Ich glaube, ich erwähnte bereits mehrfach, dass mich die Flut von Musik-DVDs irritiert, auch wenn mir durchaus bewusst ist, dass die arg gebeutelte Musikindustrie (selbst gemachte Leiden!!!) verzweifelt nach Ersatzmärkten sucht. Im Bereich des Mediums DVD-Video, welches sich historisch betrachtet so schnell wie noch nie innerhalb der breiten Masse etablierte (verkaufen die Planeten- und Blödmärkte überhaupt noch CD-Player???), hat sie ihren vermeintlichen Goldesel gefunden und bringt nun gnadenlos jeden Schnipsel raus, der jemals konzertant gefilmt wurde.
Also wollen wir uns einmal mehr wieder daran machen, die Spreu vom Weizen zu trennen.
Objekt der suggerierten Begierde ist diesmal ein Charity-Event (HASTE = Heart And Stroke Trust Endeavour) im Wintershall Estate, Surrey, England, ein wunderbares Picknickgelände für die Upperclass Britanniens, wo im schicken Frack und noch schickeren Abendkleid zu einem Konzert gepilgert wird, selbstredend nicht ohne vorher ein gesalzenes Sümmchen für die Eintrittskarten gelöhnt zu haben. Wie viel davon dem Trust zur Verfügung gestellt wird, entzieht sich meiner Kenntnis. Im Picknickkorb tummeln sich so feine Sachen wie Champagner, eingelegte Garnelen, Lachssandwich oder Stopfgänseleberpastete (in Germany aus humanitären Gründen zu Recht nicht erlaubt) und irgendwann, wenn sich die Dämmerung über das hübsch anzuschauende Gelände legt, entert eine Vielzahl von gestandenen britischen Musikhelden die relativ kleine Openair-Bühne, augenscheinlich in der Mehrzahl 'gestanden' im Sinne von 'haben-schon-bessere-Zeiten-gesehen'.
Diesen Event gibt es nicht erst seit gestern (sondern seit ewigen Jahren) und auf der zu besprechenden DVD ist die Veranstaltung aus dem letzten Jahr verewigt.
Unter dem Namen Band Du Lac versammelten sich dort unter der Leitung von Gary Brooker ( Procol Harum) Leute wie Paul Carrack (u.a. Mike & The Mechanics), Mike Rutherford (der Mike der Mechaniker und natürlich Genesis), Andy Fairweather-Low (taucht eigentlich seit Jahrzehnten immer bei solchen Projekt-Sachen auf, sonst eher ab), Eric Clapton (wohnt gleich nebenan, wie praktisch!), Roger Taylor ( Queen), Ringo Starr, Katie Melua, Chris Barber (vom Lebensalter her der Gegenpol zu Frau Melua), The Drifters ( Ben E. King ist aber nicht auferstanden, leider!), Graham Broad ( Bill Wyman's Rhythm Kings), Henry Spinetti (legendärer Session-Drummer, war mal u.a. Ende der Siebziger, Anfang der Achtziger in Claptons Band, zusammen mit Gary Brooker), Frank Mead ( Bill Wymans Rhythm Kings), Nick Payn ( Bill Wyman's Rhythm Kings), Dave Bronze (u.a. Eric Clapton, Robin Trower, Dr. Feelgood, Procol Harum) usw.
Um es kurz und knackig auf den Punkt zu bringen - musikalisch gesehen wirklich memorabel ist einzig der unverwüstliche "Stormy Monday" Blues, vorgetragen von einem herausragend spielenden Eric Clapton und unterstützt (angestachelt?) vom legendären Jazzer (und Blueser) Chris Barber an der Posaune. Über den Rest kann getrost der Mantel des Schweigens gelegt werden, es sei denn, ich gönne mir vor dem leinwandgroßen brandneuen LCD-Flachbildschirm mindestens eine Flasche Champus und koste begeistert meinen frisch importierten Kaviar. Dann nämlich entwickelt sich auch der Rest zu einer annehmbaren zweistündigen Unterhaltungsberieselung im weiten Spannungsfeld zwischen Rock, Pop und Blues.
