Wie das Leben manchmal so spielt, wurde ich auf Coppelius durch ihre 'Support-Band'
Eden weint im Grab aufmerksam – da kriegt dieser neudenglische Ausdruck für die althergebrachte Vorgruppe doch gleich eine ganz andere Bedeutung. Viel wusste ich dadurch aber noch nicht von den fünf Herren Musikern und ihrem Diener Bastille. Gehröcke, Zylinder, üppiger Gebrauch diverser dekorativer Kosmetika sowie eine Vorliebe für 'Alterthümliches' scheinen sie auszuzeichnen.
In ihrem 'coppelianischen Korridor' mit den zugehörigen Gemächern und Zimmern [Anm. d. Verfasserin: der profane Ausdruck 'Homepage' verbietet sich hier selbstredend] erfahre ich etwas mehr über die Musikanten. Über ihr wirkliches Alter decken sie das Mäntelchen des Schweigens, ihre Tätigkeit reicht jedoch – nach eigenen Angaben - bis ins frühe 19. Jahrhundert zurück. Als erster Auftritt werden Feierlichkeiten anlässlich der Entdeckung des Morphiums Anno 1803 in Paderborn angegeben.
Nicht ganz so weit reicht das nunmehr hier vorliegende "Extrablatt" der Virtuosen zurück, finden sich hier doch die 1854 erstmals genehmigte Litfaßsäule und Verweise auf "Keine Kamera" [was ja das Bekanntsein selbiger frühestens aus dem Jahre 1839 voraussetzen würde]. Ein Spätwerk sozusagen, das vierte vollständige Album. [Die Redaktion forscht derweil verzweifelt nach dem Verbleib des Grammophons – zu gern würden wir uns zum Vergleich darauf die Frühwerke der Herren zu Gemüte führen] .
Nichtsdestotrotz haben sich die Berliner angesichts ihres zweifellos hohen Alters hervorragend gehalten und bereisen sogar noch die Republik, was RockTimes durch das Vorhandensein der heutzutage obligaten Kamera schon mehrfach und zuletzt just vor wenigen Wochen eine Reihe vorzüglicher Bildergalerien aus der Kaiserslauterer Kammgarn einbrachte. Dort sind sie in voller Pracht und mit ihrem klassischen Instrumentarium zu sehen. Klarinetten, Cello und Kontrabass finden sich neben dem modern anmutenden Schlagwerk auf der Bühne. Und wer nun spekuliert, dass da gesetzte klassische Töne aus den Lautsprechern erklingen, wenn der "Extrablatt"-Silberling den Weg aus der vergilbten, wasserfleckigen Hülle in das adäquate Abspielgerät gefunden hat, der könnte eine nicht geringe Überraschung erleben.
Anstatt gesetzter, wohltemperierter Klänge, beginnt die Scheibe mit den Tönen dessen, was der Eröffnungstitel schon im Namen trägt: einer Spieldose! Doch schon nach etwa 20 Sekunden werden andere Saiten aufgezogen und ein Cello-Riff eröffnet das, was in den nächsten 50 Minuten den Salon erfüllen wird: Kammercore!
Ihren Instrumenten entlocken die Berliner etwas, das als ziemlich eigenwilliger Metal durchgehen kann. Anstelle von E-Gitarren und E-Bass gibt’s hier die Bretter mit Cello und Kontrabass. Klingt ein bisschen wie die eisernen Jungfrauen, deren "Running Free" hier in der – nach Coppelius-Lesart wahrscheinlich ursprünglichsten – hölzernen Version mit Klarinetten und Streichern dargeboten wird. Bereits in der Vergangenheit gab es diverse 'Hommages' [auch die Bezeichnung Cover verbietet sich] an die / durch die Briten. Und auch die als Finale angerufene, sehr hörenswerte "Maria" muss als Tribut an / durch Subway To Sally angesehen, respektive angehört werden. [ Coppelius gibt an,zahlreiche Musikgruppen beeinflusst zu haben, angesichts des fortgeschrittenen Alters der Akteure, wollen wir ihre Leistungen nicht in Zweifel ziehen].
Wie verwunderlich, gar traurig mag es da erscheinen, dass nicht noch mehr "Extrablatt"-Lieder der Coppelianer Einzug in die Breite des Musikgeschäfts gefunden haben – oder liegt es unter Umständen daran, dass Diener Bastille womöglich neben der Verteilung von Absinth auch die Abschirmung der geistigen Werke gegen Internettauschbörsen gelungen ist? Denn auch die restlichen Lieder auf "Extrablatt" verdienen offene Ohren und ganz sicher den ein oder anderen offenen Mund.
Wer angesichts der oben referenzierten Vorgruppe noch Vorbehalte hegen sollte – nein, sie sind nicht 'so speziell' wie Eden weint im Grab und der Gesang bewegt sich überwiegend im Klarbereich. Und wem hier noch die Finnen von Apocalyptika einfallen, die ebenfalls unter Beweis stellen, wieviel Metal in Holz stecken kann – auch die sind deutlich düsterer und dramatischer als Coppelius.
Wer's hard'n'heavy mag, nicht immer alles ganz bierernst nimmt und mal Bauklötze staunen möchte, was man einem altehrwürdigen Instrumentarium entlocken kann (wenn man's denn kann), sollte sich auf jeden Fall mal um eine Coppelius-Hörprobe bemühen, derweil sich die Verfasserin auf der Suche nach besagtem Grammophon in den Keller begibt.
Line-up:
Le Comte Caspar (Gesang & Klarinette)
Max Coppella (Gesang & Klarinette)
Graf Lindorf (Gesang & Cello)
Sissy Voss (Kontrabass)
Nobusama (Schlagwerk)
Butler Bastille (Erfrischungen für die Herren & Musikalische Einwürfe wie Gesang oder Schlagwerk - besonders Triangel!)
Tracklist |
01:Spieldose
02:Welt im Wahn
03:Reichtum
04:Bitten Danken Petitieren
05:Locked Out
06:Butterblume
07:Keine Kamera
08:I'd Change Everything
09:Glanz und Eleganz
10:Glaubtet Ihr?
11:Mitten ins Herz
12:Running Free
13:Geschwind
14:Maria
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