Alice Cooper beehrte in diesem Jahr Deutschland auf seiner 'Night Of Fear'-Tour nur einmal. Glück gehabt, dass dies ausgerechnet in Frankfurt war. Außerhalb dieser Tour spielte er noch am 05. August auf der 23. Zappanale im Rahmen des Heavy Guitar Day. Denn es ist mittlerweile schon 25 Jahre her, dass ich ihn das letzte Mal live gesehen habe. Damals war das zur "Raise Your Fist And Yell", einer Scheibe, die zu meiner Freude recht metallisch ausgefallen war. Was wohl mit an dem damaligen Gitarristen Kane Roberts lag.
Derzeit füllt diese Position unter anderem Orianthi, eine 24jährige blonde Frau, aus, damit hat dann das männliche Publikum etwas zu sehen… die beiden männlichen Gitarristen und der Bassist boten allerdings auch nicht unbedingt einen schlechten Anblick, alle vier wirkten wie frisches Blut aus der LA Szene, alleine durch ihre Optik, wobei beispielsweise Orianthi aus Australien stammt.
Aber seien wir ehrlich, natürlich steht Alice selbst im Mittelpunkt und die Begleitmusiker sind eher zweitrangig. Und live ist - zumindest für mich - die Show das wichtigste Element. Wobei er natürlich auch auf einen ganzen Stapel Hits zurückblicken kann. Trotzdem: Ich will Galgen, Guillotine oder Ähnliches sehen. Mal schauen, was es dieses Mal gibt.
Zunächst einmal, die Vorgruppe. Was passt zu Alice Cooper? Mein Vorschlag wäre eine der derzeit vielen Retro-Rock-Bands, vielleicht mit etwas Hang zu Okkult Rock. NulldB spielen laut Beschreibung eine Mischung aus u.a. Nu Rock und Nu Metal. Sie kommen aus Würzburg, also hat man sich für eine (fast) regionale Band entschieden, die nun die Chance hat, sich vor einem größeren Publikum vorzustellen. Dieses klatschte dann auch anständig und die eine oder andere CD wird wohl am Merch-Stand über den Tisch gegangen sein. Ich fand die Band nicht sonderlich originell, wirkte, als wären einige Elemente von erfolgreichen Truppen der letzten zwanzig Jahre zusammengefügt (sowohl musikalisch als auch optisch) und dann mit deutschen Texten versehen worden. Ach ja, eine Jimi Hendrix-Coverversion ("Purple Haze") gab es auch noch. Nach einer halben Stunde war es dann vorbei und es wurde erst einmal eine halbe Stunde umgebaut.
Dann fiel der vordere Vorhang, Funken sprühten und Alice begrüßte das Publikum mit "Hello Hooray". Danach folgte "House Of Fire" von der 89er Scheibe "Trash", bevor es einen Schwenk in die 70er gab mit "No More Mr. Nice Guy".
Weitere 21 Songs kamen Schlag auf Schlag, ohne Ansagen, ohne Unterbrechung, ohne dem Publikum eine Atempause zu gönnen. Selbst Soloaktivitäten wurden so gut eingebaut, dass der Übergang stets fließend war, Alice nutzte diese Momente, um sich etliche Male umzuziehen. Der Schlagzeuger im Hintergrund und die vier Klampfer (inklusive Klampferin) - wobei man sich natürlich fragen kann, ob dies für die Musik wirklich notwendig ist - im Vordergrund rechts und links legten das Fundament, auf das Horror Host Alice seine Songs platzieren konnte. Diese stammten aus allen Phasen seines Schaffens, vom Anfang bis zur Neuzeit, was ich gut fand, denn so kam vieles, was 1987 noch nicht existierte, was ich also auf der damaligen Tour daher gar nicht sehen/hören gekonnt hätte.
Was mich persönlich sehr gefreut hat, war die Wahl von "He's Back (The Man Behind The Mask)" aus dem Soundtrack zu "Freitag, der 13., Teil 6". In den 80ern haben wir den Videoclip dazu immer und immer wieder angesehen. Dafür wurde nichts von der "Raise Your Fist And Yell" gespielt, na ja, die Songs hatte ich ja auf der Tour damals…
Vermisst habe ich außerdem "I Love The Dead" und "Elected", aber bei einem solch langen Backkatalog kann eben nicht jeder Wunsch erfüllt werden.
Vier mehr wären wohl möglich gewesen, wenn es nicht diese, ich nenne es mal 'toter Rockstar Tribute Ecke' gewesen wäre. Es wurden nacheinander vier Tücher mit Grabsteinmotiven mit den Daten von Jim Morrison, John Lennon, Jimi Hendrix und Keith Moon enthüllt, dazu jeweils ein passendes Lied gespielt: "Break On Through (To The Other Side)", "Revolution", "Foxy Lady" und "My Generation". Was uns diese Aktion sagen sollte, außer einer Widmung an den jeweiligen Musiker, ist mir nicht ganz klar. Ungewöhnlich und überraschend war es auf jeden Fall.
