Stan Webb ist Chicken Shack und Chicken Shack ist Stan Webb.
Und zwar spätestens seit dem Sommer 1969, nachdem Christine Perfect (später McVie und mit Fleetwood Mac zu Weltruhm gelangt) die Band nach deren ersten beiden Alben ("40 Little Fingers, Freshly Packed And Ready To Serve" und "O.K. Ken?") und der von ihr gesungenen Hitsingle "I'd Rather Go Blind" verließ.
Leider nahm sie auch den (davor durchaus vorhandenen) Erfolg mit sich, denn
danach waren die Brit-Blueser kaum noch bis gar nicht mehr in den Verkaufscharts zu finden.
Leider und für mich nicht nachvollziehbar, waren die Folgealben "100 Ton
Chicken" und "Accept Chicken Shack" nicht nur etwas mehr in Richtung
Mainstream produziert als die ersten beiden puren (Brit-) Blues Alben,
sondern konnten auch mit deutlich verbessertem Songwriting aufwarten. Wie
dem auch sei, es war von schlechtem Management, einem eigensinnigen und
schwierigem Bandleader und krassen Business-Fehlentscheidungen die Rede.
Im Jahr 1970 verließen dann auch Andy Sylvester (Bass), Dave Bidwell (Drums) und Paul Raymond, der Christine am Piano ersetzt hatte, die Band und liessen Stan Webb mit einem Scherbenhaufen, ohne Plattenvertrag und Band, zurück.
So leicht wollte der sich jedoch nicht geschlagen geben, wechselte die
Plattenfirma und formierte mit John Glascock (Bass, später Jethro Tull ) und Paul Hancox (Drums) ein Powertrio. Wobei wir bei der vorliegenden CD angekommen wären. Und hier lieferte Stan das vielleicht beste Album seiner Karriere ab.
Mit "Cryin' Won't Help You" geht's gleich heftig mit einem vielleicht etwas an Cream erinnernden Rocker zur Sache. Treibendes Schlagzeug und ein pumpender, alles niederwalzender Bass legen eine gesunde Grundlage. Dazu Stan's einzigartige Gitarre.
Seinen Stil 'verdankte' er dem Umstand, dass es ihm als Linkshänder in den 60'er Jahren wohl nicht möglich war, eine dafür ausgerichtete Gitarre zu erstehen und er in
mühevoller Arbeit seine Hände bzw. Finger umtrainieren musste, um dann auf
den (zumindest damals) weit mehr verbreiteten 'Rechtshänder-Gitarren'
spielen zu können.
Mit "Daughter Of The Hillside", das seit ca. einer Dekade auch wieder seinen
festen Platz im Live-Set hat, folgt die erste Webb-Komposition, bei der es
in gemäßigterem Tempo, aber treibendem Rhythmus und starker Gesangslinie
um die 'Angebetete auf dem Hügel' geht. Anschließend dann der Tim Hardin
Klassiker "If I Were A Carpenter", hier vollkommen neu und rockig arrangiert, dem Song neues Leben einhauchend und mit klasse Tempi-Wechseln, bevor "I'm Goin' Down" die erste Seite der damaligen LP beschließt.
Der Rest besteht aus Stan Webb Original-Kompositionen. Angefangen mit dem
wohl ewigen Live-Favoriten und wahrscheinlich bekanntesten Chicken
Shack-Song "Poor Boy", dem man sich als Rock- bzw. Blues-Rock Fan einfach
nicht entziehen und Hände, Füße und Kopf nicht stillhalten kann.
"Telling Your Fortune", welches bereits auf in einer ca. 3-Minuten Version
auf "Accept Chicken Shack" (übrigens der Namensgeber der deutschen Heavy
Metal Band "Accept") vertreten war, glänzt hier mit über elf Minuten und
einem Hammer-Schlagzeug-Solo. Wahrscheinlich nicht das Erste auf einer
Studio-Produktion überhaupt, aber deshalb nicht weniger gut.
Ein Mörder-Riff leitet dann den leider etwas kurz geratenen, abschließenden
Song "The Loser" ein, der dieses Stück Musik-Himmel schließlich beendet.
Der Erfolg war der Band auch hier leider wieder nicht vergönnt. Nachdem
Stan Webb Chicken Shack Ende 1973 zu Grabe getragen hatte, war er für kurze Zeit (Album "Boogie Brothers" und eine US-Tour) Mitglied bei Savoy Brown, bevor er mit Miller Anderson (ex- Keef Hartley, später und bis heute Spencer Davis Group ) die Band Broken Glass gründete, die aber ebenfalls nach einem Album wieder Geschichte war.
1977 erfolgte die Wiederbelebung von Chicken Shack, die trotz häufiger
Besetzungswechsel seitdem mal mehr, mal weniger, aber dennoch regelmäßig
durch (vor allem) Deutschland und England touren und hin und wieder ein Album veröffentlichten.
Meiner Meinung nach ist Stan Webb's Gitarrenspiel auf eine Stufe mit den
absoluten Größen seiner Zeit zu stellen, selbst wenn er vielleicht nicht
die Vielseitigkeit eines Jimmy Page oder nicht ganz die Brillanz eines Jeff Beck hatte. Überzeugt euch 'live in concert', der Mann garantiert für einen guten Abend.
So, und ganz zum Schluß lasse ich mich zu einer Aussage hinreissen, bei der ich schon im vornherein weiß, dass ich mir nicht nur Freunde machen werde: Eric Clapton is god? Then Stan Webb is the godfather!!!
Zumindest wenn man die Zeitrechnung in den frühen 70'ern startet....
Spielzeit: 38:00, Medium: CD, DECCA/DERAM, 1994 (1971-1972)
1:Cryin' Won't Help You (5:10) 2:Daughter Of The Hillside (3:52) 3:If I Were A Carpenter (6:34) 4:I'm Goin' Down (3:32) 5:Poor Boy (5:10) 6:Telling Your Fortune (11:10) 7:The loser (2:32)
Markus Kerren, 05.12.2005
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