Das auf Wiederveröffentlichungen spezialisierte SPV-Blue Label hat eine Zusammenstellung von Aufnahmen des früheren amerikanischen Labels Bullet Records herausgebracht, die nach dem zweiten Weltkrieg entstanden sind. Bullet Records war lt. Wikipedia eine der ersten und zunächst erfolgreichsten unabhängigen Plattenfirmen der USA, angesiedelt in Nashville. Das Label wollte einen möglichst großen Teil des Musikspektrums abdecken und bediente verschiedene Sparten mit teils namhaften Künstlern (u.a. im Country-Bereich). Allerdings hatte das Unternehmen keinen langen Bestand und musste 1953 in Konkurs gehen.
Unter den auf dieser Compilation vertretenen Künstlern sind
B. B. King und
Willie Dixon natürlich ein Begriff, mit den anderen Namen werden aber nur echte Blues-Kenner etwas anfangen können. Allerdings ist der Genre-Begriff sehr weit zu stecken, in den Nachkriegszeiten war vor allem Swing, Boogie und anderer Tanz-Jazz angesagt. Die meist schwungvolle Musik im bläserunterstützten Band-Sound, die seinerzeit pauschal Jump Blues genannt wurde, diente dem Entertainment, intellektuelle oder emotionale Ansprüche waren wohl kaum gefragt. Auch vermischen sich die Stile, wobei die Blue Notes jedoch weitgehend die Basis bilden. Reinen Blues finden wir aber auch,
Walter Davis ist einer der bekanntesten Vertreter des St. Louis Blues. Aber auch bei
Cecil Gant,
Tuff Green und
Max Bailey werden wir fündig. Letzterer legt mit astreinem R&B und einem frühen Rock'n'Roll ("Sting-A-Ree") nach - es gibt viel zu entdecken!
Die alten Titel wurden ordentlich restauriert, sind natürlich weit von jedem heutigen Standard entfernt. Aber das ist kein Nostalgie-Schrott, sondern Liebhaber-Stoff, der durchaus anhörbar ist. Soundtechnische Mängel sind vorhanden, halten sich aber in Grenzen. Der Fan bekommt durchwegs gute Stimmen, ansprechende Arrangements und eine breite Variabilität innerhalb des Genres zu hören. Die meisten Interpreten sind mit mehreren Titeln vertreten. Die Zusammenstellung ist gelungen und macht Spaß, da wurde offensichtlich mit großem Sachverstand aus dem Vollen geschöpft.
Die beiden bekannten Protagonisten befinden sich in der Frühphase ihrer Karrieren und haben noch nicht ihren späteren Stil entwickelt. Willie Dixons Combo swingt mit beachtlichem Groove, B. B. King (der vermutlich einzige noch lebende Interpret) tritt ohne seine 'Lucille' an, der Gesang ist jedoch schon typisch und auch die Bläserarrangements deuten in die spätere Richtung.
"Jump, Blues & Ballads" ist ein Review auf eine Zeit, als die musikhungrigen Kriegsüberlebenden vor allem Spaß haben wollten und die amerikanischen Musikstile dem entsprechend Rechnung trugen. Allerdings war das keine seichte Unterhaltung, die Interpreten und Arrangeure hatten ein ausgesprochen hohes Niveau. So wie auf diesem Sampler aus Beständen des früheren Bullet Record Labels, der eine schöne Reminiszenz an den Blues der Nachkriegszeit ist, als der seinen Siegeszug um die Welt noch nicht angetreten hatte.