Cheap Trick / Original Album Classics
Original Album Classics Spielzeiten:
In Color (46:22) [1977]
Heaven Tonight (53:12) [1978]
All Shook Up (55:17) [1980]
Next Position Please (58:43) [1983]
Lap Of Luxury (42:23) [1988]
Medium: CD-Box
Label: Sony Music (Epic), 2014
Stil: AOR, Powerpop


Review vom 03.05.2014


Steve Braun
Mit dem vorliegenden Boxset geht die "Original Album Classics"-Serie im Fall von Cheap Trick bereits in die dritte Runde. Wäre eigentlich kein Thema: Die (ehemalige) Kultband hat genau fünfzehn Alben rausgebracht, und wenn Adam Riese hier richtig liegt, sollten damit genau drei Boxsets à fünf Scheibchen abgedeckt werden. Pustekuchen: Die vorliegende Kollektion ist nahezu identisch mit der bereits 2008 erschienenen "OAC"-Ausgabe. Einzig das Debütalbum, "Cheap Trick" von 1977, hat man durch die 1988er Veröffentlichung "Lap Of Luxury" ersetzt. Dummerweise war die allerdings bereits auf der von Jochen besprochenen 2012er OAC-Ausgabe vertreten. Im Westen also nix Neues...
In ColorZehntausende hysterisch-kreischende Slip-Werferinnen können sich nicht täuschen! Wahrscheinlich lag es an diesem Umstand, dass ich persönlich mit Cheap Trick seinerzeit nicht warm wurde. Die Summe von vier großartigen Einzelmusikern macht eben nicht zwingend eine großartige Band. Daran ändern auch ein exzellenter Shouter (Robin Zander) und ein ebensolcher Slapstick-Gitarrist (Rick Nielsen) wenig. Cheap Trick fehlte stets die gnadenlos überzeugende Hook, der absolute Killersong. Bestes Beispiel: Die erste Single aus "In Color", "I Want You To Want Me", wurde bezeichnenderweise erst mit der Schubkraft eines Live-Megasellers mit zwei Jahren Verspätung ein Riesenhit. Dabei überzeugt dieses 1977 erschienene Zweitwerk der Band, knapp vierzig Jahre später, durchaus. Satt und knackig rockt "In Color" aus allen Ecken und Enden - einzig der ultimative Ohrwurm ist nicht dabei. Das genannte "I Want You To Want Me" ist einfach zu knödelig und die zweite Single, "Southern Girls", floppte völlig zu Recht. Schade, denn dabei ging es mit dem Opener "Hello There" (feine Ramones-Attitüde) und dem stampfenden "Big Eyes" recht gut los. Das energisch auf einem fast meditativen Riff groovende "You're All Talk" stellt sich sogar als eines der schönsten Stücke heraus, die ich bis dato von Cheap Trick zu hören bekam. Das relativ eingängige "Come On, Come On" hätte sogar das Zeug zu einem kleinen Hit gehabt, wenn man es denn ausgekoppelt hätte.
Das Bonusmaterial umfasst fünf bislang auf Alben unveröffentlichte Songs, darunter "Oh Boy", die B-Seite von "I Want You To Want Me". Die Live-Takes von "You're All Talk" und "Goodnight" (nichts anderes als die Live-Version von "Hello There", wahrscheinlich als Rausschmeißer dargeboten) zeigen, wo seinerzeit wohl die wahren Qualitäten der Band lagen.
Heaven TonightDer Nachfolger, "Heaven Tonight", verkaufte sich noch besser als "In Color". Vor allem in Japan 'ging die Post ab'. Der internationale Durchbruch mit dem Triple-Platinum-Album "Live At Budokan" ging also vom Land der aufgehenden Sonne aus. Trotzdem kränkelt auch "Heaven Tonight" an der 'Kinderkrankheit' des Vorgängers: Es fehlt der ultimative Kracher. Der zumindest angedeutet hymnenhafte AOR-Einschmeichler "Takin' Me Back" (sehr aparte ELO-Assoziationen keimen hier auf) wäre es vielleicht gewesen, aber stattdessen koppelte man mit "Surrender" und "California Man" erneut zwei Flops aus. Dafür bietet der Titelsong eine erstklassige Powerballade, endlich einmal ein Stück mit Suchtfaktor. "Stiff Competition", von dem es noch eine in Ungnade gefallene Version als Bonus gibt, entpuppt sich als streckenweise gut abgehender Hardrocker, der allerdings etwas zu wirr arrangiert ist. Der sympathische Poprocker, mit dezenten Queen-Anleihen gehört trotzdem auf jeden Fall auf die Habenseite - "Auf Wiedersehen" dagegen eher ins Kuriositätenkabinett.
All Shook UpMit "All Shook Up" hatte Cheap Trick den Zenit 1980 bereits überschritten - die Umsatzzahlen gingen deutlich zurück. Trotzdem konnte (und kann) man die Scheibe keinesfalls als Misserfolg bezeichnen. Vielmehr orientierten sich die Jungs stärker an dem progressiven Popzeug, was selbst Bands wie Yes seinerzeit inspirierte. Zu den beiden Single-Auskopplungen "Stop This Game" und vor allem "World's Greatest Lover" könnte man jedenfalls fast behaupten: So hätten die Beatles zehn Jahre nach ihrer Auflösung klingen können! Ansonsten gibt es auf "All Shook Up" reichlich stadiontauglichen Losgeh-Rock, aber auch ziemlich kruden Kram: "High Priest Of Rhythmic Noise" (mit ziemlich verunglücktem Talkbox-Einsatz) und die Salsaparty "Who d'King". Stärkster Song für meinen Geschmack: "Can't Stop It But I Gonna Try".
