Ist es eine Sünde, den legendären Frank Sinatra zu covern? Nimmt man das Namens-Wortspiel "SIN-atra" ernst, dann kann man angesichts dieses Allstar-Projekts schnell zu dem Schluss kommen. Die Rockmusiker Bob Kulick (u.a. Kiss, Meat Loaf; Gitarre) und Brett Chassen (Schlagzeug) haben sich mit diesem Silberling den lange gehegten Traum erfüllt, Ol' Blue Eyes ein metallisches Denkmal zu setzen. Unterstützung fanden sie dabei in den namhaften Mitstreitern Billy Sheehan ( Mr. Big; Bass) und Doug Katsaros (Keyboards, Orchestrationen). Zudem steuerte Richie Kotzen ein Gitarrensolo bei. Gemeinsam stellen diese Herren die bestens eingespielte Band, auf deren Fundament sich eine ganze Reihe bekannter Rock- und Metal-Sänger austoben kann.
Gleichsam radikal wie individuell sind die Neuinterpretationen der zwölf Klassiker ausgefallen, die man hier auf Silberscheibe gebannt hat. Aber bei 'Sinatra meets Metal' hat wohl auch niemand ernsthaft etwas anderes erwartet, oder?! Und so möchte ich gleich zu Beginn klarstellen, dass "SIN-atra" leider eine ziemlich zwiespältige Angelegenheit geworden ist…
Natürlich ist es immens wichtig, einer Coverversion seinen Stempel aufzudrücken und somit Spielraum für eigene Ideen zu lassen. Denn schließlich ist nichts langweiliger, als einen ohnehin bekannten Song nahezu 1:1 zum Original nachzuspielen. Ein gewisses Umrangieren ist also immer erwünscht. Dennoch besteht bei "SIN-atra" die Gefahr, schnell mal übers Ziel hinauszuschießen und seit Dekaden bekanntem und geliebtem Liedgut zu viel des Guten zuzumuten. Dieses Problem trifft auf dieses Projekt in besonderem Maße zu, da sich die wirklich gelungenen Neueinspielungen hier mal eben an einer Hand abzählen lassen - insbesondere dann, wenn man die Originale permanent beim Hören im Hinterkopf hat, was bei einem charismatischen Weltstar wie Frank Sinatra ja der Normalfall sein sollte.
Fans des Sängers und Entertainers sollten um "SIN-atra" also, wollen sie einem Herzinfarkt entgehen, bitte einen ganz großen Bogen machen. Und selbst der Rezensent als Metal-Freund muss feststellen, dass vielen Songs das veränderte musikalische Gewand einfach sehr schlecht zu Gesicht steht. Metal und Sinatra funktioniert einfach nicht! - Es tut mir wirklich leid, den glühenden Verehrern Kulick und Chassen das so deutlich sagen zu müssen.
Gleich mit "New York, New York" geht es ganz übel los. Der Klassiker wird vom durchgeknallten Devin Townsend geradezu vergewaltigt. "Witchcraft" mit Tim 'Ripper' Owens ist aber fast noch schlimmer, wird durch das penetrante, in diesem Fall sehr nerv tötende Metal-Organ des Mannes sowie die sehr unpassende, extrem harte Vertonung so dermaßen zerfetzt, dass es einem im Herzen wehtut. Doch es wird nicht besser: Robin Zander ( Cheap Trick) zieht das hier so abscheulich modern klingende "Fly Me To The Moon" (ekelhafte Vokaleffekte!) unbarmherzig durch den Kakao, Franky Perez kann bei "High Hopes" allerhöchstens den Refrain einigermaßen meistern und Elias Soriano ( Nonpoint) reißt das durch Doublebass-Attacken entstellte "Love And Marriage" (u.a. auch als Titellied der US-Sitcom "Eine schrecklich nette Familie" bekannt) kurzerhand in den Abgrund. Dass aber selbst Glenn Hughes (u.a. Deep Purple) und Geoff Tate ( Queensryche) hier keine gute Figur machen, ist die echte Enttäuschung bei diesem Album.
Wirklich gute Jobs erledigen dagegen eigentlich nur Dee Snider ( Twisted Sister; "It Was A Very Good Year"), Eric Martin ( Mr. Big; "The Lady Is A Tramp"), Joey Belladonna ( Anthrax; "Strangers In The Night"), Doug Pinnick ( King's X; "I've Got The World Under My Skin") und Jani Lane ( Warrant) mit Richie Kotzen ("That's Life"). Speziell "It Was A Very Good Year" hat man die Adrenalin-Spritze in den Po gejagt. Durch das hart rockende Gewand inklusive Led Zeppelin-Riffing ("Kashmir") ist zwar auch dieser Titel weit vom Original entfernt, zeigt hier aber seine enormen Qualitäten als Metal-Kracher. "Strangers In The Night" und "That's Life" hingegen brillieren dadurch, dass man die Original-Songs noch einigermaßen gut erkennen kann.
Insgesamt ist "SIN-atra" also wohl nur etwas für Leute, die dem Sänger im Original eher wenig abgewinnen können bzw. sich nie richtig für den Meister interessiert haben. Diese Hörer werden die Stücke daher wohl vornehmlich als das betrachten, was sie auf den ersten Eindruck auch sind: nämlich amtlich produzierte, superb eingespielte Metal-Songs. Freunde harter E-Gitarren dürfen sich den Silberling daher gern als Exoten ins Regal stellen.
Bei allen anderen, denen die Musik von Ol' Blue Eyes wirklich am Herzen liegt, die damit womöglich ganz besondere, intensive Momente verbinden, wird (der Großteil) dieser CD wohl jedoch die gleiche Wirkung haben wie Heavy Metal auf die Ohren muslimischer Gefangener in den Folterkammern Guantánamos…
Ist es also eine Sünde, den legendären Frank Sinatra zu covern? In diesem Fall leider ja. Der Sänger dreht sich angesichts dieser Klänge sicherlich im Grabe um…
Line-up:
Bob Kulick (guitar, background vocals)
Brett Chassen (drums, background vocals)
Billy Sheehan (bass)
Doug Katsaros (keyboards, orchestrations)
Richie Kotzen (lead guitar - #12)
Andrea Becker (background vocals - #12)
Devin Townsend (vocals - #1)
Glenn Hughes (vocals - #2)
Geoff Tate (vocals - #3)
Dee Snider (vocals - #4)
Tim 'Ripper' Owens (vocals - #5)
Robin Zander (vocals - #6)
Eric Martin (vocals - #7)
Joey Belladonna (vocals - #8)
Franky Perez (vocals - #9)
Doug Pinnick (vocals - #10)
Elias Soriano (vocals - #11)
Jani Lane (vocals - #12)
Tracklist |
01:New York, New York (3:05)
02:I've Got You Under My Skin (4:29)
03:Summerwind (4:02)
04:It Was A Very Good Year (5:03)
05:Witchcraft (3:40)
06:Fly Me To The Moon (4:04)
07:The Lady Is A Tramp (4:25)
08:Strangers In The Night (3:47)
09:High Hopes (3:41)
10:I've Got The World On A String (4:06)
11:Love And Marriage (3:29)
12:That's Life (4:30)
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