Cream / Royal Albert Hall London
May 2-3-5-6
Cream / Royal Albert Hall London May 2-3-5-6
"Thanks for waiting all these years (...) We will play every song we know (…) as long as we can." Eine längere Pause, und dann: "Oh, thank you very much for coming."
Diese an sich nicht weiter weltbewegenden Worte sprach Anfang Mai 2005 in der altehrwürdigen Londoner 'Royal Albert Hall' ein 60 jähriger Musiker aus, für den das einem glatten Wortschwall gleichkam. Sein Name: Eric Clapton!
Neben und hinter ihm standen noch zwei weitere Musiker auf der Bühne, knapp 62 und 65 Jahre jung. Ihre Namen: Jack Bruce und Ginger Baker!
Oha, damit gewinnen die Eingangs erwähnten Worte doch an Bedeutung, denn sie läuteten nicht weniger als die Sensation des musikalischen Jahres ein: Cream live on stage 2005!
Vor knapp 37 Jahren, als der Verfasser dieser Zeilen gerade mal erst seit 10 Monaten auf dieser Welt rum krakelte, gaben Cream am 26.11.1968 ihr letztes gemeinsames Konzert auf der Bühne der geschichtsträchtigen 'Royal Albert Hall', und dieses Ereignis war damals nicht weniger geschichtsträchtig als der Veranstaltungsort selbst.

Warum?
Jack Bruce und Ginger Baker hatten sich in der ersten Hälfte der 60er Jahre des vorigen Jahrhunderts in Blues-, R&B- und Jazzbands wie Alexis Korner Blues Incorporated oder der Graham Bond Organization den untadeligen Ruf erworben, hervorragende Musiker ihrer Generation zu sein, mit exzellenten individuellen Fähigkeiten an Bass und Schlagzeug. Währendessen erwarb sich der (Blues)Gitarrist Eric Clapton zunächst bei den Yardbirds und dann bei John Mayall's Bluesbreakers die zweifelhaften Meriten eines 'Gitarrengottes' (Clapton is God) und war somit unfreiwillig ein großes Thema in der damals aufblühenden Londoner Musikszene. Als schließlich im Juni 1966 die Kunde rumging, dass diese drei Ausnahmekönner im Begriff seien, eine gemeinsame Gruppe ins Leben zu rufen, war alsbald der seinerzeit völlig neue Terminus 'Supergroup' geboren.
Als solche gingen Cream dann auch folgerichtig in die popularmusikalische (Rock)Geschichte ein, denn sie revolutionierten außerhalb der reinen Jazzszene mit ihrer Musik nicht weniger als fast alle bis dahin bekannten und üblichen Song/Soundstrukturen und -muster.
Ihre furios und virtuos gespielte Melange aus Blues-, Jazz-, Rock('n'Roll) und auch Pop stellte alles bisher dagewesene gewissermaßen in den Schatten, führte zu ausufernden Improvisationseruptionen und zeitigte experimentelle Songs und Sounds, die ihre Verwurzelung im Traditionellen trotzdem nicht leugneten und somit (zumindest meistens) die Bodenhaftung nicht verloren. So blieb diese Musik konsumierbar und konnte daher auch auf kommerzieller Ebene punkten. Auf künstlerischer Ebene taten sie es ohnehin und inspirierten in ihren Anfängen u.a. niemand Geringeres als einen zu der Zeit noch völlig unbekannten Jimi Hendrix zur Gründung seiner Jimi Hendrix Experience, ebenfalls ein (Rock)Trio, dass die musikalische Welt ein großes Stück weit verändern sollte. Allerdings war der elektrisierende Spannungsbogen des Cream-Kosmos offenbar zu gewaltig, als dass er tatsächlich hätte längerfristig aufrecht erhalten werden können.
Und so war nach drei Alben ("Fresh Cream"-1966, "Disraeli Gears"-1967 und Wheels Of Fire -1968, nach dem Split erschienen noch 1969 "Goodbye Cream", 1970 "Live Cream" und 1972 "Live Cream, Volume II") und epochalen Touren in Europa und vor allem in den USA bereits mit dem erwähnten 'Royal Albert Hall' Konzert am 26.11.1968 Schluss.