Das Bonusmaterial wurde für "Original Album Classics" 1:1 von der Reissue aus dem Jahr 2006 übernommen. Darunter findet sich "Everything Works If You Let It" aus dem Soundtrack zum Kinofilm "Roadie", der aus diesem ausgekoppelt noch ein kleiner Hit wurde. Am stärksten sind auch in dieser Sektion wieder die Live-Takes: der Beatles-Hit "Day Tripper" und das von Power Blues inspirierte "Can't Hold On".
Next Position PleaseMit "Next Position Please" setzte Cheap Trick munter den Sinkflug fort - qualitativ ebenso wie kommerziell. Alles andere als ein Glanzstück vom produzierenden Psychedelic-/Power Pop-Papst Todd Rundgren, aber was wollte der schon aus dem schwachen Songmaterial hervorzaubern? Oder hatte man vor "Borderline" oder "Y.O.Y.O.Y" schon Schwächeres von Cheap Trick gehört? Mit "I Don't Love Her Anymore" schickte man sich sogar an, den Bay City Rollers ("Bye Bye Baby") Konkurrenz zu machen. "I Can't Take It" war als Single einmal mehr ein beherzter Griff in die Schüssel. Die ansprechenden Rocker "Younger Girls" und "Invaders Of The Heart" können der dünnen Suppe kein Fett mehr verpassen. Next position? Next try please!! Das Bonusmaterial ist identisch mit der 2006er 'Authorized Reissue'. Vier überaus 'liquide' Songs, von denen der überflüssigste mit "Dancing The Night Away" ausgerechnet die zweite Single des Jahres 1983 war. Da verschlägt's dem Kritiker restlos die Sprache...
Lap Of LuxuryAusgerechnet in diese Tristesse platzte 1988 mit "Lap Of Luxury" völlig überraschend ein kommerzieller Toperfolg - das dritterfolgreichste Album Cheap Tricks, nach "Dream Police" und "Live At Budokan".
Die Edelschnulze "The Flame" wurde sogar der erste (und einzige) Nummer-Eins-Hit der Bandhistorie; der Elvis-Bonus verhalf sogar dem 'fußkranken' "Don't Be Cruel" ebenfalls zu formidablen Platzierungen.
Wie Kollege Jochen völlig richtig anlässlich der anderen "OAC"-Box anmerkte, machte sich der externe Songschreiber-Sachverstand positiv bemerkbar - was allerdings garantiert nicht andeuten soll, dass "Lap Of Luxury" eine Heldentat gewesen wäre. Doch die zehn Stücke haben durch die Bank mehr rockigeren Grip, wenn es auch eher die Stadionrock-Variante ist. Leicht verhalltes Schlagzeug (immer voll auf die Eins und Drei), viel Synthesizergezirpe - trotzdem: Besseres als "No Mercy", "Space" und "All Wound Up" hatte man seit Jahren von der Truppe aus Illinois nicht mehr gehört - nicht gerade die angekündigte 'Luxus-Etappe', aber immerhin goutierbar. Auf Boni wurde hier allerdings verzichtet.
Auch wenn bei der Zusammenstellung etwas - Achtung: Wortspiel - getrickst worden ist, sollte diese "Original Album Classics"-Box für die Leute interessant sein, die die 2008er Ausgabe versäumt haben. Viel verkehrt kann man angesichts des wirklich unschlagbar günstigen Preises ohnehin nicht machen.
Tracklist
In Color (1977):
01:Hello There
02:Big Eyes
03:Downed
04:I Want You To Want Me
05:You're All Talk
06:Oh Caroline
07:Clock Strikes Ten
08:Southern Girls
09:Come On, Come On
10:So Good To See You
Bonusmaterial:
11:Oh Boy (Instrumental Version)
12:Southern Girls (Demo)
13:Come On, Come On (Demo)
14:You're All Talk (Live)
15:Goodnight (Live)
Heaven Tonight (1978):
01:Surrender
02:On Top Of The World
03:California Man
04:High Roller
05:Auf Wiedersehen
06:Takin' Me Back
07:On The Radio
08:Heaven Tonight
09:Stiff Competition
10:How Are You?
11:Oh Claire
Bonusmaterial:
12:Stiff Competition (Outtake)
13:Surrender (Outtake)
All Shook Up (1980):
01:Stop This Game
02:Just Got Back
03:Baby Loves To Rock
04:Can't Stop It But I'm Gonna Try
05:World's Greatest Lover
06:High Priest Of Rhythmic Noise
07:Love Comes A-Tumblin' Down
08:I Love You Honey But I Hate Your Friends
09:Go For The Throat
10:Who d'King
Bonusmaterial:
11:Everything Works If You Let It
12:Day Tripper (Live)
13:Can't Hold On (Live)
14:Such A Good Girl (Live)
15:Take Me I'm Yours
Next Position Please (1983):
01:I Can't Take It
02:Borderline
03:I Don't Love Her Anymore
04:Next Position Please
05:Younger Girls
06:Don't Make Our Love A Crime
07:3-D
08:You Talk To Much
09:Y.O.Y.O.Y.
10:Won't Take No For An Answer
11:Heaven's Falling
12:Invaders Of The Heart
Bonusmaterial:
13:Twisted Heart
14:Don't Hit Me With Love
15:You Say Jump
16:Dancing The Night Away
Lap Of Luxury (1988):
01:Let Go
02:No Mercy
03:The Flame
04:Space
05:Never Had A Lot To Lose
06:Don't Be Cruel
07:Wrong Side Of Love
08:All We Need Is A Dream
09:Ghost Town
10:All Wound Up
 
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