Da hockt der Tiger und die Kuh versteckt sich. Es gibt "Halloween" und zum Schluss einen Abstecher in die griechische Mythologie. Dort geht es um Agamemnons älteste Tochter Iphigenie oder "Iphigenia".
Dazwischen spielt sich großes Theater des studierten Trios aus der Schweiz ab. Die drei Musiker kommen, als verdeckte Ermittler, direkt aus der Hölle und verschießen ihr Blei kontrolliert unkontrolliert in Richtung eines durch gute bis sehr gute Musik in bester Laune befindlichen Rezensenten.
Mit der Heavyness von Pantera und dem Freakigen von Frank Zappa in ihrer Musik pendeln die Cowboys From Hell ( CFH) so etwa zwischen Gongzilla und Mörglbl.
Nur mit einem großen Unterschied: Die Schweizer haben keinen Gitarristen in ihren Reihen. Spricht man bei anderen Bands von tiefer gelegten Gitarren, ist es bei dieser Band ein höher gelegter Bass.
Ist "Monster Rodeo" eine musikalisch-verbale Revolution, eine Abrechnung mit den degenerierten Auswüchsen unserer Gesellschaft?
Andi Peter singt oder artikuliert einfach nur Worte, so auch im Opener "Crouching Tiger, Hidden Cow": »… Du bist reich und fett. Wärst du auch, doch du saugst es dir ab, das Fett. Nett siehst du aus. Die Stirn geglättet… An deiner Frau ist nichts echt, doch das kümmert dich nicht. Falsche Titten, Silikon in den Lippen, zum ewigen Kussmund verdammt. Verdammt gut sieht sie aus, deine Statusmaus…«
Dabei lassen es der Saxofonist Christoph Irniger, Tiefton-Künstler Richard Pechota und Schlagzeug-Performer Chrigel Bosshard zu Peters Vokabular noch recht ruhig groovend angehen. Man könnte auch von einem verschleppten Reggae-Rhythmus sprechen, der die Derbheit des Vokalisten begleitet. Diese künstliche erzeugten Wah Wah-Gitarren-Sounds sind sphärige Angelegenheiten und dann beginnt die tonale Aufsässigkeit dieser ehemaligen Studenten der Jazzschule Zürich (Christoph), Hochschule für Musik und Theater Zürich (Richard) und Los Angles Music Academy (Chrigel).
Wie Tropfen hochkonzentrieter Salzsäure frisst sich das musikalische Inferno ins Gewebe. Die Cowboys halten ihre eiskalten Revolver-Läufe an die Schläfen des Hörers, um ihn in Einzelhaft zu nehmen. Verfremdet kommt Peters Kommentar dazu: »Wir sind gekommen, um euch in den Arsch zu treten…« Irnigers Saxofon mutiert? Unterliegt der Hörer auditiven Täuschungen? Ein Musik-Navigationssystem versagt.
Fortgesetzt wird das Fegefeuer aus der Hölle in "Dunschtig".
Teuflisch metallische Härte wird einem schonungslos um die Ohren gehauen. Bosshard setzt nicht nur einmal die hochfrequente Doublebass ein. Endlich legt Irniger die Karten auf den Tisch. In einem groovigen Zwischenspiel kommt sein Saxofon wie klares Kristallwasser aus den Boxen. Danach übernehmen Schlagzeug und in die Mangel genommene Tieftöner-Reize abermals die Oberhand. Der Track entwickelt sich zu einem beißenden Wechselspiel zwischen Bass und Holzblasinstrument. Die Hälfte des instrumentalen Stückes ist improvisierte Kunst, so hat es zumindest den Anschein. Oder handelt es sich um geplantes Chaos? Ein weiteres Mal lässt man den Hörer durchatmen. Pechota und Irniger machen in Sphäre.
"Schiller" ist "Dunschtig", aber in einen schweißtreibende Funk gebettet.