Aber die Band hatte (musikalische) Spuren hinterlassen, die sich signifikant bis heute auswirken. Unter anderem darf sie getrost als Prototyp eines gewissen Hardrock-Sounds gelten, der auch heute noch in mehr als Spurenelementen bei vielen Rockbands heraus hörbar ist.
Insofern stellt natürlich die Reunion einer solchen Institution in Originalbesetzung ein Ereignis dar, wie es sie in der heutigen Zeit nicht mehr viele zu feiern gibt.
So waren denn auch für die vier Konzerte zwischen dem 02. und 06. Mai 2005 alle verfügbaren Tickets, die übrigens ausschließlich über's Internet offeriert wurden, innerhalb kürzester Zeit vergriffen, was anschließend zu geradezu aberwitzigen Schwarzmarktpreisen führte.
Für uns Normalsterbliche, die diesem besonderen Ereignis nicht beiwohnen konnten, erscheint jetzt das volle Konservenprogramm in Gestalt einer Doppel-CD und Doppel-DVD, womit wir in die komfortable Lage versetzt werden nachprüfen zu können, ob es wirklich Sinn gemacht hat, dass sich drei (Fast)Rentner nach 37 Jahren wieder zusammengerauft haben, um gemeinsam und mit dem geneigten Publikum zusammen die alte Magie wieder aufleben zu lassen.
Es hat!
Insgesamt 19 Songs umfasst die Setlist, was immerhin mehr als die Hälfte dessen ist, was nach einer Interviewaussage Jack Bruce's von der Band jemals live gespielt wurde.
Dabei stellen "Pressed Rat And Warthog", "Badge" und "Stormy Monday" meines Wissens sogar echte Live-Premieren für Cream dar, obwohl es freilich alte Songs sind.
Im gleichen Interview, welches übrigens auf der zweiten DVD enthalten ist, stellt denn auch Ginger Baker heraus, dass die Band seiner Meinung nach mit der heutigen Interpretation der an sich alten Stücke etwas völlig Neues kreiert.
Und tatsächlich, wer nun das alte, elektrisierende, hochenergetische Trio-Rock - Monster Cream erwartet, mit einem entfesselten Derwisch an Fellen und Becken, einem ekstatischen Jack Bruce mit intensivem Gesang und wahnwitzigen Bassläufen und einem Eric Clapton, der alle Gitarrenverstärker auf Anschlag hat und irgendwie alles in Grund und Boden spielen will, Hauptsache er ist zu hören, der wird natürlich bitterlich enttäuscht.
Das kann es im Jahre 2005 ja aber auch nicht sein, und daher wird konsequenterweise auf einem erheblich entspannteren, akzentuierteren, wohlklingenderen (die Verstärker-, Instrumenten- und Beschallungstechnik ist natürlich auch nicht stehen geblieben), technisch versierteren, kontrollierteren, nicht so rohen, wilden und ungestümen Level musiziert. Das führt in der Tat dazu, dass sich einige Songs geradezu neu erfinden.
Besonders neu erfindet sich bei dieser Veranstaltung 'Jungspund' Clapton, der völlig ungewohnter weise ohne Keyboarder, zweiten Gitarristen usw. im Rücken komplett auf sich alleine gestellt ist und exemplarisch vorführt, wie sich ein großes Talent im Laufe seiner Karriere weiterentwickeln kann, sofern es denn mal wirklich gefordert wird. Und das ist im Zusammenspiel mit dem nach wie vor brillanten Jack Bruce und einem unverwechselbaren Ginger Baker, der natürlich nicht mehr diesen gewaltigen 'Punch' hat, absolut der Fall. Nicht umsonst schwärmt Slowhand im schon angesprochenen Interview davon, wie sehr ihn seine Bandkollegen inspiriert und zu Höchstleistungen herausgefordert hätten. Und diese bestehen mitnichten aus spektakulären Hochgeschwindigkeitsläufen, sondern häufig aus relativ kleinen, ökonomischen, wunderbar flüssigen, akzentuierten und sehr wirkungsvollen Soli, die immer diesen einmaligen Ton offenbaren, der Clapton seit mittlerweile Jahrzehnten zum vielverehrten Gitarrenhelden macht und ihn individuell auszeichnet wie es sonst nur ein menschlicher Fingerabdruck vermag.