Unterirdisch sind aber trotzdem die Bemühungen der unter dem Namen The Drifters auftretenden Clowns, sich an solchen Klassikern wie "Under The Boardwalk" und "Stand By Me" zu versuchen. Sie scheitern kläglich!
Die gut anzusehende (und anzuhörende) Katie Melua wirkt bei aller Liebe leider wie ein kompletter Fremdkörper im Gesamtkonzept. Und aus Ringo Starr oder Roger Taylor werden nie begnadete Sänger werden. Lassen tun sie es trotzdem nicht. Letzterer vermittelt immerhin bei Tränendrüsendrückern wie "Say It's No True" und "These Are The Days Of Our Lives" so etwas Ähnliches wie Emotionen. Die kommen ansonsten (außer bei "Stormy Monday") völlig zu kurz. Aber vermutlich ist das auch zuviel verlangt.
Trotzdem, diese Ansammlung von (verkaufsträchtigen?) Namen weckt eine gewisse Erwartungshaltung an die musikalische Güte des vorgetragenen.
Diese Güte fällt aber überwiegend recht bescheiden aus. Es reicht eben nicht, wenn Conférencier Gary Brooker den Laden mit seinem nach wie vor überdurchschnittlichen Orgelspiel einigermaßen zusammenhält. Und als musikalischer Direktor hätte er sich das Performen von Phil Collins' "I Can't Dance" besser verkniffen.
Gar nicht bescheiden sind dagegen Ton und Bild, denn da gibt es nix zu meckern. Als kleiner Bonus wird uns noch so eine Art Making-Of mit Interviews spendiert, so dass wir auch einen kleinen Einblick bekommen, worum es bei der Veranstaltung überhaupt geht. Leider gibt es keinerlei Untertitel.
Ansonsten ist der Unterhaltungswert bei den Einblendungen des illustren Publikums und Abschlussfeuerwerks fast höher, als beim Verfolgen des Bühnengeschehens selbst.
Fazit:
Die DVD zeitigt wirklich nur eine klitzekleine Randanekdote in der Historie von Charity-Konzerten und beinhaltet letztlich zu wenige Höhepunkte, um ihre Existenz tatsächlich rechtfertigen zu können. Ob sich die Musikindustrie mit solchen Veröffentlichungen einen Gefallen tut, wage ich stark zu bezweifeln.
Cheers!
Tracklist |
01:Tequila
02:Over My Shoulder (featuring Paul Carrack)
03:Reconsider Baby (featuring Eric Clapton)
04:Lay Down Sally (featuring Eric Clapton)
05:How Long (featuring Paul Carrack)
06:Willie & The Hand Jive (featuring Eric Clapton)
07:Crawling Up a Hill (featuring Katie Melua)
08:My Aphrodisiac Is You (featuring Katie Melua)
09:The Closest Thing to Crazy (featuring Katie Melua)
10:Lay My Burden Down (featuring Andy Fairweather-Low)
11:Say It's Not True (featuring Roger Taylor)
12:These Are the Days of Our Lives (featuring Roger Taylor)
13:I Want to Break Free (featuring Roger Taylor)
14:This World is Rich (featuring Gary Brooker)
15:Act Naturally (featuring Ringo Starr)
16:Photograph (featuring Ringo Starr)
17:With a Little Help From My Friends (featuring Ringo Starr)
18:A Whiter Shade of Pale (featuring Gary Brooker)
19:Stormy Monday (featuring Eric Clapton and Chris Barber)
20:Under the Boardwalk (featuring The Drifters)
21:Stand By Me (featuring The Drifters)
22:Cocaine (featuring Eric Clapton)
23:I Can't Dance (Everyone!)
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