Vorsicht! Andi Peter surft wieder durch den Song: »Tanz mit mir den Eiertanz, Schiller, Goethe, Schiller… Friede, Freude, Eiertanz, schräger wie der Hans…«… oder so ähnlich.
Das Saxofon sendet seine psychedelischen Nachrichten in Richtung Wolke Sieben. Dazu beelzebübisches Bass-Slapping des Herren über die dicken Saiten. Zur vertrackten Bosshard-Rhythmik wirft der Hörer schon einmal einen Blick in Richtung Lautsprecher… qualmen die schon?
Nach dieser Peter'schen Vokal-Akrobatik kommt "Cowboys Against The Machine" in den Zeugenstand. Der initalisierende Metal wird geschickt durch eine modere Jazz-Metrik abgelöst und Peter muss einfach noch einmal zitiert werden, denn es geht um die virtuelle Herkunft der monumentalen Band: »Hölle, Feuer, gelber Rauch. Wut im Bauch. Schwefelgeruch, Dreck und Aas und Teufelsfraß. Ruß im Gesicht, Gram und Leere. Gewehre speien flüssiges Blei. Eins, zwei, drei, ein Schrei… Wir reiten auf Rappen und morden die Langeweile…« Es ist schön schaurig und erzeugt in der Art der Darbietung schon Gänsehaut. Saustark, die Einlagen! Ab der Song-Mitte wird das anfängliche Muster repetiert, begleitet von einem nicht enden wollenden Schrei. Von Schwefeldioxid-Gestank umgeben, werden die Cowboys From Hell gekrönt. Originalität und Wahnwitzigkeit sind unmittelbare Nachbarn.
Bleibt man allerdings in der Tracklist-Abfolge, kommt nach dem orgiastischen "Schiller" eine ungeahnte Wendung im Kessel der glühenden Lava.
"Sounds Of Silence" von… richtig, Simon & Garfunkel. Die Cowboys From Hell wollen mit dem Zahnstocher doch nur die dentalen Zwischenräume von unerwünschten Karies-Erzeugern befreien. Reiner Füllstoff für die CD, diese zerrissene Klamotte aus den Sechzigerjahren? Das anfängliche Arrangement des Hits ist ein Tritt in den Allerwertesten… durch die instrumentale Besetzung nett nachgespielt. Für alle CFH-Songs gilt allerdings: Man sollte jeden Song nicht vor dem Ende aburteilen. Das anfängliche Nachäffen hat spätestens nach einer Minute ein Ende, denn Pechota und Bosshard grooven los. Dann werden die "Sounds Of Silence" mit eiskaltem Metal-Wasser geduscht und was folgt sind tonale Emotions-Ergüsse im freien Fall. Grandios, die Cowboys!
John Carpenters "Halloween" ist fürchterlich gut und fernöstlich unverkrampft kommt "Chrampf" daher. Beeindruckend die zu Klängen gewordenen Sound-Ideen des Trios.
Exotisch der Album-Schluss mit "Iphigenia". Die Karawane gräbt sich durch den heißen Wüstensand.
Die alles verschlingende "Monster Rodeo"-Macht hat zugeschlagen. Die Cowboys verlangen vom Hörer Einsatz bis zur letzten Rille.
Musik für Menschen mit Risiko-Bereitschaft… und nicht ohne Nebenwirkungen.
Line-up:
Christoph Irniger (saxophone, electronics)
Richard Pechota (bass)
Chrigel Bosshard (drums)
Featuring:
Andi Peter (vocals - #1, 3, 8)
Tracklist |
01:Crouching Tiger, Hidden Cow (5:12)
02:Dunschtig (8:43)
03:Schiller (5:12)
04:Sounds Of Silence (5:31)
05:Lonesome Bill (4:43)
06:Chrampf (6:00)
07:Halloween (6:11)
08:Cowboys Against The Machine (6:00)
09:Iphigenia (7:08)
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