Als ich den beigefügten Waschzettel zum neuen Châlice-Album interessiert gelesen habe, war meine erste Reaktion ein Stoßgebet gen Himmel: »Lieber Gott, lass meine schlimmsten Befürchtungen nicht wahr werden!« Und leider, sie wurden wahr!
Auch Châlice, die seit ihrem letzten Album Shotgun Alley zu einer meiner Lieblingsbands avancierte, macht genau das, was ich bei Gotthard, Bon Jovi und vielen anderen Truppen so sehr verflucht habe: Sie mutieren von einer Rock Band zu Weichspüler-Rockern, indem sie auf der akustischen Welle reiten. Ich kann nur noch mit dem Kopf schütteln:
»Es ist sowas wie ein kleines Dankeschön an unsere treuen Fans. Wir haben ja immer schon während unserer Shows kleine Akustik-Sets gespielt, die bei den Leuten immer unglaublich gut angekommen sind. Seit Jahren schon liegen sie uns in den Ohren, dass wir da endlich mal ne Scheibe draus machen sollen, und jetzt haben wir endlich nachgegeben«.
Also, ganz ehrlich, auch wenn ich ein treuer Fan von Euch bin, Jungs, ich gehöre mit Sicherheit nicht zu denen, die ein Akustik-Album forderten - niemals nicht!
Aber kommen wir zur Musik auf "Bare".
Über die handwerklichen Fähigkeiten der Protagonisten muss man keine weiteren Worte verlieren, die sind eh über jeden Zweifel erhaben. Auch der 'Neue', Axel Hoffmann, fügt sich hervorragend mit ein und darf hier beweisen, dass er nicht nur das Keyboard ausgezeichnet beherrscht, sondern auch am Piano glänzt.
Die Rock-Keule wurde also diesmal eingepackt und dafür alle Stücke in ein watteweiches Soundgewand gehüllt. Blaue Flecken sind somit von vornherein ausgeschlossen.
Natürlich hat die Band schon immer akustische Stücke auf ihre Scheiben gepackt und damit ihre gesamte spielerische Bandbreite gezeigt. Aber ein komplettes Album? Da kommen bei mir doch einige Zweifel auf, ob das gut geht.
Geboten wird ein Querschnitt aus den vergangenen Veröffentlichungen von Châlice, angefangen mit dem 1995er Album "Wonderland" bis zum letzten, von mir hochgelobten Silberling, "Shotgun Alley" (2005).
Auch ein brandneuer Song schaffte den Sprung auf die aktuelle Scheibe, nämlich "I'll Be There".
Mal geht es ein bisschen bluesig zu, wie beim Opener, mal ist der Sound leicht angejazzt und mit Bläserelementen versehen ("Turn Into").
"Hollywood Daze" und "Run For Cover" kommen ein bissel rockiger, wenn man davon hier überhaupt sprechen kann, "Somewhere" hat fast irisches Flair und reine Piano-Nummern sind "Kick It" und "Falling", um nur mal einige rauszugreifen.
Als Bonus gibt es noch acht original Album-Versionen. Natürlich sind das keine Rocker, denn ausgesucht wurden nur die ruhigen Songs aus der früheren Diskografie.
Ich habe bestimmt nichts gegen (akustische) Balladen, sofern diese wohldosiert auf einem Album verteilt sind. Aber fast 70 Minuten lang? Sorry, was zu viel ist, ist zu viel, da hab ich dann doch mit aufkommenden Schlafgefühlen zu kämpfen.
Wenn der Schwiegervater demnächst zum Kaffee kommt, werde ich die Scheibe locker als Hintergrund-Musik laufen lassen können, denn selbst der alte Herr wird sich dabei entspannt zurücklehnen und Kaffee und Kuchen im angenehmen Ambiente genießen.
Ich bin überzeugt, dass "Bare" seine Anhänger finden wird. Antesten lohnt sich für alle die, die auf 'gezogene Stecker' stehen.
Ich selbst jedoch warte, dass die Band endlich wieder die Stromgitarren auspackt und mir mit dem nächsten Rock-Silberling die Ohren ordentlich durchputzt.
Enttäuscht mich nicht, Jungs!
Line-up:
Gino Naschke (lead vocals)
Oliver Scheer (acoustic guitars)
Steve Lagleder (acoustic guitars, bass, backing vocals)
Michael Mehl (percussion, drums, backing vocals)
Axel Hoffmann (piano)
Tracklist |
01:Body & Soul
02:I'll Be There
03:Shotgun Alley
04:Turn Into
05:Hollywood Daze
06:Run For Cover
07:Somewhere
08:Can't You Feel It
09:Kick It
10:Falling
Bonus Tracks - Original Album Versions:
11:T.W.U.M.T.B.
12:Make A Cross
13:My Own Paradise
14:Apart
15:Wonderland
16:Amnesty
17:The Rain Is Gone
18:Hold On To The Years
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Externe Links:
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