Liedermacher-Festivals sind sicher in Deutschland rar gesät. Umso erstaunlicher, dass die "Songs an einem Sommerabend" 2006 bereits zum 20. Mal als Open Air stattfanden und am 14./15. Juli sogar 8.000 Besucher anlockten (Schnitt vorher 5.000). Die Gästeliste weist mittlerweile wohl alle namhaften deutschsprachigen Künstler und viele nicht weniger illustre Kollegen aus europäischen Nachbarländern auf, die teilweise auch schon öfters gastierten. Vor allem bei den internationalen Interpreten ist jedoch der Nostalgie-Faktor unübersehbar.
Das säkularisierte Kloster Banz gehört heute der Hanns-Seidel-Stiftung, die zusammen mit dem Bayerischen Rundfunk - Studio Franken und der Stadt Bad Staffelstein hoch über dem jungen Main alljährlich diese Veranstaltung durchführt. BR-Moderator Ado Schlier hatte die Idee dazu, zeichnet bis dato für die musikalische Leitung verantwortlich und moderiert auch noch mit. Die Klosterwiese mit der barocken Fassade des früheren Benediktiner-Bauwerks und dem liebevoll als 'Gottesgarten' bezeichneten Obermaintal im Hintergrund ist die ideale Kulisse für einen romantischen Abend bei gepflegter Unterhaltung im Freien (wenn's nicht grad mal wieder regnet oder stürmt ...). Als solches ist die Veranstaltung auch konzipiert und entsprechend das Publikum. Kloster Banz ist keine Burg Waldeck, auch wenn ein Teil der etablierten Künstler dort vor langer Zeit einmal seine Karriere begann.
Deswegen hat's mich bislang auch nicht dorthin gezogen, obwohl der Weg nicht weit wäre und ganz in der Nähe eine Kleinbrauerei mit ihrem leckeren Dunklen lockt.
Unter dem Titel "Songs an einem Sommerabend" gibt es bereits vier Veröffentlichungen, die vorliegende ist jedoch die erste Liveaufzeichnung direkt vom Geschehen, ergänzt um eine Aufnahme des Dreigestirns Mey/Wader/Wecker aus deren gemeinsamen Album "Das Konzert".
Zu den großen Namen gibt es nicht viel zu berichten, sie singen gängige Lieder ihres Repertoires, wie man sie kennt. Klar, der Wecker (wenigstens er!) hat immer noch was zum sagen, der Wader was zum Klagen, der Mey melodramatisch was zum Säuseln, der Haindling-Buchner was zum Wundern und der Hoffmann, ja der Hoffmann, in Banz klavier- und keyboardumwallt, gibt halt immer noch den großen 'Schangsongiör', den deutschen Brel. "Amsterdam" haben wir schon mal kraftvoller gehört. Gut dass der echte, tote, ganz weit draußen im stürmischen Pazifik ruht, wo er nur das Pfeifen des Windes hört. Und dann lässt noch der jüdische Völkerverbinder Giora Feidman seine Klarinette "Summertime" schmachten und "Hava Nagila" mit dem etwas hinterherklatschenden Publikum singen. Dem Biolek-Publikum hat's wohl gefallen, für den Rockfan gibt's die Switch-Taste.
Hören wir deshalb mal, was die jüngere Banz-Generation über die allgemeine Befindlichkeit im Land so beizutragen hat, die teilweise selbst schon in den Genuss der Nachwuchsförderung der gastgebenden Stiftung gekommen ist.
Bodo Wartke ist ein intelligenter und amüsanter Entertainer am Klavier, der auch musikalisch gekonnt durch das Programm führt ("Herzlich willkommen", "Heute Nacht"). Auch "Regen" ist dem Festival und seinem 'Haus-Wetter' gewidmet. Mit der wunderbaren Sopranistin Melanie Haupt inszeniert er ein erheiterndes Couplet. Riltons Vänner ist ein junges A Capella-Quintett aus Stockholm, das mit dem Förderpreis der Stiftung auf die Bühne ging. Vokal-Swing und Jodel-Polka (gibt's dort wohl auch einen 'Mutanten-Stadl'?) aus ihrer Heimat, gekonnt, nett und für mich mit der unliebsamen Erinnerung an die Swingle Singers verbunden, die früher beim Kulenkampff rumträllerten. Geschmackssache. Dann hätten wir noch Liel, eine mehrsprachig singende Israelitin, die bei ihrem Auftritt gerade mal 17 war. Sie hat bereits eine bemerkenswerte Laufbahn hinter sich und sang Duette u.a. mit Elton John und Bono, war aber auch schon mit den Scorpions auf Tournee. Ihr Song "Jerusalem" (auf englisch) ist ein pathetischer Pop-Schmachtfetzen mit Ethno-Käppchen.
Also unterm Strich auch nicht viel, was die Jugend zu bieten hat. Kritische Töne sowieso nicht.
Über "Gute Nacht Freunde", das uns die drei wohl bekanntesten deutschen Liedermacher zum Abschied intonieren, will ich kein Wort verlieren. Es ist ja auch unser letztes Lied mit feuchten Augen, wenn wir uns früh um Halbfünf von der Kirchweih nach Hause trollen…
Die Live-CD des Jubiläumskonzerts von Banz ist sicher für das dortige Publikum eine schöne Erinnerung, aber für das Gipfeltreffen der alten Verseschmiede mit jungem Beiwerk eher durchschnittlich. Die Besucherzahlen zeigen, dass es hierfür genug Liebhaber gibt und denen will ich die Freude auch nicht verderben. Wer aktuelle Liedermacher hören will, der muss sich woanders umsehen. Über die Kneipengröße kommen die kaum hinaus und ein pomadiger Ado Schlier dort nicht hinein. Vielleicht sollte er mal drüber sinnieren, was der Rattenfänger schon vor 35 Jahren wusste:
»Denn was neu ist, wird alt und was gestern noch galt, stimmt schon heut oder morgen nicht mehr ...«
Und wo wir grad bei der Stoiber-Debatte wären: Herr Schlier???
Karten für die 'Songs 2007' am 6. und 7. Juli 2007 gibt es übrigens schon. Angesichts der mittlerweile gängigen Veranstaltungspreise für 30 Euro sogar durchaus günstig bei Namen wie Mey, Kunze, Quadro Nuevo, Thalheim und erneut Herrn Wartke als moderierender Entertainer.
Und noch was: Auch im Neu-Deutschen gibt es außer für Schickeria-Werbetafeln kein 'Apostroph-s' im Genitiv. Und schon gar nicht bei Vaters Land!
Tracklist |
01:Bodo Wartke - Herzlich willkommen
02:Hans-Jürgen Buchner - Fünf Uhr
03:Riltons Vänner - Summer sun
04:Riltons Vänner - Somliga gar med trasiga skor
05:Giora Feidman - Summertime/Hava Nagila
06:Klaus Hoffmann - War's das?
07:Klaus Hoffmann - Amsterdam
08:Reinhard Mey - Je t àime
09:Reinhard Mey - Viertel vor Sieben
10:Bodo Wartke - Regen
11:Bodo Wartke & Melanie Haupt - Quand meme, je t' aime
12:Hannes Wader - Vater's Land
13:Liel - Jerusalem
14:Konstantin Wecker - Flaschenpost
15:Konstantin Wecker - Schlendern
16:Bodo Wartke - Heute Nacht
17:Mey/Wader/Wecker - Gute Nacht Freunde
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