In Zeiten des DVD-Formates geht die Tendenz dahin, quasi jedes Event noch mal für die Nachwelt festzuhalten. So gibt es nicht erst seit heute zu vielen Festivals die passende Retrospektive auf Silberscheibe. Man stellt sich als Fan unweigerlich die Frage, was man davon letztendlich wirklich braucht und ist gemeinhin völlig überwältigt vom unüberschaubaren Angebot. Es verwundert natürlich nicht, dass auch das Wacken:Open:Air diesen Trend mitmacht und im Nachhinein einen Mitschnitt vom Vorjahr veröffentlicht. So geschehen dieser Tage mit der mir vorliegenden Doppel-DVD "Live At Wacken 2007: 18 Years In History".
Bei diesem opulenten Teil braucht man sich allerdings nicht darum sorgen, dass es irgendwie in der Veröffentlichungsflut untergehen könnte. Dafür ist dieses Open Air mittlerweile zu wichtig und bekannt. Die Wacken-Leute haben hier außerdem ein Rundum-Sorglos-Paket geschnürt, dass man sich als Metal-Fan gern anschaut. Diese 360 Minuten Spielzeit, verteilt auf zwei Silberlinge, können guten Gewissens als Vollbedienung in Sachen Festival-Mitschnitt angesehen werden, an dem sich andere Veröffentlichungen dieser Art messen lassen müssen. Soviel steht von vorn herein fest.
Das Wacken:Open:Air gilt mittlerweile als das weltweit größte Metal-Festival. Im Jahr 2007 fand die bislang umfangreichste Auflage in seiner 18-jährigen Geschichte statt: 72.500 Headbanger pilgerten in den hohen Norden, so dass schon vor Festivalbeginn 'Ausverkauft!' gemeldet werden konnte. Und man darf annehmen, dass das dieses Jahr noch getoppt werden wird, denn auch das W:O:A 2008 ist schon seit Monaten ausverkauft. Außerdem hat man mit Iron Maidens einzigem Deutschland-Auftritt im Jahr 2008 einen echten Appetithappen auf dem Programm stehen.
Aber zurück zum vorigen Jahr: Trotz schwermetallischem Programm der Extraklasse stand bis kurz vor Festivalbeginn allerdings nicht einmal fest, ob die Veranstaltung stattfinden würde. Wochenlange Wetterkapriolen (Dauerregen, herbstliche Temperaturen) hielten die Veranstalter auf Trab, so dass erst Stunden vor Festivalbeginn wirklich grünes Licht gegeben werden konnte. Der Grund: Die widrigen Verhältnisse hatten das Open-Air-Areal in eine Schlammlandschaft verwandelt, in der alles und jeder zu versinken drohte.
Aber genug zur Geschichte, komme ich lieber zum mir vorliegenden Mitschnitt: Dieser ist aufgeteilt auf zwei DVDs, wobei DVD 1 eine Dokumentation, zwei kleine Specials sowie die Highlights des ersten Tages enthält. Auf DVD 2 gibt es dann Musik pur, denn diese Scheibe enthält ausschließlich die Highlights des zweiten und dritten Tages. Das ganze dauert, wie gesagt, um die 360 Minuten und man bekommt insgesamt 50 Bands sowie 64 Live-Tracks kredenzt. Bild und Ton sind dabei durch die Bank gut bis sehr gut, variieren allerdings gelegentlich von Band zu Band. Ein großer Pluspunkt ist auf jeden Fall das sehr einfache und gut überschaubare Hauptmenü. Schön ist auch das dicke Booklet, das u.a. viele Farbfotos, Informationen zum Metal Battle (internationaler Nachwuchs- bzw. Talentwettbewerb für Metal-Bands) und ein Vorwort von Thorsten Zahn (Chefredakteur Metal Hammer Deutschland) enthält.
Die Dokumentation von Guido Weiss (Rockpalast), mit der die erste DVD beginnt, ist in meinen Augen dabei der absolute Höhepunkt dieses Paketes. In einem schönen Rundumschlag schafft der Mann es, viel Interessantes und Wissenswertes rund um das Festival ausgesprochen ansprechend und kompakt zu präsentieren. Er steht mit den anreisenden Fans im stundenlangen Stau, ist bei den Notvorbereitungen kurz vor Einlass dabei, führt Interviews mit Verantwortlichen, Bands und Bürgern. Darüber hinaus gibt es schöne Impressionen aus dem Dorf sowie vom Festival selbst.
