Eddie Cochran / Nervous Breakdown
Nervous Breakdown Spielzeit: 64:58
Medium: CD
Label: SPV, 2009
Stil: Rock'n'Roll

Review vom 07.04.2009


Markus Kerren
Ich bin jetzt einfach mal so frech zu behaupten, dass auch diejenigen, die anführen, dass sie den Namen Eddie Cochran noch nie gehört haben, die dazugehörige Person dennoch sehr gut kennen. Ein/e jede/r, der/die sich auch nur halbwegs ernsthaft mit Rockmusik beschäftigt, wird die Songs des in Minnesota geborenen und in Oklahoma aufgewachsenen Rockers zwangsläufig schon zig-fach, wenn eventuell auch von anderen Bands nachgespielt, konsumiert haben.
Beispiele gefällig? Da wären zum Beispiel "Summertime Blues" (u.a. The Who, Blue Cheer), "C'mon Everybody" (u.a. Humble Pie, The Sex Pistols), "Twenty Flight Rock" (The Rolling Stones) oder "Somethin' Else" (u.a. Herman Brood, The Sex Pistols). Falls auch diese Song-Beispiele nur ein ratloses Schulterzucken hervorrufen, dann ist irgendwas in der musikalischen (Eigen-) Erziehung ganz gründlich schief gelaufen. Die oben genannten Tracks klingen heute wie damals in der zweiten Hälfte der fünfziger Jahre mitreißend, lassen einen nach wie vor automatisch die Glieder schütteln und im Auto die Geschwindigkeits-Grenze unbewusst nicht unerheblich überschreiten.
Es ist nur schwer zu begreifen, dass sich am 17. April der Todestag von Cochran bereits zum 49. Mal jährt. Als der gute Eddie im Jahr 1960 zum letzten Mal in ein Automobil einstieg, hatte er gerade eine bahnbrechende und außerordentlich erfolgreiche England-Tour hinter sich gebracht. Leider und zur großen Bestürzung der gesamten Musik-Welt kam es bei diesem Unfall aber nicht nur zu einem Blechschaden.
Auf dem Yellow Label von SPV Records wird mit "Nervous Breakdown" nun vor allem die Frühphase von Eddie Cochran gewürdigt. Bereits im zarten Alter von 14 Jahren hatte sich der autodidaktische Gitarrist mit dem Songwriter Hank Cochran (nicht verwandt oder verschwägert) zusammengetan und die beiden klapperten die lokalen Country-Bühnen als die Cochran Brothers ab. Aus dieser Zeit stammen ca. ein Drittel der insgesamt hier versammelten 30 (!!!) Aufnahmen. Eddie war jedoch wie elektrisiert, als er zum ersten mal mit Rock'n'Roll in Berührung kam. Ohne zu zögern wurde die Vergangenheit über Bord geworfen und sich in ein neues Abenteuer gestürzt.
Im Jahr 1956 wurde seine erste Solo-Single "Skinny Jim" veröffentlicht, gefolgt von seinem ersten Hit "Nervous Breakdown" (ebenfalls 1956), hier in einer frühen Demo-Version vertreten. Danach ging es Schlag auf Schlag und es folgte Hit auf Hit. Seine Jugend und ungezügelter Enthusiasmus ließen Cochran buchstäblich niemals zur Ruhe kommen. Wenn er nicht gerade selbst auf Tour oder im Studio war, dann war er als Produzent oder Session-Musiker aktiv. Hypothetisch ist die Frage, wie lange Eddie, wäre es nicht zu dem fatalen Unfall gekommen, diesen Lebensstil weiter hätte durchstehen können.
Wie dem auch sei, die letzten 20 Songs dieser CD befassen sich mit dem Solo-Schaffen des Amerikaners. Speziell für die Fans von Cochran dürfte "Nervous Breakdown" ein gefundenes Fressen sein, denn viele der hier enthaltenen Tracks findet man in einer frühen oder alternativen Fassung vor. Der Sound ist logischerweise nur so gut, wie der Sound von Aufnahmen aus den Fünfzigern sein kann. Aber auch keinen Deut schlechter, so dass man mit der (etwas schwankenden) Qualität absolut zufrieden sein kann.
Ich habe mir "Nervous Breakdown" nicht nur einmal ganz bewusst rein gezogen und während ich mir die Tracks so im Ohr zergehen ließ, konnte ich mir schon sehr gut vorstellen, dass dem Papa im Jahr 1956 am Tisch der Löffel aus der Hand gefallen ist und ihm die Halsadern geschwollen sind, als er diesen puren Anarchie-Lärm in Gestalt von 'losgelassenen Halbstarken' aus seinem wohl gehüteten Radiogerät vernehmen musste. 50 Jahre später wahrscheinlich nur noch schwer nachvollziehbar, aber gegen diese Rock'n'Roll-Revolution waren die Sex Pistols im England der Spät-Siebziger fast so was wie Rebellen aus der zweiten Reihe.
"Nervous Breakdown" enthält keinen der großen Eddie Cochran-Hits und auch die kleineren sind hier eher in alternativen Versionen oder Takes enthalten. Dafür glänzt die Scheibe aber durch eine hervorragende, tiefere Einsicht in die frühen, ungezügelten Aufnahmen eines Musikers, der die folgenden Jahrzehnte entscheidend mitgeprägt hat.
Mann, dieses Album ist ein Höllenspaß und lädt zu einem 65-minütigen Trip in die fünfziger Jahre ein, während dem man sich unweigerlich selbst zu fragen beginnt, warum im Leben eigentlich immer alles so kompliziert sein muss, wenn man doch, wie hier bewiesen, das gesamte Universum mit drei Akkorden und in zweieinhalb Minuten auf den Punkt bringen kann.
Tracklist
01:Slow Down
02:Pink Peg Slacks (American Music Demo)
03:Fool's Paradise
04:Latch On
05:Tired And Sleepy
06:Yesterday's Heartbreak
07:Open The Door
08:My Love To Remember (American Music Demo)
09:I'm Ready
10:Dark Lonely Street (Master Take 6)
11:String Fever
12:Mighty Mean (Demo)
13:Skinny Jim (Crest A Side)
14:Half Loved (Early Demo Version)
15:Let's Coast Awhile
16:Latch On
17:Jungle Jingle
18:Nervous Breakdown (Early Demo)
19:One Minute To One
20:Sick And Tired
21:Itty Bitty Betty
22:Don't Bye, Bye Baby Me (Take 4)
23:Guitar Blues
24:Jelly Bean (Take 1)
25:Cruisin' The Drive-In
26:Fontella (Overdubbed Version)
27:Bread Fred
28:Once More (Overdubbed Master)
29:Chicken Shot Blues
30:Thinkin' About You
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