Am 31. Oktober war es endlich soweit:
Camel live in Mannheim, das erste Mal seit zehn Jahren wieder auf Tour und drei Konzerte davon in Deutschland, glücklicherweise eines davon in Mannheim.
Wer also auf eine Halloween-Party verzichten konnte oder erst spät Abends dazu stoßen wollte, den konnte man vielleicht in der alten Seilerei antreffen. Dort staute sich pünktlich zum Einlass eine lange Menschenschlange, die sich selbst von der eisigen Kälte nicht die Vorfreude nehmen ließ.
Wer die alte Seilerei kennt, weiß von dem riesigen Metallpfeiler mittig vor der Bühne und auch von den Pfeilern weiter hinten im Publikumsbereich. Was anfangs noch etwas störend aussah wirkte durch den Bühnenaufbau und die Beleuchtung jedoch fast schon integriert. Jeweils an den Seiten große Keyboardanlagen aufgebaut, umrahmten sie das mittig gestellte Schlagzeug und die beiden Saitenzupfer. Ein LED-Vorhang und das bevorzugt blaue Licht strahlten dem Publikum wie ein klarer Sternenhimmel entgegen, der perfekt zum Träumen einlud.
Träumen konnte man genug, schließlich tourte man unter dem Motto des Instrumentalalbums "The Snow Goose", das zum Konzertauftakt auch als Gesamtwerk eines Konzeptalbums aufgeführt wurde. Eine knappe dreiviertel Stunde lang wurde man in eine verträume Welt entführt, in der
Andy Latimer, letztes Urgestein von
Camel, immer wieder zu seiner Flöte griff und somit die exotischen Klänge live in das Kunstwerk implementierte. Auch wenn
Latimer mittlerweile fast 60 Jahre alt ist und man vor zehn Jahren aufgrund seiner Krankheit und der Farewell-Tour schon an ein Aus gedacht hat, stand er nun mit der Band auf der Bühne, die mit ihm zusammen wieder Lebensfreude versprühte.
Latimer, sichtlich noch etwas beeinträchtigt von der besiegten Krankheit, zeigt dem Publikum, dass er noch lange nicht zum alten Eisen gehört und hat dabei Unmengen von Spaß. Er grinst in die Menge, freut sich und zeigt eine Leidenschaft, die heutzutage schwer zu finden ist. Mit ihm auf der Bühne stehen
Guy LeBlanc am Keyboard und
Colin Bass an dem gleichnamigen Zupfinstrument. Den zweiten Keyboarder mimt der noch deutlich jüngere
Jason Hart und zentral in der Mitte am Schlagzeug vergnügt sich
Denis Clement. Bis auf die Keyboarder durften die Musiker bereits 2003 schon mit
Latimer auf der Bühne stehen.
Doch auch
Latimer wollte seine Künste vorführen und klimperte auf einem Keyboard herum, anfangs noch ausgeschaltet und mehr um das Publikum vorzuführen, später jedoch sogar richtig. Ausgelassene Stimmung und gute Laune also bereits beim Aufführen der "Snow Goose".
Was wortlos begann, wurde am Ende des Instrumentalalbums mit einem ironischen Spruch getreu dem Motto 'Schönen Abend noch, bis zum nächsten Mal' beendet.
Nach einer halben Stunde Pause kehrten die fünf jedoch zurück auf die Bühne und bedienten sich noch an der breit gefächerten Vergangenheit von
Camel. Klassiker wie "Earthrise" vom 1974er Album
Mirage und "Fox Hill" vom bisher neusten Album "A Nod And A Wink" ergeben nur einen groben Rahmen um das Gesamtgeschehen. Ein progressiver und nicht stillstehender Sound, kombiniert mit Einflüssen der Folklore sorgten für gute Laune in der zweiten Hälfte des Konzerts.
Zwischendurch die ein oder andere Ansage in gebrochen Deutsch mit britischem Akzent, hörte man jedoch am deutlichsten die Stimme von
Latimer singen, häufig unterstützt von
Colin Bass.
Als Zugabe griff man abermals auf das zweite, vermutlich auch erfolgreichste Album "Mirage" zurück: "Lady Fantasy" setzte sich als letztes Lied in den Gehörgängen der Zuschauer fest und begleitete sie, hoffentlich alle gesund und munter, auf dem Heimweg.
Für die Zukunft sollte man jedoch bei solchen verträumten und atmosphärischen Veranstaltungen entweder eine Ausweichlocation suchen, oder die Diskothek um die Ecke für den Abend schließen. In den ruhigen und leisen Passagen konnte man teils das monotone 'Utz-Utz' aus dem benachbarten Club MS Connexion nicht überhören, was dem Ganzen etwas den Zauber genommen hat.