Besonders bei den explizit bluesigen Stücken wie "Rollin' And Tumblin'", "Stormy Monday" oder auch "Born Under A Bad Sign" lässt der Mann einfach superbe Gitarrenläufe vom Stapel (bei ersterem sogar Slide!) und scheint genau in seinem Element zu sein. Geradezu so, als hätte er in seiner langen und, um es mal vorsichtig auszudrücken, qualitativ nicht immer auf höchstem Niveau stehenden Solokarriere, die ganze Zeit darauf hingearbeitet, noch einmal im Verbund mit seinen sehr wohl auf höchstem Niveau stehenden Mitstreitern der Öffentlichkeit und den Bandkollegen selbst präsentieren zu können, wie er sich als Bluesgitarrist vervollkommnet hat.
Erfreulicherweise hat sich Jack Bruce offenbar ganz gut von seiner schweren Lebertransplantation erholt, denn er ist überraschend kräftig bei Stimme und spielt nach wie vor einen überaus fordernden, superben Bass. Dazu trommelt der Bandälteste seinen unnachahmlichen Beat, der immer noch afrikanisch inspiriert klingt und legt somit ein unverwechselbares Fundament, auf dem Jack und Eric sich austoben können, wobei dieses Toben freilich sehr gesittet ausfällt.
Insgesamt präsentieren sich die drei Veteranen als eine gut harmonierende Einheit, was so nicht unbedingt zu erwarten war. Egomanische Trips wie in früheren Zeiten stehen jedenfalls nicht mehr auf der Speisekarte, das Ganze kommt vergleichsweise kompakt daher, ohne den Improvisationscharakter gänzlich zu verlieren. In meinen Augen ein nicht zu verachtendes Kunststück.
Der Sound ist genauso superb wie die musikalischen Darbietungen und bietet zu keinerlei Kritik Anlass.
Cream / Royal Albert Hall London May 2-3-5-6Dies kann von der letztendlichen Ausstattung der beiden Doppeldecker leider nicht behauptet werden.
Zunächst einmal ist keines der vier Konzerte in einem Stück auf die Silberlinge gebannt, sondern Aufnahmen vom 06.05. wechseln sich meist mit Aufnahmen vom 03.05. ab, mit deutlicher Mehranzahl der Takes vom 06.05., zweimal ist der 05.05. vertreten und das Eröffnungskonzert am 02.05. geht völlig leer aus.
Nun könnte das natürlich einen Sinn ergeben, wenn die Prämisse lauten würde: Nur die besten Takes werden auch veröffentlicht.
Aber es wurden auf die beiden DVDs insgesamt drei Alternate Takes (andere Konzertabende als die Versionen der 'normalen' 19 Stücke) gepackt, wobei speziell die Zugabe "Sunshine Of Your Love" offenbart, wie unterschiedlich auch heute noch die drei Protagonisten ein und denselben Song an verschiedenen Abenden interpretieren. Das Grundmuster und gewisse Einsätze sind natürlich vorgegeben und vereinbart, aber ansonsten wird locker improvisiert, und jedes Mal scheint dabei eine durchaus eigenständige, individuelle Version zu entstehen. Hochgradig interessant und wer vermag da bitte schön zu beurteilen, welche Version nun die definitive sein soll?
Insofern macht das Konzept mit der zwar vollständigen Setlist, aber von verschiedenen Abenden zusammengewürfelt nicht besonders viel Sinn.
