Weshalb man sich als Schweizer Band ausgerechnet Charing Cross nennt, ist mir schleierhaft, trägt doch eigentlich ein Stadtteil im Zentrum Londons diesen Namen. Er passt allerdings doch irgendwie ganz gut ins Konzept, weil ja das Eidgenössische Wappen ein Kreuz zeigt. Nun ja, das waren jedenfalls die ersten Gedanken, die mir zu dieser fünfköpfigen Formation einfielen.
Derlei geistige Ergüsse sollen den Leser hier allerdings nicht weiter tangieren, geht es doch um die vorliegende Langrille von Charing Cross, die treffenderweise mit "We Are... Charing Cross" betitelt wurde. Das passt gut ins Bild, denn die Band, die es schon seit Ende der 1980er Jahre gibt, präsentiert dem Hörer hiermit ihr Debütalbum. »Gut Ding will Weile haben«, mögen sich die Herren um Axtmann Pascal Zwyssig gedacht haben, denn man ließ es seit dessen Einstieg im Jahr 1993 gemächlich angehen: Vier Demos und eine EP ("Back For Attack") hatte die Gruppe bisher aufgenommen, während jetzt also das erste vollwertige Album in den Startlöchern steht.
Und richtig: Man hört "We Are... Charing Cross" zu jeder Sekunde an, dass es in Ruhe gereift ist. Hier wurde zugunsten hochklassigen Songmaterials nichts überstürzt, sondern von einer starken, spielfreudigen Bandbesetzung eine echte Hammerscheibe zusammengezimmert. Gute 55 Minuten lang gibt es nämlich hochmelodischen, im Hard Rock verwurzelten Heavy Metal auf die Ohren, dass es eine wahre Freude ist. Authentischer und vitaler kann traditioneller Stahl dieser Tage kaum klingen!
Gleich der Opener "Final Day" ist gespickt mit einigen Judas-Priest-Zitaten. Davon könnten sich Halford, Tipton, Downing und Co. dieser Tage gerne mal eine Scheibe abschneiden. Weiter geht es mit "Kick Ass Rock N' Roll", dessen musikalische Umsetzung aber in eine etwas andere Richtung zeigt, als der Titel andeutet. Mit schmutzigem Schweinerock hat das nämlich nichts zu tun, auch wenn man im Vergleich zu "Final Day" doch eine ganze Ecke rockiger zu Werke geht. Die Nummer besticht mit schönen, harmonischen Gitarren-Leads und einem Refrain zum Faust-in-die-Luft-Recken. Auch "Burn The Sun" ist daraufhin wieder mit saftigen Melodien gespickt und außerdem mit einem Mitgröhl-Refrain erster Kajüte ausgestattet. Bei der Gitarren-Arbeit fällt übrigens ein ums andere Mal auf, dass Charing Cross wohl große Iron-Maiden-Fans zu sein scheinen. "Burn The Sun" ist einer der besten Songs dieser Scheibe!
Aber weiter im Verlauf: "Ain't Got No Time" beginnt als knackiger Riffrocker, während im Refrain abermals die großen, heroischen Klänge regieren. So muss kernige, harte Gitarrenmusik heute klingen! Mit "Can't Have It All" gibt es dann die erste kleine Verschnaufpause: Perlende, unverzerrte Akkorde leiten ein in eine wunderbar balladesk beginnende Midtempo-Nummer. Highlight! Die sechste Nummer, "Voices", steht dem im Grunde genommen aber in nichts nach: Die fruchtige Lead-Gitarren-Figur, die den Song einleitet, wiederholt sich, tiefer gespielt, zwischen den Riff-Attacken der Strophen immer wieder, bevor man sich abermals einen packenden Refrain aus dem Ärmel schüttelt! Ich frage mich, wie die Schweizer es schaffen, solch hochwertige Melodien in jedem einzelnen Song unterzubringen?!
Aber eine Verschnaufpause ist so schnell nicht in Sicht, denn auch die zweite Hälfte von "We Are… Charing Cross" fällt qualitativ in keinster Weise ab, sondern hält mit "Goin' Down", "Forever Rockin'" und "Broken" ebenfalls noch echte Kracher parat, die sich gnadenlos in den Gehörgängen festsetzen. Achtung, hier besteht definitiv Suchtgefahr! Dass sie Tempo und Druck aber auch mal rausnehmen können, beweisen die Herren dann mit der reinrassigen Powerballade "Long Time Ago".
Insgesamt hat man es hier also mit einer kleinen Sternstunde der aktuellen Metal-Landschaft zu tun. Charing Cross wünsche ich in Zukunft genau die Aufmerksamkeit, die sie sich auch verdient haben. So viele Ohrwürmer tummeln sich nicht alle Tage auf einer Scheibe! Es ist dem Fünfer somit mehr als verziehen, dass sie sich lange mit ihrem Debüt Zeit gelassen haben. Dafür ist das aber auch bärenstark geworden und darf seinen Titel mit Stolz tragen:
"We Are… Charing Cross" - ja, verdammt, das seid ihr! Daumen hoch!
Line-up:
Peter Hochuli (vocals)
Pascal Zwyssig (guitars)
Andy Dormann (guitars)
Markus Flury (bass)
Tommy Pfiffner (drums)
Tracklist |
01:Final Day (4:12)
02:Kick Ass Rock N' Roll (3:05)
03:Burn The Sun (4:26)
04:Ain't Got No Time (4:09)
05:Can't Have It All (4:15)
06:Voices (4:30)
07:Goin' Down (5:23)
08:Long Time Ago (6:38)
09:Palace Of Fate (5:08)
10:Forever Rockin' (4:21)
11:Broken (4:09)
12:Vanished Memories (4:22)
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