Michael Bublé / Meets Madison Square Garden
Meets Madison Square Garden Spielzeit: 43:55 (CD), ca. 67:00 (DVD)
Medium: CD + DVD
Label: Reprise Records/Warner, 2009
Stil: Swing, Pop

Review vom 30.06.2009


Boris Theobald
Gute Rockmusik und guter Swing haben etwas gemeinsam: Sie sind handgemacht und kein synthetisches Kunstprodukt - und daher 'live on stage' noch besser als auf Platte, sofern begabte Künstler am Werk sind. Genau deshalb verfolge ich als Metal-Liebhaber auch schon seit Jahren Michael Bublé - kein Witz. Dieser junge Kanadier ist mit einem Wahnsinns-Talent gesegnet und schafft es mit seiner frech-charmanten Art zwischen einem schon fast unverschämt offensiven Frauenheld und einem Gentleman der alten Schule allen Staub von den großen amerikanischen Uralt-Standards wegzublasen und die Leute mit einer Fusion aus Swing und Pop zu begeistern.
Im Herbst 2007 hatte ich die Gelegenheit, Bublé und Band live in der Mannheimer SAP-Arena zu sehen - ja, er ist so gut wie auf CD/DVD; und er wickelt die Leute auch hierzulande mit seiner Bühnenpräsenz locker um den Finger. Vor allem die Frauen, versteht sich. Die gaben mitten in der Show ihrem Verlangen nach und die Sitzordnung auf. Da strömten doch tatsächlich zig - ach was, hunderte - freudestrahlender Ladies verschiedensten Alters von ihren Sitzen vor die Bühne und drängten sich, wo eigentlich dank Bestuhlung gar kein Platz war, vor der Bühne, um ihrem Michael ganz nah zu sein. Gestandene Männer klammerten nervös ihre Begleiterinnen an sich - jawohl, dieser Michael Bublé ist ein Star, der elektrisiert!
Mannheim war nur eine Show von rund 170 während einer zweijährigen Welt-Tournee durch 40 Länder. Die endete im Dezember 2008, und zwar nicht irgendwo, sondern im New Yorker Madison Square Garden, einem der prestigeträchtigsten Veranstaltungsorte der Welt. Die Veröffentlichung "Michael Bublé Meets Madison Square Garden" dokumentiert diesen ganz besonderen Abend in der steilen Karriere Bublés. Die Live-CD beinhaltet zehn Songs von jenem Abend - leider nur zehn; die sind aber gewohnt großartig. Denn Bublé und seine junge Big Band, geleitet von Bublés kreativem und unendlich begabtem musikalischen Leiter und Pianisten Alan Chang, haben großes Vergnügen daran, die Arrangements der Stücke komplett umzuschmeißen.
So ist dieser neuerliche Live-Output auch für jene Fans ein Muss, die schon den CD-/DVD-Doppelpack "Caught In The Act" von 2005 ihr Eigen nennen. Abgesehen davon, dass es in der Song-Auswahl kaum Überschneidungen gibt, präsentiert Bublé seine Stücke doch immer wieder in neuem Gewand und sorgt für Überraschungseffekte. Zum Beispiel bei "Feeling Good", das ganz verträumt nur mit Piano und Gesang beginnt und den Zuhörer genial auf die Folter spannt, bis dann endlich diese verrucht klingenden, dreckigen Holz- und Blechbläser ihren Einsatz haben, wie frisch aus einem schwarz-weißen Ganovenfilm rausgeschnitten.
Insgesamt hat sich der Anteil selbstgeschriebener Pop-Songs ("Lost", "Home", "Everything") in Bublés Abendprogramm gegenüber den Standards etwas erhöht. Ganz egal, ob alt oder neu - er bringt in alle Stücke ein unglaubliches Flair. Bublés Stimme ist eine seltene Gabe; und er setzt sie perfekt ein, zaubert mit leisen, romantischen und mit kraftvollen, inbrünstigen Tönen, macht aus jeder Note ein Kunstwerk von unvergleichlich lässiger Eleganz. Bublé und Band scheren sich einen feuchten Kehricht um altbekannte (auch die eigenen) Arrangements und verblüffen ein ums andere Mal mit plötzlichen Ausbrüchen und coolen Breaks, dass einem der Atem stockt. Alles ist perfekt aufeinander abgestimmt und wunderbar detailreich instrumentiert. Hin und wieder tritt ein Saxofonist oder ein Trompeter zu einem Solo nach vorn. Diese Show ist nicht nur hochprofessionell, sondern auch unendlich cool!
