Richard Bargel & Dead Slow Stampede
It's Crap!
It's Crap! Spielzeit: 50:19
Medium: CD
Label: Meyer Records / Rough Trade, 2014
Stil: Blues

Review vom 31.01.2014


Jürgen Hauß
Gerade zwei Jahre ist es her, dass Richard Bargel seine zweite CD zusammen mit
Klaus 'Major' Heuser und dem gemeinsamen Projekt Men In Blues veröffentlicht hat. Und noch im selben Jahr ereilte ihn ein Hörsturz, der ihn dazu zwang, dieses - zumindest national - äußerst erfolgreiche Projekt aufgeben zu müssen. Doch vollständig von der Musik verabschieden konnte er sich doch nicht. Vielmehr fing er nach einer Zeit der Rekonvaleszenz wieder an, Songs zu komponieren und eine Band zusammenzustellen, die eine etwas Ohren-schonendere Musik hervorbringen würde.
Und so tourt Richard Bargel seit dem vergangenen Jahr mit seiner neuen Band Dead Slow Stampede wieder durch deutsche Lande und veröffentlicht nun seine erste CD mit dieser Combo. "It's Crap!" ist ein, um dieses vorweg zu nehmen, wunderbares, gefühlvolles und zugleich variantenreiches Blues-Album, das man sich allerdings sehr bewusst zu Gemüte führen sollte, um seinen Reiz zu entdecken.
Richard Bargel, der seit 1970 mit seiner Musik unterwegs ist, gilt als einer der wenigen innovativen deutschen Bluesmusiker. In erster Linie betätigt er sich als Slide-Gitarrist, oftmals auf einer Dobro. Hinzu kommt eine magisch-raue Bass-Stimme, aus dem sich im Ganzen ein unverwechselbarer Sound ergibt. Mit "It's Crap!" kehrt Richard Bargel zu seinen musikalischen Wurzeln bzw. - in Anlehnung an seine letzte Soloplatte aus dem Jahr 2006 "Bones" - zu seinen musikalischen 'Knochen' zurück, denn die weitestgehend rein akustisch gehaltene Scheibe wird instrumental sicherlich geprägt durch die von Bargel eingesetzte metallene Dobro, meist geslidet gespielt. Aber auch eine 'normale' Akustik-Klampfe setzt der Protagonist, genauso wie das Banjo, als Lead-Instrument ein. Als Plus zur Vermeidung von Eintönigkeit sind vorliegend die Begleitmusiker der Dead Slow Stampede anzuführen, die insbesondere mit Mandoline, Kontrabass sowie Tuba interessante musikalische Akzente setzen.
Dies gilt schließlich in besonderem Maße für die beiden Gastmusiker Freddy Koella
(u. a. Ex-Mink DeVille-Band), der mit Violine und Mandoline auf insgesamt vier Tracks vertreten ist, sowie den begnadeten Harmonika-Spieler Charlie Musselwhite, der insbesondere den Titelsong sowie "Devils Bar-B-Que" musikalisch aufpeppt. Soweit die im Booklet abgedruckten gemeinsamen Fotos von Bargel und Musselwhite allerdings den Eindruck vermitteln (sollen?), dass sie für das vorliegende Album tatsächlich zusammen gespielt haben, täuscht dies leider. Bekanntermaßen haben beide im Jahr 2007 ein tolles Konzert im Alten Pfandhaus in Köln gegeben; und mit größter Wahrscheinlichkeit stammen die hier verwendeten Fotos von jenem Ereignis. Auch die Angabe auf den Innenseiten des vierteiligen Digipaks »Overdub recordings Charlie Musselwhite by Harry Gale at Studio Route 44, Sebastopol, CA. USA« bestätigt diese Vermutung. Schade, aber leider heutzutage weitverbreitete Praktik.