Man erlebt mit, wie das aufgrund des tagelangen Regens schlammige Gelände mit Stroh abgedeckt und festivalfertig gemacht wird. In Interviews mit den Helfern sowie Veranstalter Thomas Jensen wird die Problematik und der Stress sehr schön verdeutlicht.
Auch gibt es Interviews mit einigen Musikern, von denen ich Tom Angelripper ( Sodom), Hansi Kürsch und André Olbrich ( Blind Guardian), George 'Corpsegrinder' Fisher ( Cannibal Corpse) sowie zwei Mitgliedern von Dimmu Borgir besonders interessant finde.
Dann gibt es Einblicke ins Dorf: Es wird der Frage nachgegangen, wie die Einheimischen mit der Invasion von Metal-Fans aus aller Welt umgehen. Mehrere Beispiele von unglaublicher Gastfreundschaft und Aufgeschlossenheit werden gezeigt.
Ferner wird die Camping-Situation genau so beleuchtet (inklusiver skurriler Geschichten, z.B. Einbauküche auf dem Camping-Gelände) wie das Festivalleben (z.B. freier Eintritt im Wackener Freibad) oder die Organisation des Ganzen (z.B. Einblicke in die Arbeit der Security). Außerdem werden Meinungen der Fans zum Status der Gruppe Immortal eingeholt und in diesem Zuge wird auch Thomas Jensen zum umstrittenen Thema
'Band-Reunions' befragt ( Immortal feierten auf dem W:O:A 2007 ihre Reunion). Schlussendlich gibt es Fazite der Fans, die durchweg zufrieden mit dem Festival sind.
Guido Weiss spricht also viele Themenbereiche an und liefert einen sehr guten Überblick - sein Film ist daher ein gelungener Start in diese Doppel-DVD, wie ich finde. Anzumerken ist in diesem Zusammenhang übrigens noch, dass die Dokumentation von 14 Songs aufgelockert wird, die erfreulicherweise komplett ausgespielt werden. Es gibt also keine Soundschnipsel, sondern man kann Perlen wie "Independent" (Sacred Reich), "Ausgebombt" (Sodom) oder "The Bard's Song" (Blind Guardian) in voller Spiellänge bewundern. Sehr schön!
Eine weitere Anmerkung betrifft die Untertitel, denn diese Regelung finde ich nicht unbedingt perfekt. Man kann Untertitel entweder zuschalten oder sie aber weglassen. Hat man sich dazu entschlossen, sie einzustellen, bekommt man alles untertitelt, was in Interviews gesagt wird: Deutsches wird englisch übersetzt und umgekehrt - man kann sich somit nicht auf eine Sprache festlegen.
Die zwei kleinen Specials ("Behind The Scenes", "Camp Life"), die sich den Live-Mitschnitten des ersten Tages auf DVD 1 anschließen, finde ich dagegen relativ überflüssig. Nachdem man die Rockpalast-Dokumentation gesehen hat, braucht man sie nicht mehr unbedingt. Es handelt sich dabei um eine lose Aneinanderreihung von kurzen Beiträgen zu verschiedenen Aspekten rund um das Festival, die aber größtenteils schon von Guido Weiss angesprochen und dokumentiert wurden.
Was die Musik der Bands angeht, so ist das ja immer subjektiv. Meiner Meinung nach bekommt man auch viel metallisches Mittelmaß präsentiert, so dass die wirklichen Höhepunkte eher spärlich gesät sind. Zumindest mir persönlich bringen Bands wie Narziss, Animal Alpha, Chthonic, Sonic Syndicate oder Dimension Zero nicht sonderlich viel. Wenn man sich deren Auftritte anguckt, stellt man natürlich fest, dass sich schon eine Menge Anhänger vor der Bühne tummeln. Aber das ist ja normal bei Festivals: Man zahlt auch immer für Bands die einen nicht so interessieren mit. Und so gefällt mir von den 50 Bands, die hier vertreten sind, gerade mal die Hälfte. Aber wie gesagt ist das ja alles Geschmackssache.
Ein Minuspunkt ist auf jeden Fall die Kameraführung bei den Live-Mitschnitten. Diese ist recht hektisch und größtenteils ziemlich einseitig. Das bedeutet, dass sie generell auf den Frontmann-fixiert ist und man die Bassisten beispielsweise nur sehr selten ins Bild bekommt.
