Crooked Still / Shaken By A Low Sound
Shaken By A Low Sound Spielzeit: 38:40
Medium: CD
Label: Rounder Europe/Signature Sounds, 2006
Stil: Folk

Review vom 08.11.2006


Norbert Neugebauer
Crooked Still ist ein junges Quartett aus Boston, dessen Mitglieder mehr oder minder zusammen Musik studiert haben. Im Sommer 2001 gründeten sie die Band, die ausschließlich akustisch spielt. »No electricity. No drums«. So steht's auf der HP.
Die Instrumentalbesetzung, gepaart mit der seidenweichen Stimme der Sängerin, ist nicht das einzige Ungewöhnliche. Die Grundlage ist klar die Musik aus den Bergen, Bluegrass, dominiert vom Banjo mit einem oft perkussiv gezupften Kontrabass als Gerüst. Darüber schwebt Ms. O'Donovans (mittlerweile auch Mitglied der renommierten Wayfaring Strangers) heller Sopran, streichelt die Texte förmlich. Den ohrenfälligsten Kontrast zu herkömmlichem Folk und dem vordergründigen Wohlklang bietet das knarzige, sehr eigenwillige gespielte Cello, das stellenweise auch als Rhythmusinstrument eingesetzt wird. Das bringt rockige und mitunter auch jazzige Momente in die Stücke. Dann erinnert die Combo an die großen englischen Folk Rock-Bands der 70er Jahre.
Crooked Still bieten auf ihrem Zweitwerk eine Mischung aus Traditionals (»public domain«) und Klassikern der jüngeren Musikgeschichte. Allerdings in Interpretationen, mit außergewöhnlichen Arrangements (with a little help from some friends), die die Titel schon mehr zu eigenen Werken machen, das Original ist oft nur noch schwerlich erkennbar. Dieser Sound geht sofort ins Ohr und bleibt dort hängen.
Mit dem Bill Monroe-Standard "Can't You Hear Me Callin'" startet das Quartett in bester Pentangle-Manier mit leichten Blues-Untertönen, verhaltenen Backing Vocals hinter der betörenden Lead-Stimme und einem virtuos gezupftem Banjo von Gregory Liszt. "Little Sadie" kommt dann schon fast rockig daher, Rushad Eggleston bestimmt mit seinem expressiven Cello Drive und Groove. Auch die "New Railroad" rauscht flott heran, allerdings mehr im traditionellen Stil. Dazu passt "Oxford Town", ein Mr. Zimmermann-Song, transformiert in einen Bluegrass-Fetzer, bei dem es auf der Tanztenne nur so staubt.
Mit "Lone Pilgrim" wird eine ruhige Runde eingeleitet. Nanu, schon wieder Dylan? Aber diesmal ganz dezent mit sparsamer Begleitung, fast wie eine altenglische Ballade. Wirklich alt ist "Ecstasy", ein "Sacred Harp"-Kirchenlied des 19. Jahrhunderts, sehr spirituell vorgetragen. Auch "Come On In My Kitchen" hat kaum mehr etwas mit seinem Ursprung zu tun. O'Donovan gurrt den Blues lasziv zum Cello-Riff. Originell, aber das kann Cassandra Wilson deutlich besser!
"Ain't No Grave", die einzige Eigenkomposition "Mountain Jumper" (von Eggleston) und "Railroad Bill" sind weitere kurzweilige 'Picker-Tunes'. Das Album schließt mit dem Traditional "Wind And Rain", das nicht nur große Ähnlichkeit mit "Percy's Song" von Fairport Convention, sondern auch dem Gesangsstil von Sandy Denny hat. Crooked Still erweisen damit der vor 28 Jahren verunglückten, unvergessenen Sängerin einmal mehr die Ehre.
Die Band schwimmt in der populären Rootsmusic-Welle mit, sie fügt ihr aber einen sehr eigenen Beitrag hinzu. Die ursprüngliche Hillbilly-Musik ganz jung, intellektuell, virtuos und mit großem Feeling interpretiert. Drei hervorragende Instrumentalisten und eine Stimme wie Honig, die sicher nicht nur Männer nervös macht. Aber genau da ist für mich auch der einzige Kritikpunkt. Irgendwann in diesen 38 Minuten hätte ich mir Frau O'Donovan schon etwas zupackender gewünscht. Darum beim nächsten Mal: Nicht nur erotisches Stallgeflüster - zur Sache Schätzchen!
Line-up:
Aoife O'Donovan (voice)
Gregory Liszt (banjo)
Rushad Eggleston (cello, guitar)
Corey DiMario (bass)
Tracklist
01:Can't You Hear Me Callin'
02:Little Sadie
03:New Railroad
04:Oxford Town
05:Lone Pilgrim
06:Come On In My Kitchen
07:Ain't No Grave
08:Ecstasy
09:Mountain Jumper
10:Railroad Bill
11:Wind & Rain
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