Die neuen Weihnachts-Compilations sind alljährlich so sicher, wie die Schokoladen-Nikoläuse in der ersten Septemberwoche. Beides treffliche Anlässe für eine erste, vorgezogene Novemberdepression. Die 'Schoko-Kläuse' schmecken - zumindest im unteren und mittleren Preissegment - nach dem Osterhasen vom Vorjahr, die Compilations nach eingeschlafenen Füssen. So weit - so grausam...
Aber es gibt in beiden Fällen die positiven Ausnahmen, mögen sie auch noch so rar gesät sein. Die hier vorliegende "Soul Christmas"-Sammlung ist ein beredtes Beispiel für diesen Umstand. Warum? Weil hier nicht der übliche schmierige Kitsch zum x-ten Mal aufgewärmt wird, sondern teilweise uralte Aufnahmen berühmter Soul- und R&B-Stars vergangener Tage zusammengestellt wurden. Natürlich sind es farbige Sängerinnen und Sänger - wer könnte schöner die Geburt des drei Weltreligonen vereinenden Kindeleins besingen, als in nordamerikanischen Gospelchören geschulte Stimmen?
Okay, richtig neu ist die Idee zu "Soul Christmas" keinesfalls. Die Liste vergleichbarer Weihnachts-Compilations ist lang und die eine oder andere Aufnahme findet sich bereits auf dem einen oder anderen der vor vielen Jahren erschienenen "Soulfull Christmas"-Alben wieder. Aber die hier zu besprechende knappe Stunde ist enorm kurzweilig sortiert. Liefe so etwas entgegen dem üblichen Mist zur Vorweihnachtszeit in den Warenhäusern der Republik, würde Brauns Steve - samt besserer Hälfte - diese in besagter Zeitspanne nicht meiden, wie der Leibhaftige... hm, die Weihnachtskrippe.
Wer mich ein wenig kennt, ahnt natürlich schon, dass
Booker T. und seine
MG's zu meinen absoluten Lieblingen von "Soul Christmas" gehören. Warum? Natürlich wegen der Hammond, was 'ne blöde Frage!! Zu "Winter Wonderland" und "Santa Claus Is Coming To Town" schmelze ich dahin wie die Brennstäbe im nahegelegenen französischen Schrottmeiler Cattenom! Mindestens ebenso cool kommt
Donny Hathaway mit einer funkbetonten Aufnahme von "This Christmas" aus dem Jahr 1968 daher - dieses Goldkehlchen hätte glatt einen zweiten Song auf "Soul Christmas" verdient gehabt. Gleiches gilt für
Clarence Carter und sein messerscharfes "Back Door Santa"!
Natürlich darf ein
Otis Redding unmöglich auf "Soul Christmas" fehlen. Ihn gibt es wieder im Doppelpack, wobei das bluesige Duett mit
Carla Thomas, beim abschließenden "New Year's Resolution", den Vogel abschießt. Die Dame hat mit "Gee Whiz, It's Christmas" und "All I Want For Christmas Is You" noch zwei Auftritte und ist somit besser als jeder andere auf 'Soul Kritzmatz' repräsentiert. Wenn dann noch
King Curtis sein Saxofon fragen lässt: "What Are You Doing New Year's Eve?", frage ich postwendend zurück:
Na, was wohl???
Wer unter einer hochgradigen 'Weihnachtsallergie' leidet, wird sicherlich selbst "Soul Christmas" nichts abgewinnen können. Wer dagegen diese besinnliche Zeit - in der es gilt, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren (und damit ist garantiert nicht der Konsum gemeint!) - eigentlich schätzt, aber den allgegenwärtigen Soundtrack im Hintergrund abscheulich findet, bekommt eine schöne Alternative zu André Rieu und den anderen Stehgeigern des Grauens...
Was wäre ich glücklich gewesen, so eine Scheibe wäre in meiner Kindheit während der Bescherung gelaufen - stattdessen gab's alljährlich die knisternde Weihnachtsplatte von Heino. Hart wie das Kommissbrot, damals in Stalingrad...