Chicken Shack ist eine derjenigen Bands, die in der zweiten Hälfte der Sechziger Jahre während oder durch den 'British Blues Boom' entstanden sind und sich nach ganz oben in der damaligen Szene spielten. Durch die heftigen Gitarren-Ausbrüche und einer manchmal fast schon übertriebenen Bühneshow (eines der Markenzeichen waren die Ausflüge von Stan Webb quer durch die Hallen, wobei er als Erster ein überlanges Gitarrenkabel benutzte) sorgte die Gruppe für Aufsehen. Durch gnadenloses Abkupfern von Songs seiner Vorbilder erlangte Stan Webb einen etwas zweifelhaften Ruf, was den egozentrischen Gitarristen jedoch nicht im Geringsten störte. Im Gegenteil, musikalisch kam die Band beim Publikum hervorragend an, und nur das zählte.
Wirft man mal einen Blick auf die ehemaligen Bandmitglieder des 'Hühnerstalls', so stellt man schnell fest, dass sich Stan Webb durchaus mit Kim Simmonds messen kann, der mit seiner Band Savoy Brown zirka einhundert Musiker verschlissen hat. Dabei tauchen im Line-up so bekannte Namen wie Dave Bidwell, Andy Sylvester, Paul Raymond, Christine Perfect, John Glascock, Pete York, Ric Lee und Tony Ashton auf, die später bei anderen Gruppen Musikgeschichte schrieben und wohl den meisten Rock- und Bluesfreunden bekannt sein dürften.
Doch auch Chicken Shack fiel trotz dieser personellen Fluktuation immer wieder auf die Füße und sorgte durch ständiges Touren dafür, dass sie bei den Fans nicht in Vergessenheit gerieten. Lediglich zweimal legte Stan Webb seine Band kurzzeitig auf Eis und wirkte, zusammen mit Miller Anderson bei Savoy Brown mit (in dieser Besetzung entstand das hervorragende Album "Boogie Brothers"). Die zweite Unterbrechung nutzte er zu einem kurzen Gastspiel bei Canned Heat, (als bisher einziger Engländer!), mit denen zusammen er aber keine Aufnahmen machte. Ansonsten erschienen in unregelmäßigen Abständen wieder mal CDs von Chicken Shack und bewiesen, dass die Gruppe immer noch am Leben war, obwohl der Ruhm so langsam verblasste.
Musikalisch begann Chicken Shack mit fast reinem Blues, denn sie hatten sich voll und ganz dem 12-Takt-Schema verschrieben. Im Laufe der Zeit, besonders nach dem Abflug von Christine Perfect zu Fleetwood Mac, wurde der Stil immer härter und entwickelte sich stärker in den Blues Rock-Bereich hinein. So lieferten Chicken Shack ihre besten Konzerte in Quartett-Besetzung mit zwei Gitarren ab, obwohl teilweise auch Keyboards und Saxofon eingesetzt wurden. Doch nichts konnte das klassische Gitarre, Bass, und Schlagzeug Line-up übertreffen. Mit dem durch Etta James bekannten Titel "I'd Rather Go Blind" und der Eigenkomposition "Poor Boy" gelangen auch zwei Erfolge in den diversen Charts, doch die eigentliche Stärke von Chicken Shack waren und sind die Live-Auftritte.
Und davon konnte ich mich auch an diesem Donnerstag wieder überzeugen. Vor einem kleinen aber feinen Fachpublikum wusste Chicken Shack wieder durchaus zu gefallen. Anscheinend haben sie in den letzten Jahren auch eine stabile Besetzung gefunden, denn Gary Davis und Jim Rudge waren schon vor fünf Jahren in Wolfenbüttel dabei, als ich die Band zum letzten Mal auf der Bühne gesehen habe. Lediglich Drummer Mick Jones war mir bis jetzt noch nicht bekannt. Und diese Beständigkeit machte sich natürlich auch im Zusammenspiel sehr positiv bemerkbar.
