Es war einmal ein Graffiti, irgendwo in London. Das entsprechende Foto ist längst Legende - 'Clapton Is God'!
Immerhin darf sich der über alle Maßen heroisierte inzwischen tatsächlich als Legende fühlen, in seiner Eigenschaft als einflussreicher Gitarrist und Musiker. Nicht schlecht für einen Mann, der nach realistischer Selbsteinschätzung kein technisch besonders versierter Saitenartist ist und sich zu Anfang seiner Karriere, mangels jedweder Notenkenntnisse und finanzieller Mittel zur Inanspruchnahme eines Gitarrenlehrers, alle Fertigkeiten an den sechs Saiten autodidaktisch aneignete.
Und wie es sich für eine gestandene Legende ziemt, wird das alljährliche Weihnachtsgeschäft um eine weitere Autobiografie 'bereichert', in der deutschen Fassung schlicht "Mein Leben" betitelt.
Ich persönlich hätte nicht erwartet, dass der 'Commander of the British Empire' vor seinem Ritterschlag zum 'Sir' den Rückblick auf ein bewegtes Leben wagt.
Ist denn mit 62 schon Schluss?
Der unvergleichliche Udo Jürgens, den der Rezensent aus Kompatibilitätsgründen leider nicht in der RockTimes unterbringen kann, hat uns allen schließlich wie in Zement gemeißelt klar gemacht, dass es mit 66 erst richtig losgeht. Er hält sich bis heute tapfer an sein eigenes Manifest. Und da kommt uns 'Jungspund' Eric bereits jetzt mit seiner Lebensbeichte?
Nun, das erstaunt nur vordergründig, nach der Lektüre von 335 Seiten wird einem endgültig klar, dass wir es hier viel eher mit 'Aufräumarbeiten' eines Mannes zu tun haben, der quasi ein halbes Leben benötigte, um im 'klassischen' Sinne erwachsen zu werden, Verantwortung zu übernehmen für sich selbst, andere und sein persönliches Handeln.
Wir stoßen bei diesem Buch auf eine vergleichsweise offen und ehrlich erscheinende Reflexion einer alles andere als gradlinig verlaufener Biografiekurve.
Es drängt sich unweigerlich der Eindruck auf, dass E.C. recht geschickt das Nützliche mit dem Angenehmen verbunden hat, indem er geradezu therapeutisch seine persönlichen Verfehlungen, Lebenskrisen, Schicksalsschläge und Niederlagen aufarbeitet und dabei selbstredend das Ganze in eine Form gießt, die sich gerade im Weihnachtsgeschäft gut vermarkten lässt.
Dabei kristallisieren sich neben der Musik, die ihm letztlich nur als roter Faden der Lebensphilosophie dient, drei Haupteckpfeiler heraus - seine vermeintlich familiär ausgeformten Dispositionen des Kindheitsalters als Erklärungsmuster für das weitere Handeln, das weibliche Geschlecht und die Suchtproblematik.
Gerade im letzteren liegt eine Stärke des Buches begründet. Ziemlich eindrucksvoll bekommen wir einen Einblick in die Seele eines Junkies und Alkoholikers, aus der Sicht eines Ex-Junkies und trockenen Alkoholikers geschildert. Gleichwohl wird deutlich, dass der Protagonist diesen Einblick aus einer äußerst exponierten Stellung heraus gewährt und ich gewinne zu keinem Zeitpunkt den Eindruck, dass Eric Clapton jemals den Blick auf ein gesellschaftliches soziales Gesamtgefüge sein Eigen nennen durfte, er lebte und lebt unzweifelhaft in einer eigenen Welt. Dies darf allerdings im Künstlermilieu nicht überraschen.
Letztlich hat der Mann, den sie bereits zu einem überraschend frühen Zeitpunkt (1963) 'Slowhand' nannten, seine Heroinsucht nur deshalb überlebt, weil er einerseits seit früher Kindheit panische Angst vor Spritzen hatte, und andererseits in der Lage war, immer hochqualitativen, reinen Stoff zu konsumieren. Dieses 'Privileg' haben längst nicht alle Heroinabhängigen.
Längst nicht alle haben auch ein derartiges Umfeld wie ein Musikstar, welches im Zweifel selbigen aus der Patsche helfen kann, wie dies bei Clapton geschehen ist. Das Buch macht aber auch deutlich, dass die 60er Jahre des vorigen Jahrhunderts noch 'echte' Musikstars hervorrufen konnten, die dann innerhalb eines ziemlich elitären Zirkels teilweise eine immense Bedeutung und Stellung erlangten. Das ist heute in Zeiten der totalen Vermarktungsstrategien so nicht vorstellbar und damit taugt diese Biografie durchaus auch als Zeitdokument.
Eric Clapton selbst kommt mutigerweise als Mensch nicht wirklich gut weg, obwohl er gar manchen Fehltritt fast völlig weg- bzw. unbeleuchtet lässt. Es wird überdeutlich, dass Drogen wie Alkohol, Heroin oder Kokain bei exzessivem Gebrauch die Persönlichkeit eines Menschen verändern!
