»Alice, who the fuck is Alice?« - warum fällt mir jedes Mal, wenn ich ein Album von Alice Cooper in die Hand nehme, dieser saudämliche, völlig verhunzte Smokie-Song ein? » Who the fuck is Alice« wird wohl kaum jemand fragen, denn an dem Alice - der im wahren Leben als Vincent Damon Furnier durchs Leben spaziert - kommt niemand vorbei, der sich auch nur entfernt mit Rockmusik beschäftigt. Ist der Mann doch immerhin schon seit 1964, damals noch mit seiner ersten Band The Earwigs, im Geschäft und kann deshalb natürlich mit einer stattlichen Anzahl Plattenveröffentlichungen glänzen.
Mit "Along Came A Spider" holt der Alt-Meister des Schockrock nun zum nächsten Streich aus und setzt damit bewusst wieder auf alte Stärken. Fuhr er mit "Brutal Planet" und "Dragon Town" noch ein ungewohnt hartes, metallisches Brett - was zu den pessimistischen Lyrics (ging es dort doch um Horror, Mord und Totschlag auf Erden) wunderbar passte - wird uns mit "Along Came A Spider" schnörkelloser, ja traditioneller (Hard) Rock geboten. Kein Wunder, denn da wir uns dieses Mal thematisch mit Seide befassen müssen (ein Serienmörder spinnt ein Netz aus Intrigen und Tod und wickelt die Getöteten in Seide ein, dabei verliebt er sich auch noch in eines seiner Opfer), würden sich metallische Riffs nicht unbedingt eignen.
Cooper hat eben das richtige Gespür, seine Themen in das jeweils passende Soundgewand zu hüllen.
Und er ist ein Könner, wenn es um das Erfinden von Geschichten geht, wobei ihm der Alltag sowie die dunkle Seite der Menschheit dafür bestimmt reichlich Stoff bietet, um aus dem Vollen schöpfen zu können, ohne sich bei Stephen King oder Wolfgang Hohlbein 'weiterbilden' zu müssen.
Dabei betont er aber stets, das Ganze nicht zu tierisch ernst zu nehmen, denn ein (diabolisches) Augenzwinkern steckt hinter jedem seiner Konzepte. Seine Live-Darstellungen bezeichnet er selbst als »Horrorkomödien«. Gern nennt man ihn deshalb auch den 'Meister der ironischen Selbstinszenierung'.
Musikalisch unterstützt wird er von seinen langjährigen Wegbegleitern Eric Singer (Drums), Chuck Garric (Bass) sowie Keri Kelli (Gitarre) und Jason Hook (Gitarre), ja sogar Slash hat einen Gastauftritt bei "Vengeance Is Mine" und schwingt dort die Axt.
Gleich mit "I Know Where You Live" beweist Mr. Schockrock, dass er sich keinesfalls auf einem Seidenkissen ausruht, sondern ordentlich Druck macht, während sich das düstere, schleppende "Vengeance Is Mine" fast wie eine Bleidecke über den Hörer legt.
In dem schmissigen "Wake The Dead" höre ich eine Harp - ah, diese darf also Ozzy Osbourne blasen.
Mal so ganz nebenbei bemerkt, brauchen einige Stücke wie "Catch Me If You Can", "I'm Hungry" oder das etwas sperrige "The One That Got Away", mehrere Durchläufe, bis sie richtig zünden, wo hingegen "(In Touch With) Your Feminine Side" und "Wrapped In Silk", die vor klassichen Heavy Riffs nur so strotzen, sich relativ schnell in den Gehörgängen festhaken.
Völlig erstaunt war ich über Mr. Coopers gesangliche Meisterleistung in "Killed By Love", eine, im wahrsten Sinne des Wortes, mörderische Liebesballade. Irgendwie kann man nicht glauben, dass er da selbst am Mikro steht. Selbst meine bessere Hälfte fragte, wen ich denn da jetzt aufgelegt habe: »Es ist immer noch Alice Cooper!«
Oder ist gar John Lennon wieder auferstanden? Unweigerlich ziehe ich deshalb mal wieder "The Very Best Of John Lennon" aus dem Regal.
Eine weitere, dieses Mal mit Piano-Klängen beginnende Ballade ist "Salvation", die ebenfalls ins Ohr fluppt und sogar ein kleiner Hit auf der Platte ist.
Mit dem fast monumentalen "I Am The Spider" walzt Cooper noch einmal alles nieder, was ihm im Wege steht und beendet damit ein absolut gelungenes Album.
Fazit:. "Along Came A Spider" ist ein musikalisch recht vielfältiges Werk, das mit Sicherheit mehrmals angehört werden muss, um seine Wirkung voll entfalten zu können. Der mittlerweile 60-jährige Cooper - vor Energie nur so strotzend - beweist damit, dass er immer noch ordentlich rocken kann und zeigt den Möchtegern-Schockern, wo der Hammer hängt. Er schert sich einen Dreck um Kritikerbefindlichkeiten. Warum sollte er auch? Er tut genau das, was ihm am meisten Spaß macht: Erfundene Geschichten erzählen und diese live entsprechend theatralisch-ironisch umsetzen. Wer das alles zu ernst nimmt, ist selbst schuld.
Fans des 'alten' Alice Cooper werden dieses Album garantiert lieben.
Tracklist |
01:Prologue/I Know Where You Live
02:Vengeance Is Mine
03:Wake The Dead
04:Catch Me If You Can
05:(In Touch With) Your Feminine Side
06:Wrapped In Silk
07:Killed By Love
08:I'm Hungry
09:The One That Got Away
10:Salvation
11:I Am The Spider/Epilogue
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