Hinzu kommt noch die Tatsache, dass die beiden DVDs von ihrer Aufnahmekapazität meilenweit entfernt sind. Zusammengefasst hätte das in dieser Form auch auf eine DVD gepasst und das wäre für den Endkonsumenten billiger gewesen! Und wenn schon ein teureres Doppel-DVD-Set offeriert wird, dann hätte dieses von der Spielzeit her besser ausgereizt werden müssen. Im Grunde hätte darauf Material von drei kompletten Abenden Platz gehabt, die Interviews mit den drei Protagonisten ergeben zusammen lediglich 16 Minuten.
Aber die Krönung ist der CD-Doppeldecker.
Ein Konzert hat pro Abend ca. 125 -130 Minuten gedauert, eine Doppel-CD hat zusammen 160 Minuten Spielzeit.
Das würde bedeuten, es passt eine komplette Setlist drauf und es wäre zusätzlich noch Platz für 30 Minuten Alternativversionen, die sich vielleicht besonders stark vom ansonsten benutzten Take unterscheiden.
Aber was finden wir vor?
CD 1 = 66:39 Minuten
CD 2 = 49:05 Minuten
Und damit nicht genug, "Sitting On Top Of The World" fehlt völlig! Damit der geneigte (CD)Kunde nicht drum herum kommt, sich auch die DVD-Version zuzulegen?
Und um das Ärgernis komplett zu machen, befinden sich auf den beiden CDs exakt dieselben Versionen, wie auf den DVDs, nur dass der erwähnte Song gänzlich fehlt und es statt drei nur einen Alternate Take gibt.
Also, ich muss es so hart formulieren, dass ist Verarschung am potentiellen Kunden und wird der Musik- und Tonträgerindustrie mit Sicherheit nicht aus der Krise helfen!
Damit gibt es für den CD-Doppeldecker leider 3 RockTimes - Uhren Abzug, so dass von den ursprünglich vorgesehenen 9 lediglich 6 verbleiben.
Sehr schade!
Das DVD Set hätte eigentlich auch 9 RockTimes Uhren verdient gehabt, aber durch die erwähnten Ausstattungs- und/oder Konzeptionsmängel, die leider etwas nach "Abzocke" riechen, gibt es lediglich 7 ½ unserer begehrten Uhren.
DVD Ausstattung:
Region Code 2/3/4/5
DTS 5.1 Surround Sound, PCM Stereo
PAL 16:9
Subtitels on interviews only, u.a. Deutsch und Niederländisch


Spielzeit: 167:00 (DVD's),115:44 (CD's)
Medium: DVD (Rhino Entertainment Company/Warner Music Vision) & CD (Reprise Records), 2005
DVD 1:
1:I'm So Glad 2:Spoonful 3:Outside Woman Blues 4:Pressed Rat And Warthog 5:Sleepy Time Time 6:N.S.U. 7:Badge 8:Politician 9:Sweet Wine 10:Rollin' And Tumblin' 11:Stormy Monday 12:Deserted Cities Of The Heart 13:Born Under A Bad Sign 14:We're Going Wrong 15:Sleepy Time Time (Alternate Take) 16:We're Going Wrong (Alternate Take)
DVD 2:
1:Crossroads 2:Sitting On Top Of The World 3:White Room 4:Toad 5:Sunshine Of Your Love 6:Sunshine Of Your Love (Alternate Take)
Interviews: Ginger Baker, Jack Bruce, Eric Clapton

CD 1:
1:'m So Glad 2:Spoonful 3:Outside Woman Blues 4:Pressed Rat & Warthog 5:Sleepy Time Time 6:N.S.U. 7:Badge 8:Politician 9:Sweet Wine 10:Rollin' And Tumblin' 11:Stormy Monday 12:Deserted Cities Of The Heart
CD 2:
1:Born Under A Bad Sign 2:We're Going Wrong 3:Crossroads 4:White Room 5:Toad 6:Sunshine Of Your Love Bonustrack: 7:Sleepy Time Time (Alternate)
Olaf 'Olli' Oetken, 06.10.2005