Dabei gerät seine Rolle und Position als Musiker leider im Gesamtkontext überraschend rudimentär. Zwar zieht sich seine Liebe zur Musik und die persönliche Umsetzung derselben, dem berühmten roten Faden gleich, durch das ganze Schriftwerk, aber letztendlich herrscht der Kampf gegen die Dämonen Alkohol und Drogen (im Grunde eine unzulässige Begriffstrennung!) vor, gleich gefolgt von den Schwierigkeiten, die ihm das weibliche Geschlecht im allgemeinen und einige Damen im Besonderen bereiteten.
Somit bleiben beispielsweise solche Karriereaspekte wie seine vielfältigen Engagements als Sessiongitarrist leider fast gänzlich auf der Strecke.
Dem Leser/der Leserin dieser Lektüre wird, und das ist eine weitere Stärke, exemplarisch vor Augen geführt, warum dieser ausdrucksstarke Gitarrist einige Glanzlichter in der rockmusikalischen Historie setzen konnte, aber noch viel mehr Durchschnittliches bis Belangloses ablieferte. Es drängt sich der Verdacht auf, dass vordergründig ein großes Talent verschludert wurde, in Wahrheit wären jedoch die besagten Glanzlichter ansonsten niemals entstanden.
Wir lernen einen Menschen näher kennen, der, aus den unterschiedlichsten Gründen, ständig ein Getriebener war, stetig auf der Flucht vor sich selbst und gleichzeitig auf der Suche nach sich selbst.
Es ist versöhnlich zu erkennen, dass er den größten Kampf seines Lebens gewonnen hat und mittlerweile ein großes Engagement an den Tag legen kann, um anderen bei ihrem Kampf zu unterstützen, dass er hochgradig reflexiv zu analysieren versteht und zusätzlich, nach dem brutalen Schicksalsschlag durch den Verlust seines Sohnes Conor, doch noch sein großes privates Glück gefunden zu haben scheint. Da sei es ihm verziehen, dass er musikalisch nur noch sehr punktuell zu überzeugen weiß.
Interessanterweise sieht das Eric Clapton völlig anders. Produzent, Studiotüftler und Mitsongschreiber Simon Climie ist ein richtig guter Freund von ihm, Pro-Tool-Spezialist und verantwortlich für eine Platte, die ungeahnt lange Studiozeit und akribische Feinarbeit in Anspruch nahm, zu den absoluten Lieblingsalben Claptons gehört, weil ganz besonders viel Herzblut drinsteckt und ansonsten von vielen Kritikern fürchterlich zerrissen wurde. "Pilgrim" (1998) heißt das Ding und spaltet bis heute die Clapton-Gemeinde. Auch die sehr zwiespältig aufgenommenen Bluesprojekte mit B.B. King ("Riding With The King", 2000) und, im thematischen Sinne, Robert Johnson ("Me And Mr. Johnson", 2004) finden nach wie vor Claptons uneingeschränktes Gefallen. Selbst das endgültig nur noch von sehr wenigen als erträglich eingestufte 'Familienglückalbum' "Back Home" (2005) leuchtet bei E.C. prominent auf seiner persönlichen Favoriten-Vita. Für den Schreiberling dieser Zeilen gänzlich unverständlich, zeugt das aber konsequent von einem ganz neuen Leben nach dem Nebel des Dauerrausches und verdeutlicht eindrucksvoll, dass in der Beurteilung des künstlerischen Schaffens Claptons fein säuberlich differenziert werden muss, ansonsten wird mensch der Person und dem Künstler Eric Clapton nicht gerecht!
Fazit:
Ich kann dieses Buch letztlich guten Gewissens jedem empfehlen, der/die mit der Musik Eric Claptons tendenziell etwas anzufangen weiß und Interesse hat, seine Person etwas näher kennenzulernen, inklusive der zeitgeschichtlichen Eindrücke, die das Werk darüber hinaus sporadisch vermittelt.
Sporadisch deshalb, weil sich Clapton zum wiederholten Mal als völlig unpolitisch/politisch desinteressiert outet, bzw. irgendwelche Ambitionen in diese Richtung strikt nur noch für sich behält.
Der Schreibstil ist ganz gefällig, Aufbau und Struktur wären meiner Ansicht nach verbesserungswürdig und es kommen definitiv zu viele Personen und Namen ins Spiel.
Darüber hinaus kann ich nicht viel von der überall postulierten Selbstironie inklusive schwarzem Humor entdecken, viel eher ist das Werk relativ trocken und spröde geschrieben. Aber Clapton war für meine Begriffe noch nie ein begnadeter (Song-)Schreiber, seine Stärken liegen im emotionalen Ausdrucksvermögen, welches ihm mit den berühmten sechs Saiten gegeben ist und er entsprechend kultiviert hat. Insofern empfehle ich, begleitend zum Buch, dringend den Genuss der einen oder anderen Scheibe, an allererster Stelle seinen emotionalen Aufschrei "Layla And Other Assorted Love Songs" (1970).
Warum ich in diesem Zusammenhang von einem 'emotionalen Aufschrei' schreibe, verdeutlichen wiederum die Zeilen von "Mein Leben".
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