Man hat ja wirklich schon die abstrusesten Dinge und Meinungen über Eric Claptons 1998er Album "Pilgrim" gelesen und gehört, was die Ausschläge der persönlichen Bewertungsskalen nach unten wie auch nach oben betrifft. Dass dabei eigene Erwartungen immer wieder eine große Rolle spielen, ist ebenfalls kein neues Phänomen. Klar ist seit geraumen Jahren, dass Clapton hier so ziemlich alles, aber kein Gitarrenalbum im Sinn hatte. Vorausgegangen war seine Zusammenarbeit mit dem Produzenten Simon Climie an einem Soundtrack, die ihm wohl großen Spaß gemacht hatte. Also fragte er den Mann am Mischpult, ob er nicht auch Lust auf die nächste EC-Scheibe hätte. Hatte er, selbst als der gute Eric noch nachschob: »Lass' uns das traurigste Album aller Zeiten aufnehmen!«
Dass die Kombintion Clapton/Climie - speziell in Verbindung mit einem neuen Studioalbum von 'Slowhand' - ein (hoffentlich!) spannendes Experiment werden würde, war allen Beteiligten natürlich klar. Letzten Endes ist es das dann tatsächlich geworden, ohne allerdings zu irgendeinem Zeitpunkt überzeugen zu können. Mich zumindest nicht, aber da schienen Millionen von Menschen weltweit anderer Meinung gewesen zu sein, denn "Pilgrim" verkaufte sich (natürlich auch sehr stark profitierend von dem Hit "My Father's Eyes") weltweit millionenfach, konnte sowohl in Europa (als Gesamtheit bzw. Erdteil) als auch den USA Platinauszeichnungen einfahren.
Neun Jahre und seit dem Album "Journeyman" (1989) hatte es gedauert, bis Clapton wieder eine Platte mit eigenen Kompositionen vorlegte, was eigentlich ein Anlass zur Freude gewesen sein sollte. Über weite Strecken ist "Pilgrim" allerdings alles andere als überzeugend. Fest steht, dass die Scheibe ihr Dasein während der ersten mindestens ca. fünf Hördurchläufe mehr oder weniger als Rohrkrepierer fristet. Nach und nach entdeckt man dann zwar doch immer wieder ein paar schöne Stellen, aber das ist schon relativ hartes Brot, was uns der Engländer hier bietet. Und das liegt überhaupt nicht an der untergeordneten Rolle der Gitarre, sondern hat ganz andere Gründe.
Was mir an diesem »...traurigsten Album aller Zeiten...« am meisten aufstößt, ist der vollkommen klinische Sound des Drum Programmings, der ganz alleine schon jede eventuell aufkommende Melancholie oder Wärme im Keim erstickt. Da tummeln sich so wahnsinnig viele Keyboard Programmings, Synthesizer-Bässe und uninspiriertes Tastenspiel, dass auch das teilweise ("River Of Tears", "Born In Time") richtig starke Gitarrenspiel irgendwo auf der Strecke bleibt. Dazu kommt, dass auch noch massenhaft Streicher zum Einsatz gebracht wurden, die dem vorhandenen Material ebenfalls nicht unbedingt zum Vorteil verhalfen. Irgendwann zwischendrin findet man dann - gut versteckt - den Alibi-/Quoten-Blues ("Sick And Tired"), der aber auch nichts mehr rausreißen kann.
Das größte Dilemma von "Pilgrim" ist allerdings das Songwriting (neben zwei Coverversionen gibt es zwölf Stücke von entweder Clapton allein oder mit Co-Writer), das deutlich unter Par ist. Kombiniert mit dem - okay, 'melancholischen' lasse ich gelten - ziemlich introvertierten Gesang lässt mich die Platte dann doch oft ratlos und achselzuckend zurück. Die guten Intentionen will ich niemandem der Beteiligten absprechen, dennoch wirkt dieses Werk letzten Endes sehr blass.
Wie damals direkt nach Erscheinen, bin ich ich heute noch viel mehr der Meinung, dass "Pilgrim" aus den genannten Gründen künstlerisch ziemlich in die Hose ging. Vielleicht hatte Eric Clapton auch vorübergehend nicht mehr in Erinnerung, dass er SEIN »...traurigstes Album...« schon lange gemacht hatte? Wie dem auch sei, mir gelingt es nach wie vor nicht, mir diese Scheibe schön zu hören. Denn dafür hat sie viel zu viele Schwächen, da mag jeder vom Gegenteil Überzeugte argumentieren, wie er will.
Eric Clapton ging auch bei beispielsweise Behind The Sun neue Wege und suchte neue Sounds. Allerdings hatte er auf "BTS" deutlich bessere Songs am Start.
Woran es dagegen überhaupt nichts zu mosern gibt, ist der erneut erstklassige Sound dieser Hybrid SACD, die sich auch auf jedem normalen CD Player abspielen lässt. Diesbezüglich hat Audio Fidelity wieder einmal phänomenale Arbeit abgeliefert.
Line-up:
Eric Clapton (guitars, lead vocals)
Simon Climie (keyboards, synthesizer bass, drum programming, background vocals)
Greg Phillinganes (keyboards)
Chris Stainton (piano, Hammond organ)
Joe Sample (piano)
Paul Carrack (Hammond organ, Wurlitzer)
Paul Waller (drum programming)
Steve Gadd (drums)
Nathan East (bass)
Pino Paladino (bass)
Dave Bronze (bass)
Luis Jardim (bass, percussion)
Andy Fairweather-Low (guitar)
Paul Brady (tin whistle, background vocals)
London Session Orchestra (strings)
Kenny Edmonds (background vocals)
Tony Rich (background vocals)
Chyna (background vocals)
Tracklist |
01:My Father's Eyes
02:River Of Tears
03:Pilgrim
04:Broken Hearted
05:One Chance
06:Circus
07:Going Down Slow
08:Fall Like Rain
09:Born In Time
10:Sick And Tired
11:Needs His Woman
12:She's Gone
13:You Were There
14:Inside Of Me
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