Überhaupt war Mr. Cooper ziemlich in Coverlaune, der Opener "Hello Hooray" stammte von Judy Collins und bei dem unvermeidlichen "School's Out" wurde zwischendrin Another Brick In The Wall angespielt. Wenn ein 1948 geborener Mann das Schulende und das Gefühlswirrwarr eines 18-jährigen ("I'm Eighteen") besingt, wirkt das zwar etwas seltsam, aber um diese Hits kommt er wohl nicht herum.
Ebenso das obligatorische "Poison", das erwartungsgemäß das Ende des regulären Sets markierte. Zwei Jugendliche (für die das mit der 18 passen dürfte…) kuttentragende Fans in der ersten Reihe vor mir fühlten sich dabei aufgefordert, intensiv zu knutschen. Irgendwie amüsant. Zeigt aber, dass Alice auch heute noch junge Menschen anspricht, auch wenn der größte Teil des Publikums natürlich schon im gesetzten Alter war. Wenn Musik generationsübergreifend funktioniert finde ich das gut, ebenso wie die Tatsache, dass Kuttenträger neben Damen und Herren standen, die aussahen, als kämen sie gerade aus dem Büro.
Doch wichtiger ist selbstverständlich, was uns auf der Bühne an Optik geboten wurde. Da gab es Standards wie die Schlange (die wievielte das wohl mittlerweile ist?), die Perlenketten bei "Dirty Diamonds" das Verteilen der Geldscheine bei "Billion Dollar Babies" und Alice in der Zwangsjacke, außerdem einen riesigen Kaffeebecher bei "Caffeine". Die Hinrichtung übernahm der elektrische Stuhl (oder besser: elektrische Liege), nach ein paar Blitzen kam dann Frankensteins Monster hervor. Wirklich etwas Neues ist dies alles wohl für Fans, die in den letzten Jahren regelmäßig die Konzerte besucht haben, nicht. Das einzige komplett Neue war (soweit ich weiß) das mit den Grabsteinen.
Trotzdem war die Show fesselnd, vor allem für Zuschauer, die Alice schon länger nicht mehr oder noch nie gesehen haben. Man hält sich am Bier fest, weil wenn man ein Neues holen würde, man ja etwas verpassen könnte (abgesehen davon sind 3,60 Euro für 0,3 Liter auch ein Grund, zurückhaltend zu trinken). Denn jeden Moment muss man mit irgendetwas rechnen und wenn es nur Kleinigkeiten wie eine Krücke, eine Peitsche oder die Seifenblasen und Bälle am Ende sind.
So gerne ich ja Untergrund-Metal-Bands höre und sie mir dann auch mal live ansehe, bei einem Konzert mag ich es, wenn ich nicht nur Musik geboten bekommen, sondern auch optische Eindrücke. Und dafür ist Alice Cooper nach wie vor ein Garant. Das ist das, was man erwarten darf und was man bekommt. Routiniert, professionell, durchgeplant. Egal, ob es ihm langsam zum Hals heraushängt oder nicht. Sollte dies der Fall sein, so ist das nicht anzumerken. Denn er ist ein (Horror-) Entertainer, bietet eine rockige Geisterbahnfahrt, für die die Zuschauer ihr Ticket gelöst haben.
Oder man kann es als die Teilnahme an einer aufwändigen Halloween-Party (wobei stellenweise auch ernstere oder subtil zynische Unterklänge vorhanden sind) betrachten. Zumindest scheint Alice das so zu sehen, denn er verabschiedete sich mit den Worten »Happy Halloween«. Okay, war zwar vier Tage zu spät, aber egal. Für diese gut 90 Minuten WAR Halloween und es wurde gelungene (Grusel-) Unterhaltung geboten. Das hat auch noch am 3. November Spaß gemacht.
Vielen Dank an Jutta Schmitt vom Promoteam Schmitt und Rauch für die spontane und freundliche Akkreditierung.
Setlist Alice Cooper
Intro (The Underture)
01:Hello Hooray [Judy Collins Cover]
02:House Of Fire
03:No More Mr. Nice Guy
04:I'll Bite Your Face Off
05:Be My Lover
06:Caffeine
07:Billion Dollar Babies
08:The Congregation
09:Hey Stoopid
10:Dirty Diamonds [inkl. Drum Solo]
11:Welcome To My Nightmare
12:Ballad Of Dwight Fry
13:Go To Hell
14:He's Back (The Man Behind The Mask)
15:Devil's Food
16:Feed My Frankenstein
17:Break On Through (To The Other Side) [The Doors-Cover]
18:Revolution [The Beatles-Cover]
19:Foxy Lady [The Jimi Hendrix Experience-Cover]
20:My Generation [The Who-Cover]
21:I'm Eighteen
22:Under My Wheels
23:Poison
Encore
24:School's Out [inkl. "Another Brick In The Wall"]
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