Bis zum 23. Pößnecker Stadtfest sind es zwar noch einige Wochen Zeit. Doch schon jetzt zeichnet sich eine sehr hohe Nachfrage nach Karten für das Konzert mit City und der Spider Murphy Gang am 7. September im Lutschgenpark ab. Wir sprachen deshalb mit Fritz Puppel, Gitarrist und vor 41 Jahren Gründungsmitglied der Berliner Band City.
RockTimes: Viele Thüringer haben sich bereits Karten für das Konzert von City und der Spider Murphy Gang gesichert und versprechen sich davon eine geballte Ladung Rock'n'Roll live. Was macht diese Konstellation für Sie als Musiker so besonders? Haben Sie schon einmal mit der bayerischen Formation gemeinsam auf einer Bühne gestanden?
Fritz Puppel: Für mich lautet die Überschrift des Abends: Zwei Teile machen ein Ganzes. Da geht es nicht um Ost- oder Westrock, sondern um Deutschrock. So wie man in England Britpop sagt. Wir haben mit der bayerischen Band bisher noch nicht zusammen auf der Bühne gestanden, verfolgen ihre Entwicklung aber über Jahrzehnte sehr genau und wissen, dass es gestandene Musiker sind. Sie stammen auch aus einer Zeit, als es in Westdeutschland noch nicht alltäglich war, dass deutsch gesungen wird.
RockTimes: Das bisher letzte Konzert von City in Pößneck liegt mehrere Jahre zurück. Können Sie sich noch an Aufenthalte in der ostthüringischen Stadt erinnern? Bei mehr als 3500 Konzerten in der Bandgeschichte dürfte das nicht so einfach sein.
Fritz Puppel: Ich kann mich vor allem noch gut daran erinnern, dass wir Mitte der 80er Jahre einige Tage in Pößneck unterwegs waren. Das war eine Werkstattwoche, die von der FDJ organisiert wurde. Damals haben wir Bands aus Pößneck und der Umgebung betreut. Es war eine sehr spannende Angelegenheit und für Musiker immer toll. Wir haben mit den Kollegen an Songs und Arrangements gearbeitet. Es wäre natürlich interessant, wenn sich im Zuge dieses Gespräches möglichst viele Mitwirkende daran erinnern und ebenfalls zu unserem Konzert nach Pößneck kommen.
RockTimes: Wie viele Titel im aktuellen Konzertprogramm sind jüngeren Datums und wie viele sind ältere Stücke?
Fritz Puppel: Wir spielen selbstverständlich alle Hits, außerdem Stücke unseres aktuellen Albums Für immer jung aus dem Jahr 2012. Uns geht es aber nicht so sehr um alt oder neu. Wir wollen vielmehr die Seele der Leute kitzeln. Diese Songs sind alle am Start.
RockTimes: Wie erklären Sie sich die ungebrochene Popularität des Klassikers "Am Fenster" aus dem Jahr 1977? Ohne dieses Werk wäre ein City-Konzert heute nicht denkbar. Ex-Kanzler Gerhard Schröder gab sich einst als riesiger Fan des Liedes aus. Scooter veröffentlichte 2001 sogar eine Techno-Version davon. Zuletzt interpretierte Matthias Reim "Am Fenster" auf seinem im Januar erschienenen Erfolgsalbum "Unendlich" neu.
Fritz Puppel: Es gibt Songs, die haben etwas Magisches. Man kann es nicht wirklich erklären. Dieses Lied ist ein Geschenk des Himmels. Es gibt viele Stücke, die sind Oldies und haben eine schöne Melodie, aber sie verpuffen irgendwo im Weltall und sind weg. Und es gibt welche, die ein Grundgefühl haben und sich immer wieder erneuern. "Am Fenster" erneuert sich immer wieder und wird dadurch nicht alt. Es geht eine Magie davon aus.
RockTimes: Wie bewerten Sie aus heutiger Sicht das kurzzeitige Intermezzo unter dem Motto "Ohne Bass und ohne Haare mit City durch die 80er Jahre"?
Fritz Puppel: Wir hatten Anfang der 80er Jahre den größten Streit in der Band, den man haben kann. Unser Bassist und Geiger Georgi Gogow ist damals ausgeschieden. Für uns war es danach wichtig, etwas zu schaffen, was nicht vergleichbar war, denn auch die Besetzung mit ihm als Geiger war nicht zu vergleichen. Wir hätten einen neuen Bassisten und einen neuen Geiger nehmen können, doch alle hätten gesagt: "Der ist nicht so gut wie Gogow". Wir wollten aber etwas haben, was nicht vergleichbar ist. Deshalb haben wir uns einen Keyboarder genommen, als diese Instrumente und die Computer in der Musik neu aufkamen. Somit haben wir einen Fuß in diese neue Entwicklung gestellt. Es hat auch dazu geführt, dass wir eines der wichtigsten Alben in der DDR-Rockmusik, "Casablanca", veröffentlicht haben, weil es von dieser Besetzung ausging. Das hätten wir ohne diesen Streit zu Beginn und ohne den Ausflug in die Musik mit Computer nicht schaffen können.
RockTimes: Es heißt, die drei Bands Silly, City und Pankow seien bei AMIGA besonders hartnäckig geblieben, wenn es mit der damaligen DDR-Plattenfirma um die kollektive Meinungsbildung ging. War "Casablanca" (1987) wegen seiner freizügigen Texte deshalb ein mutiges Album?
