Billy Ray Cyrus / Wanna Be Your Joe
Wanna Be Your Joe Spielzeit: 52:06
Medium: CD
Label: New Door Records, 2006
Stil: New Country

Review vom 08.09.2006


János Wolfart
Zugegeben, New Country gehört nicht zu dem Feld der Popularmusik, welches ich bislang besonders intensiv beackert hätte. Neben drei-vier CDs von Travis Tritt befindet sich noch jeweils eine CD von Montgomery Gentry, Blackhawk und Dwight Yoakam in meiner Sammlung. Dafür kenne ich fast alles von Südstaaten-Institutionen wie der Marshall Tucker Band und der Charlie Daniels Band (CDB), deren Musik stark countryfiziert ist und war. Damit wären auch schon in medias res.
Denn der 45-jährige Billy Ray Cyrus - zu Beginn der 90er Jahre einer der ganz großen Stars in Nashville - ist mindestens zum gleichen Teil ein Southern- Boogie-Rocker wie ein Country-Sänger, wie die Kollegen Tritt, Montgomery und Gentry. Der gute Billy Ray ist mit ZZ Top und Lynyrd Skynyrd aufgewachsen, die er im Midtempo-Boogie-Stampfer "I Want My Mullet Back" hochleben lässt.
Ja, richtig gelesen, liebe Rock-Freunde, Midtempo-Boogie-Stampfer mit dampfenden Gitarren auf einem Country-Album, dazu noch Blasinstrumente und Piano! In die gleiche Kerbe schlagen "Lonely Wins" und "Ole What's Her Name", die durch das routinierte Spiel der Session-Gitarristen - die im Schnitt auf jeder zweiten Scheibe aus Nashville zu hören sind - Brent Mason und Pat Buchanan aufgepeppt werden.
Wäre das nicht schon herzerwärmend genug für einen Southern-Rock-Fan, wird uns mit "Freebird Fell" ein wunderbares Tribut an den 1977 tödlich verunglückten Ronnie Van Zant in Form einer grandiosen (Power-) Ballade präsentiert, die mit seinem Pathos an "Brickyard Road" von Johnny Van Zant oder weit entfernt an "Reflections" der CDB erinnert. Nur mit dem Unterschied, dass Johnny der Bruder von Ronnie ist und Charlie Daniels ein Freund des Skynyrd-Frontmanns war, während Cyrus' Song eine Hommage aus der Perspektive eines Fans ist. Das Interessante am Ganzen ist, dass mit Artimus Pyle und Ed King zwei ehemalige Mitglieder der Südstaaten-Legende am Songwriting beteiligt waren. Letzterer trat sogar kürzlich bei einem der Konzerte von Cyrus auf. Haben sie vielleicht zufällig "Sweet Home Alabama" intoniert?
Eine weitere Huldigung erfahren einige Ikonen des Country, u.a. Johnny Cash, Waylon Jennings, Merle Haggard, Minnie Pearl. Als Gastsänger fungieren zwei weitere Legenden des Genres, Loretta Lynn und George Jones. Der Titel des Songs: "Country Music Has The Blues"! Die Frage soll aber erlaubt sein, ob nicht seit Ende 80er/Anfang der 90er Jahre (Stichwort: New Country) Cyrus und Kollegen- der Rest des Nashville-Business mal ausgeklammert - selbst das Grab dieser bodenständigen Musik schaufeln, in dem sie massenweise Pop-Songs in Plastik-Produktion veröffentlichen?
Nun, diese Scheibe kommt erfreulicherweise weitgehend ohne Plastik-Produktion aus, dafür bietet sie aber umso mehr Pop-Songs, die z.T. durch die Instrumentierung noch eine Country-Fassade erhalten. Die bröckelt auch stark - Cyrus zollt der Hit-Fabrik 'Cashville' Tribut, aber gewaltig. "Country Music Has The Blues" - auf den Punkt gebracht!
Mit dem herzzereißenden, etwas anderen Tribut ("Hey Daddy") an seinen im Februar verstorbenen Vater, wird man etwas versöhnt. Käme nicht schon wieder mit "Stand" eine unerträgliche Mainstream-Pop-Nummer! Dafür gibt es mit dem akustischen "A Pain In The Gas" einen großartigen Song als Abschluss einer Platte, die einen zwiespältigen Eindruck hinterlässt: Etwa die Hälfte Pop-Schnulzen, vier rockige Stücke und höchstens vier Tracks, die nach eingehender Prüfung wirklich die Bezeichnung Country verdienen. Die Southern-Fans können aufgrund von "Freebird Fell" zugreifen, alle anderen sollten zunächst in die Scheibe reinhören - sonst könnte es passieren, dass nicht nur Country Music, sondern auch der liebe RT-Leser allzu schnell den Blues bekommt!
Tracklist
01:Wanna Be Your Joe (3:12)
02:I Want My Mullet Back (3:18)
03:Man [Tribute To Dale Earnhardt] (3:25)
04:I Wouldn't Be Me (4:10)
05:What About Us (3:00)
06:Country Music Has The Blues (2:55)
07:Freebird Fell (4:59)
08:I Wonder (3:45)
09:Lonely Wins (3:28)
10:How've Ya Been (3:19)
11:Ole What's Her Name (4:25)
12:Hey Daddy (3:47)
13:Stand (4:28)
14:Pain In The Gas [Bonus Track] (3:49)
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