Albums? Sicher nicht für Kenner, denn die ordern sich das Teil ohnehin blind wie ein Maulwurf. Zurecht! So viel der Einschätzung seitens des RockTimes-Rezensenten sei auch in Richtung eingefleischter Fans noch gestattet. Und die anderen sollten "Different" dringend anchecken, denn diese dreiviertel Stunde ist Melodic Rock wie aus dem Lexikon; und da würde man schließlich keine durchschnittlich guten Vertreter des Genres listen.
"Different" besteht aus straighten Stücken, die so unglaublich eingängig sind, weil sie auch fühlbar direkt und hörbar ungekünstelt aus dem Kopf und dem Bauch des Songschreibers auf Papier gebracht wurden. "Different" ist ein sehr persönliches, 'echtes' Solo-Album. Im Gegensatz zum Vorgängeralbum Capture The Moment hat Bormann auch die meisten Instrumente selbst eingespielt. Von den erwähnen Gastmusikern kam lediglich 'sporadische Unterstützung', wie es von Label-Seite heißt. Wer genau wo und was, und von wem die Drums stammen? Nichts Genaues weiß der Rezensent nicht. Nur so viel: Ungefähr 30 Songs hatte Michael Bormann ursprünglich aufzunehmen begonnen - zwölf Stück haben schließlich den Reifeprozess komplett durchgemacht.
Herausheben ließen sich einzelne Stücke eigentlich nur, wenn sie vom selben Schlage wären, und manche stärker und manche schwächer. Doch die Songs sind recht verschieden - 'different', eben. Mit ähnlich energischer Dynamik klingen die Stücke dennoch mal eher nachdenklich wie das mit Computer-Effekten aufgemotzte "To The Top", oder mitreißend positiv, wie das an Danny Vaughn erinnernde "Somebody". Letzteres überzeugt durch seinen wunderschön ausgearbeiteten Drive mit zwei Akustikgitarren; "My Favorite Time" ist dagegen eher ein Riff-betonter Rocker à la Bon Jovi und "Breathless" ein deutlich härter zur Sache gehender Hard Rocker.
Sehr speziell kommt "Life Is A Miracle" daher. Hier pendelt Bormann hin und her zwischen atmosphärischen Passagen, die er beinahe a cappella vorträgt (nur mit ganz wenig Keyboard) und einem Gotthard-lastigen, genialen Ohrwurm-Refrain, den man gleich beim zweiten Mal mitsingen möchte. Die A-cappella-Passagen von Beginn werden rasch abgelöst von einer grandios rockenden Strophe. Sehr prägnant sind die Überleitungen aus textfreiem Background-Gesang ( »bondeh-bongah-boggadeh-boh«, oder so ähnlich), die wie Vokal-Riffs à la Van Canto klingen. Mensch, das geht ins Ohr!
Aus dem Rahmen fällt auch "Mr Rock'n'Roll", eine Art Hymne an die Sonnenseiten des Lebens. Klingt, als seien Michael Bormann und seine Mitmusiker irgendwo unterwegs spontan auf die Idee gekommen, zu jammen - starker Gesang, ein bisschen Percussion dazu, ein paar gut gelaunte Gitarrenakkorde und der Bass, der die Tonleiter hoch- und runterläuft. 'Gewöhnlicher' sind da schon eine Hand voll Balladen und Halbballaden, die trotz einer Portion Herzschmerz-Schmalz allesamt unter die Haut gehen. Denn zum einen sind alle Stücke mit hörenswert detaillierten Drives ausgestattet (Kombinationen aus E- und Akustikgitarren mit Klavier und Backing Vocals etc.). Und zum anderen hört man den Songs sofort an, dass sie authentisch sind.
Bormann denkt in diesen Stücken laut über das Leben nach - ob es sich lohnt, all zuviel Kraft in profane Ziele wie Ruhm und Reichtum zu investieren und wie es sich anfühlt, es zu versuchen ("Life Of A Miracle", "To The Top"), was verschiedene Leute im Leben von einem wollen und wer am Ende wichtig ist und wer nicht ("Somebody)", was es bedeutet, älter zu werden ("Who Really Wants To Get Older") oder er besingt die unbeschwerten Phasen des Lebens und wie wertvoll ein bisschen Zeit sein kann ("Mr Rock'n'Roll") und wünscht sich in diesem Zusammenhang sieben Samstage die Woche ("My Favorite Time"). Ein starkes Album und ein zweifellos sehr persönliches Werk einer der unverwechselbarsten Stimmen des Melodic Rock.
Line-up:
Michael Bormann (vocals & more)
Andreas Rippelmeier, Chris Ivo, Eric Ragno, Lanvall, Marco Grasshoff (various contributions)
Tracklist |
01:Life Is A Miracle (3:42)
02:To The Top (4:18)
03:Think Twice (3:50)
04:Somebody (3:56)
05:Mr Rock'n'Roll (2:55)
06:My Favorite Time (4:52)
07:Breathless (3:54)
08:Don't You Tell Me (4:38)
09:Wouldn't Let You Down (4:22)
10:Who Really Wants To Get Older (3:27)
11:No Way Out - It Hurts (4:07)
12:Was mir fehlt (2:53)
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Externe Links:
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