Abschließend will ich aber noch kurz ein paar Höhepunkte nennen: Es ist interessant zu sehen, wie bei Neaera eine 'Wall Of Death' geformt wird; positiv auch, wie der Possessed-Sänger seinen Auftritt im Rollstuhl meistert. Die super Atmosphäre beim Auftritt von Blind Guardian ist zwar schon längst Standard, sollte aber trotzdem Erwähnung finden; außerdem das Schlauchboot-Wettcrowdsurfen bei den Apokalyptischen Reitern sowie die Orchester-Unterstützung bei Rage.
Nicht so schön hingegen sind die nervigen Bildeffekte bei Samael, aber auch die Tatsache, dass Tim 'Ripper' Owens Iced Earths "Prophecy" durch seinen Gesang ruiniert.
Unterm Strich bleibt also ein DVD-Paket, das quantitativ eine ganze Menge zu bieten hat, mich persönlich aber nicht unbedingt reizt. So eine Retrospektive ist meiner Meinung nach eher was für Leute, die das Festival auch besucht haben und daher eine Erinnerung für ihr Wohnzimmer haben möchten. Oder aber für Metaller, die sehr gern hingefahren wären, aber aus diversen Gründen keine Gelegenheit dazu hatten. Da mich persönlich das Wacken:Open:Air 2007 musikalisch nicht so sehr gereizt hat, tut es diese Doppel-DVD verständlicherweise auch nicht - die wirklich gute Rockpalast-Doku mal ausgenommen. Aber das Festival-DVDs eine zwiespältige Angelegenheit sind, weiß ja eigentlich sowieso jeder.
Anmerkung: Übrigens kann man "Live At Wacken 2007: 18 Years In History" auch als limitierte Edition mit drei DVDs bekommen. Die dritte Scheibe enthält 21 zusätzliche Live-Mitschnitte und zwei Dokumentationen. Außerdem gibt es einen Backstage-Pass sowie einen Aufnäher des Festivals dazu. Die Gesamtspielzeit des Paketes beträgt in dem Fall dann mehr als achteinhalb Stunden.
Tracklist |
DVD 1:
- W:O:A 2007 Documentary by Guido Weiss
Thursday (W:O:A - Day 1):
01:Blitzkrieg - Theatre Of The Damned
02:Rose Tattoo - Once In A Lifetime
03:Neaera - Armamentarium
04:Narziss - Und du verblasst
05:Gutbucket - Body Go Whooo
06:The Sorrow - Knights Of Doom
07:Sodom - Blood On Your Lips
08:Animal Alpha - Bundy
09:TYR - Wings Of Time
10:Electric Eel Shock - Scream For Me
11:Hatesphere - Let Them Hate
12:Maroon - Sword And Bullet
13:Overkill - Elimination
14:Saxon - Strong Arm Of The Law
W:O:A 2007 - Behind The Scenes
W:O:A 2007 - Camp Life
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DVD 2:
Friday (W:O:A - Day 2):
01:Suidakra - Wartunes
02:Napalm Death - Nazi Punks Fuck Off
03:Therion - To Mega Therion
04:Volbeat - Soulweeper
05:Mennen - Power To The Bone
06:Drone - Chainsaw Symphony
07:Possessed - Confessions
08:Falconer - The Clarion Call
09:Chthonic - Grab Your Soul To Hell
10:J.B.O. - Verteidiger des Blödsinns
11:Belphegor - Bluhtsturm Erotica
12:Enslaved - Ruun
13:Lacuna Coil - Closer
14:Schandmaul - Walpurgisnacht
15:Blind Guardian - Mirror Mirror
16:Iced Earth - Prophecy
17:Samael - On The Rise
18:Dimmu Borgir - The Chosen Legacy
19:Die Apokalyptischen Reiter - Reitermania
Saturday (W:O:A - Day 3):
01:Sonic Syndicate - Blue Eyed Fiend
02:Disillusion - Don't Go Any Further
03:Sacred Reich - Ignorance
04:Heaven Shall Burn - Counterweight
05:Monnspell - Blood Tells
06:Dimension Zero - He Who Shall Not Bleed
07:Dir En Grey - The Final
08:Norther - Frozen Angel
09:Rage - Turn The Page
10:Destruction - Mad Butcher
11:Turisas - Battle Metal
12:Torture Squad - The Beast Within
13:Type 0 Negative - Kill You Tonight
14:Stormwarrior - Heavy Metal Fire
15:Haggard - The Observer
16:Immortal - Withstand The Fall Of Time
17:Cannibal Corpse - Hammer Smashed Face
18:Subway To Sally - Auf Kiel
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Externe Links:
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