Bei "Everything" - später am Abend - hält Michael Bublé das Mikrofon auch mal spontan in Richtung Publikum. Die Mädels, die sich auch hier wieder vor der Bühne drängen und dem zahlenden Sitz-Publikum die Sicht rauben, werden unverhofft zum Begleit-Chor. Und eines lässt sich der Star nicht nehmen - da war mir schon beim Konzert in Mannheim fast die Spucke weggeblieben: Im allerletzten Song, "Song For You", bricht die Band plötzlich ab, Michael Bublé lässt das Mikrofon links liegen und singt sein Stück in der riesigen Halle ganz ohne elektrische Verstärkung zu Ende, nur mit der Kraft der eigenen Stimmbänder, während Tausende von Gästen ungläubig in Stille verharren. Das ist ein Moment wirklich großer Nähe zu den Fans, bei dem sich einem leicht die Nackenhaare aufstellen, wow!
Die rund einstündige Doku-DVD ergänzt das Hör-Erlebnis der CD, deren Spieldauer von nicht einmal einer dreiviertel Stunde sonst doch etwas lächerlich wirken würde. Bublé besucht unter anderem den Club, in dem sechs Jahre zuvor seine Karriere begann - in den Interviews wird der sonst so gern rumblödelnde Sänger auch schon mal nachdenklich. Die Kamera begleitet ihn auf dem Weg vom Hotelzimmer durch die Straßen New Yorks bis in die Katakomben des Madison Square Gardens, wo er die Leute aus der Crew vorstellt, die ihm gerade über den Weg laufen. Das enge Verhältnis des 'Stars' zu seinen 'Mitarbeitern' wird auf sehr sympathische und witzige Weise deutlich. Starallüren: Fehlanzeige, wie auch der Tourmanager, einer von zahlreichen zwischendurch interviewten Wegbegleitern Bublés versichert: 'Divenhaft' verhalte sich Bublé nur an der Tischtennis-Platte!
Am besten ist die Begegnung Bublés mit seinem Bodyguard Steve Hartley, den er schon seit Kindheitstagen kennt: »Truly he's like a giant, but with the heart of a smurf. […] And it just happened that I got good at singing and stuff and he got good at... beating the shit out of people. Sometimes I feel a lot like Whitney. He's my Kevin Costner.« Im nächsten Moment liegt er schon in den Armen seines Beschützers und trällert »I Will Alway Love You«. Solche Szenen sind zum Schreien, und es gibt sie bei dieser sehr professionell aufgezogenen Backstage-Doku zuhauf. Bublé stellt uns auch seine Familie vor, die vor der Show in der leeren Riesen-Halle Platz genommen hat. Exklusiv für seinen 82-jährigen Opa gibt er dann noch "New York, New York" in einer so nie gehörten Spezialversion zum Besten.
Gespickt ist die Reportage zusätzlich mit den Video-Versionen von sieben Stücken der CD, wobei Bublés kultige Ansprachen hier ungekürzt zu sehen sind. So bittet er zum Beispiel alle Anwesenden, ihren rechten Arm zu heben - und ihn dann auf den Schoß der Person rechts daneben zu legen, und langsam und genüsslich hin- und herzureiben. Der Mann weiß eben, wie man romantische Stimmung erzeugt! Und er kann sich seine Späße wahrlich leisten - denn er ist kein blöder kleiner Clown, sondern ein bemerkenswerter Künstler mit einer einzigartigen Bühnenshow. Als Bonus gibt es noch zwei Songs des Abends, die nicht auf der CD sind - "Stardust" zusammen mit der Gruppe Naturally 7 und "You're Nobody Till Somebody Loves You".
Am Ende begleitet die Kamera einen sichtlich sentimentalen Michael Bublé wieder zurück in die Katakomben, traurig darüber, dass die gemeinsame Zeit auf der Bühne mit seinen Kollegen und Freunden nach sechs Jahren erst einmal zu Ende ist. Erst muss er die Träne im Knopfloch trocknen; und dann läuft er schon wieder zur Höchstform auf - denkt darüber nach, was noch kommen soll, jetzt, da er auch im Madison Square Garden gespielt hat und eigentlich als Musiker nichts mehr erreichen kann:
»I'm gonna challenge myself in another way now. I love bowling and ping-pong. Perhaps I could be the world champion.«
Line-up:
Michael Bublé (vocals)
Alan Chang (piano)
Rob Perkins (drums)
Craig Polasko (bass)
Dino Meneghin (guitar)
Joshua Brown (trombone)
Bryan Lipps (trumpet)
Justin Ray (trumpet)
Mark Small (sax)
Jumaane Smith (trumpet)
Rob Wilkerson (sax)
Robert Castillo (guitar, percussion)
Jacob Rodriguez (baritone sax)
Nick Vagenas (trombone)
Tracklist
01:I'm Your Man
02:Me And Mrs. Jones
03:Call Me Irresponsible
04:I've Got The World On A String
05:Lost
06:Feeling Good
07:Home
08:Everything
09:Crazy Little Thing Called Love
10:Song For You
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