Fritz Puppel: Das war schon tollkühn. Wir haben als erste Band von einer halben Stadt, halbwegs zufriedenen Menschen und anderen Dingen in Zeiten der Mauer gesungen. Das gab es in dieser Form zuvor noch nie. Das Album ist 1987 erschienen, wir haben daran aber bereits seit 1985 gearbeitet. Es ging um die Seelenlandschaft der Leute, die genug hatten von einer Realitätsverweigerung. Die Menschen wollten wissen: Was ist jetzt los, wohin marschieren wir? Parallel dazu ist dieses Album genau aus diesem Gespür entstanden. Es gab damals bei AMIGA durchaus Personen, die diesen frischen Wind gespürt haben und die uns unterstützten, bis das Album praktisch über Nacht heraus kam. Es durfte keiner zuvor die Texte lesen und etwas hören. Das war nicht ungefährlich. Es war für uns der Souverän auf dem Drahtseil.
RockTimes: Vor ihrer Zeit bei City haben Sie mit Dieter Birr bei den Luniks gespielt und dort ihre Karriere als Rockmusiker begonnen. Wie ist heute Ihr Kontakt zu dem Puhdys-Sänger, der ebenfalls noch immer viel unterwegs ist?
Fritz Puppel: Es vergeht praktisch kein Tag, an dem wir nicht miteinander telefonieren und über Musik sprechen. Man kann sagen, dies schon seit fast 50 Jahren. Er ist nicht nur ein Kollege, sondern ein Freund der ersten Stunde. Wir haben uns die ersten Akkorde beigebracht. Wir stammen beide aus Berlin-Baumschulenweg und kennen uns deshalb schon seit der Jugendzeit. Seitdem haben wir uns nie aus den Augen verloren. Seit etwa 30 Jahren gehen wir außerdem einmal in der Woche gemeinsam essen. Persönlicher kann eine Freundschaft nicht sein. Ich kenne unter Berufskollegen kein anderes Beispiel, wo eine Freundschaft so innig und dauerhaft ist.
RockTimes: Nicht allen Fans dürfte bekannt sein, dass Sie das jährliche Weihnachtsessen für Obdachlose in Berlin in der Obhut von Frank Zander mit weiteren Prominenten aktiv unterstützten. Wie kam der Kontakt zu diesem einzigartigen Projekt zustande?
Fritz Puppel: Wir kommen beide aus Berlin. Natürlich sucht man sich auch Leute aus, die ebenfalls ein soziales Gesicht haben. Wir sind als Band dafür bekannt, dass wir schon immer soziale und andere Projekte unterstützt haben. Frank Zander würde auch nicht jeden ansprechen. Für uns ist es eine Ehre und eine Selbstverständlichkeit, dort mitzumachen. Auf unserer Internetseite gibt es aktuell im Shop unter der Rubrik Neuigkeiten eine Aktion mit dem Namen "Kinderträume". Dort werden Sachen von uns versteigert. Der Erlös kommt der Aktion und damit lebensbedrohlich erkrankten Kindern zugute. Das sind Kinder, die sich aufgrund ihrer Krankheit noch einmal persönliche Wünsche erfüllen möchten.
RockTimes: Ein Phänomen ist, dass bei Bands mit einer sehr langen Geschichte immer mehr junge Menschen zu den Konzerten kommen und Zeile für Zeile mitsingen. Wie kommt das?
Fritz Puppel: Das hat auch etwas damit zu, dass wir das Glück der richtigen Geburt haben. Led Zeppelin und die Rolling Stones sind die Gründungsväter dieser Musik. Ich will jetzt nicht vermessen sein, aber auch wir sind nach mehreren Jahrzehnten eine Art Urgestein und das wollen alle irgendwie hören. Heutzutage ist es auch eine Qualität zusammen zu bleiben. Alles hat ein Verfallsdatum, egal ob es sich dabei um ein technisches Gerät oder eine menschliche Verbindung handelt. Viele Ehen werden geschieden und wenn somit eine Band nach 40 Jahren noch immer zusammen ist, dann ist das ein Wert an sich. Und dieses Wissen um die lange Bandgeschichte lockt viele Konzertbesucher an.
RockTimes: Noch immer werden viele Bands ausschließlich über ihre ostdeutsche Herkunft definiert. Wie gehen City damit um?
Fritz Puppel: Man kann sich jetzt nicht in eine andere Vita hinein schmuggeln. Wenn die Besucher sagen, das ist Ostrock, dann ist das auch ein Qualitätsbegriff, so wie für die Engländer "Made in Germany". Herausgestellt hat sich, es waren gute Produkte. Ich schäme mich nicht, über die guten Seiten des Ostrock zu sprechen. Wenn es hilft, dass wir im Plattenregal gefunden werden, genauso wie beispielsweise Britpop, dann ist es gut. Die Musik ist nicht einfach auf dieses eine Wort zu reduzieren.
RockTimes: Die Puhdys haben bereits 1984 die Rockerrente herbei gesungen, sind aber noch immer aktiv. Wie halten es City mit dem Abschied von der Bühne?
Fritz Puppel: Wir sind gefragt und noch immer sehr aktiv. Wir sind auch keine Oldies, die immer nur davon zehren, dass sie irgendwann mal ein Lied hatten. Wir bringen stets neue Alben heraus. Unser aktuelles Album heißt "Für immer jung", was nicht bedeutet, dass wir nicht merken, dass sich die Zahlen bei uns ändern. Doch wir wollen frisch im Kopf bleiben und genau das ist unsere Botschaft an die Fans.
RockTimes: Vielen Dank für das ausführliche Gespräch!
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