Besagter Mick Jones gibt vom ersten Ton an richtig Gas und ist mit seinem trockenen, harten Drumming die Ideallösung für Chicken Shack, die auf solche Power im Grundrhythmus angewiesen sind. Jim Rudge ergänzt ihn dabei nach Kräften und lässt die Eingeweide des Publikums die ganze Zeit heftig vibrieren. Die Rhythmus-Sektion ist schon mal die halbe Miete für erfolgreiche Bühnenshows. Ebenfalls schon fast unentbehrlich ist Gary Davis, der das Set von Chicken Shack inzwischen wohl schon im Schlaf begleiten kann. Er scheint mir ebenfalls der bestmögliche Partner für 'Stan the man' zu sein, denn er bildet eine perfekte Einheit mit Drums und Bass und verstärkt den benötigten Powersound, den die Gruppe braucht.
Und über Allem schwebt der Meister himself. Das wird schon an diversen Kleinigkeiten recht deutlich. So beginnt die Band die ersten Minuten ohne ihn zu spielen, bevor sich Mastermind Webb auf die Bühne begibt und seine Klampfe einstöpselt. Der zweite Unterschied folgt sogleich, denn mit den ersten Tönen zeigt allein die Lautstärke an, wer hier Chef im Ring ist. Da wurden die Lauscher des Rezensenten am Bühnenrand gleich erstmal so richtig durchgeblasen. Trotzdem stimmte das Timing, sodass das Klangbild einen ungetrübten Hörgenuss erzeugte. Genau die richtige Mischung für diese Musik, wenngleich ein beständiges Brummen aus dem Gitarren-Amp Gedanken an eine ungeerdete Klampfe aufkommen ließ.
Die Setlist bestand aus den erwarteten Songs. Eigentlich fällt mir im Moment kein Titel ein, der noch unbedingt in
die Setlist gehört hätte. "The Thrill Is Gone", "Reconsider Baby", "Everyday", "C.S. Opera", "Sweet Little Thing" und wie sie alle heißen, brachten alte Erinnerungen zurück. Auffällig dabei, wie klar und intensiv die Stimme von Webb klang und wie kräftig er sie auch einsetzte. Da kniete er sich wirklich voll rein und hinterließ einen sehr starken Eindruck. Schön zu sehen, wie er auch die typischen Gesten (z. B. rechte Hand an rechten Ohr) aus den früheren Zeiten beibehalten hat. Das war Stan Webb wie er leibt und lebt. So kennen und lieben wir ihn. Das diesmal vorwiegend ältere Publikum dankte es ihm immer wieder mit freundlichem Zwischenapplaus.
Auch gitarrentechnisch gab es nichts zu meckern. Immer wieder setzte er Hall- und Echoeffekte sehr wirkungsvoll ein und variierte auch ständig die Lautstärke. Stan Webb hat wirklich nichts verlernt, sondern bietet die einzelnen Songs genau so dar, wie es sein muss.
Als letzter Titel des regulären Sets gab es dann endlich "I'd Rather Go Blind", jenen Song, den eigentlich Christine Perfect in lange vergangenen Zeiten gesungen hatte, der aber auch jetzt in einer wesentlich kräftigeren Version sehr gut rüber kam. Als Besonderheit verließ Webb zwischendurch die Bühne, startete zu einem Rundgang durch die ganze Bluesgarage und zeigte so eine ungeahnte Publikumsnähe, die ich gar nicht von ihm erwartet hätte. Well done, Stan!
Als Zugabe kam er dann doch noch, der Super-Song, mein persönlicher Favorit. "Poor Boy" begann mit einem stampfenden Bass-Intro, es folgte die berühmte Einleitungszeile »They called me poor boy« und das Soundgewitter brach mit voller Wucht über uns herein. So sollte es sein, genau so musste der Titel abgehen. Mit mehrmaligen Wechseln der Intensität näherte sich Chicken Shack dem Improvisationsteil, der ebenfalls leicht und locker, aber auch sehr profihaft absolviert wurde. Man hätte den 'Armen Jungen' aber auch noch etwas mehr ausdehnen können. Es gab schon wesentlich längere Versionen. Aber am Donnerstag ... zu später Stunde ... .
Na gut ... traurig aber nicht zu ändern. "Daughter Of The Hillside" beschloss den Auftritt von Stan Webb's Chicken Shack. Die Show hat mir viel Spaß gemacht, wenn auch knapp neunzig Minuten doch etwas sehr mager für ein gutes Live-Event waren. Eine halbe Stunde mehr, und ich wäre mehr als zufrieden gewesen.
Line-up:
Stan Webb (guitar, vocals)
Gary Davis (guitar)
Jim Rudge (bass)
Mick Jones (drums)
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