Doch kommen wir endlich zur Musik. Der eingangs beschriebene Stil Bargels lässt eine gewisse Authentizität nicht leugnen. Bei den einzelnen Songs handelt es sich sowohl um sarkastisch-ironische Titel ("Out Of Tune") wie auch um melancholische Liebeslieder ("Slow Moving Woman") , teilweise von fast schon schmerzender Intensität. Es gibt düstere Balladen ("Will Your House Be Blessed") mit zum Teil schillernden, voodooesken Klangstrukturen ("Lady Of The Black Bamboo"), aber auch harte, aggressiv dargebotene Songs ("Done And Out"). Außer dem von Richard Bargel neu arrangierten traditionellen Folk Song "Little Children Blues" sowie dem äußerst intensiv vorgetragenen Schluss-Song "Will Your House Be Blessed" (komponiert von John B. Spencer) sind alle anderen zehn Songs übrigens Eigenkompositionen des Protagonisten.
Die Songtexte sind es durchgängig wert, bewusst wahrgenommen zu werden, notfalls mit Hilfe des 24-seitigen Booklets, in dem sie - neben zahlreichen schwarz-weiß-Aufnahmen der Musiker - in gut lesbarer Form (leider nicht selbstverständlich!) abgedruckt sind. Da ist vielfach schon eine bemerkenswerte Blues-Lyrik dabei!
Die CD kommt im Vergleich zu den beiden mit 'Major' Heuser eingespielten Alben deutlich ruhiger rüber, was nun mal Bargels Gesundheitszustand geschuldet ist. Schlechter ist das keinesfalls - nur eben anders. Wer eine laute, oftmals solistisch eingebrachte E-Gitarre sowie ein kräftiges Schlagzeug braucht, um Spaß an guter Blues-Musik zu haben, der ist hier wohl fehl am Platz.
Mein Anspieltipp ist eindeutig der Titelsong, in dem sich Bargel äußerst kritisch mit dem Schrott auseinandersetzt, der heutzutage - nicht zuletzt auch im künstlerischen Bereich - oftmals produziert wird. Da legt er sofort einen Finger in eine offene Wunde. Doch für das vorliegende Album gilt diese Bewertung aus meiner Sicht jedenfalls nicht. 'Crap' ist "It's Crap!" ganz sicherlich nicht; vielmehr ein bemerkenswertes Werk eines bemerkenswerten Künstlers, der sich ja auch als Schauspieler, Autor, Sprecher und Komponist von Film-Musik einen Namen gemacht hat.
Doch ich möchte auch nicht verhehlen, dass mir ein Song überhaupt nicht gefallen hat. "You Got No Brains" besingt das leider oftmals in Bezug auf Frauen kolportierte Vorurteil »blond = blöd«. Sollte das tatsächlich vorliegend ironisch gemeint sein (der 'Waschzettel' der Plattenfirma lässt diesen Schluss durchaus zu): Sorry, diese Art von Humor ist leider bei mir überhaupt nicht angekommen.
Mögen wir ungeachtet dieses 'Ausrutschers' noch viel von diesem »Maestro der Slide-Gitarre« hören! Und bis dahin, angesichts der Vorgeschichte für dieses Album: Die besten Wünsche für Deine Gesundheit, Richard Bargel!
Line-up:
Richard Bargel (vocals, dobro guitar, acoustic guitars, banjo)
Roger Schaffrath (electric guitar, mandolin)
Paul G. Ulrich (double-bass)
Geert Roelofs (drums, percussion)
Joachim Gellert (tuba)
Laurenz Gemmer (piano)
Noel Stevens (hammond organ)

Special Appearance:
Freddy Koella (violin, mandolin - # 2,3,10,12)
Charlie Musselwhite (harmonica - # 1,5)
Tracklist
01:It's Crap! (4:55)
02:Autumn Blues (4:58)
03:Slow Motion Woman (4:44)
04:You Got No Brains (3:48)
05:Devils Bar-B-Que (3:03)
06:Lady Of The Black Bamboo (5:35)
07:Bad Manners (2:37)
08:Stray Cat (5:29)
09:Done And Out (3:56)
10:Little Children Blues (3:10)
11:Out Of Tune (3:47)
12:Will Your House Be Blessed (4:22)
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