J.J. Cale & Eric Clapton / The Road To Escondido
The Road To Escondido Spielzeit: 57:10
Medium: CD
Label: Reprise Records/Warner Music, 2006
Stil: Laidback-Rock



Review vom 27.11.2006


Olaf 'Olli' Oetken
Aaaaaaaaaarrrrrrggghh!!!

Da wird doch wirklich der sprichwörtliche Hund in der Pfanne verrückt und des Rezensenten Hutschnur arg in Mitleidenschaft gezogen!

Was ist passiert?
Ganz einfach, zwei ältere Herren über Sechzig haben sich, nach eigenen Aussagen, einen Lebenstraum erfüllt und nach jahrzehntelangem Individualwerkeln mit gegenseitigem Respekt endlich ein Gemeinschaftswerk eingespielt, welches nunmehr unter dem Titel "The Road To Escondido" unter die Leute gebracht werden soll.
Zumindest bei "Three Little Girls" geht der Weg nicht in das staubige Nirwana einer kalifornischen Stadt mit ca. 135.500 Einwohnern, sondern direkt ins Kinderzimmer von Jungpapa Clapton, seines Zeichens unfreiwilliger Gitarrengott der Swinging Sixties, Überlebender des rockmusikalischen Drogensumpfes, triumphierender Grammyabkassierer, Grandsignore der ökonomischen Melodie-Gitarre und Elder Statesman des weißen Rentnerblues.
Sein erlauchter und hochgeschätzter Partner ist diesmal kein Geringerer als J.J. Cale, Erfinder des 'Laid-Back-Swampy-R&B-Country-Rocks' (um das tatsächliche Copyright muss er sich halt mit Tony Joe White streiten) und Créateur der Knopflerschen Saitenromantik.
J.J. Cales Name steht dabei an erster Stelle, was auch das Mindeste ist, denn er hat elf von vierzehn Songs beigesteuert. Davon sind allerdings "Anyway The Wind Blows" ("Okie", 1974) und "Don't Cry Sister" ("5", 1979) bereits altbekannt, und "When This War Is Over" ist nichts anderes als ein umgetextetes "Call Me The Breeze" ("Naturally", 1972).
Diese Zusammenarbeit macht absolut Sinn, immerhin verhalf Eric Clapton mit seiner Version von "After Midnight" dem 'Schweiger' aus Tulsa zu frühzeitig sprudelnden Tantiemen, auch "Cocaine" musste eine erfolgreiche Bearbeitung ECs über sich ergehen lassen. Darüber hinaus sind Cales Songs im Prinzip von jedem gecovert worden, der/die etwas auf sich hält. Nur von Mark Knopfler nicht, der klingt nur so.
Die Erwartungshaltung ob des musikqualitativen Outputs darf also ruhig in luftigen Höhen liegen, so dass das Endresultat letztlich leider enttäuschen muss, denn in luftigen Höhen liegt noch nicht einmal die Produktion.
Freilich, sie klingt gut, diese CD, sehr gut sogar, doch irgendwie packt einen hier rein gar nichts. Viel zu viele Spuren, zuviel Produktion, zuwenig Musik!
Da haben wir neben Clapton und Cale noch weitere vier (!) Gitarristen, eine Gitarristin, vier (!) Schlagwerker, zwei Leute, die darüber hinaus noch für Percussion-Klänge sorgen und schließlich ebenfalls vier (!) Koryphäen am Tieftöner. Zusätzlich darf sich Co-Produzent Simon Climie noch am Programming und mit Pro Tools austoben, so dass dem Gesamtsound in den meisten Fällen jegliches Leben ausgehaucht wird. Wir haben es also quasi mit einer toten High-End-Platte zu tun, ohne Ecken und Kanten, wobei zu allem Übel auch die Songs kaum einen bleibenden Eindruck hinterlassen.
Okay, der Opener "Danger" erfreut mit warmer Billy Preston-Orgel, die auf dieser Scheibe leider letztmals ertönt, und jeweils prägnanten EC, J.J. und Doyle Bramhall II Solis, "Dead End Road" kommt als wibbeliger Countryshuffle daher, gewürzt mit einem nach wie vor exzellenten Saitenspiel Albert Lees und den Fiddle-Klängen Dennis Caplingers, und die Single "Ride The River" weiß zumindest als gefällige, wenn auch überfrachtete, Highwaynummer mit verfremdeten und verzerrten Gitarren zu punkten, aber ansonsten breitet sich irgendwie die große Langeweile über dieses Album. Ab und an reißt der großartige Derek Trucks mit seinem jetzt schon absolut unverkennbaren (Slide-) Stil was raus, die drei bereits genannten und bekannten Stücke sind an und für sich unkaputtbar, haben den bekannten Versionen aber nichts entscheidend Neues hinzuzufügen.
Vieles erinnert mich hier an Claptons Schnarchwerk "Reptile" (2001), "Hard To Thrill", der andere von den beiden Claptonischen Songwriting-Beiträgen (in Zusammenarbeit mit John Mayer), kommt gar wie ein Outtake eines "Lethal Weapon"-Soundtracks rüber und er spielt sicherlich die eine oder andere sehr geschmackvolle Saitenfolge, aber wo bleibt sein Partner? Selbst beim Gesang muss J.J. Cale mühevoll gesucht werden, er geht in den Irrungen und Wirrungen der diversen Tonspuren fast unter. Mister Cale kommt trotz seines Songwriting-Anteils irgendwie zu kurz, er wurde einfach hinwegproduziert. Bei den entsprechenden Produzentenangaben steht denn auch folgerichtig (?) Claptons Name zuerst!
Fazit:
Hier wurde eine große Chance vertan.
Krönung ist das an sich sehr stimmungsvolle "Who Am I Telling You?", Klanghighlight mit warmer Orgelgrundierung, endlich mal teilweise auch ohne Stimmdopplungen auskommend und mit einem fantastisch zupfenden Derek Trucks. Denn just, als 'Slowhand' zum gefühlvollsten Soli der ganzen Scheibe ausholt, wird rausgeblendet.
Da fasse ich mich doch an den Kopp und kann dem Produktionsteam nur komplette Inkompetenz ins Zeugnis schreiben!
Zu allem Überfluss glänzt das Booklet zwar mit netten, bunten Bilderchen über die Protagonisten der Aufnahmen, aber es fehlt jeglicher Hinweis darauf, wer bei welchem Song was gespielt hat.
Einfach unfassbar und ein weiteres Paradebeispiel dafür, dass die Musikindustrie, speziell was die Major-Labels angeht, ihre CD-Produktion auch gleich ganz einstellen kann. Denn wer will für solche Luschenprodukte viel Geld bezahlen?
Schade um diese beiden an sich großen Könner. Die Aufnahmen sind eh bereits über ein Jahr alt, vielleicht hätte man sie wirklich in ganz andere Hände geben sollen.
J.J. Cale und speziell Eric Clapton beweisen jedenfalls hiermit eindrucksvoll, dass sie besser bei ihren Leisten geblieben wären, denn genau sie sind als Produzenten angegeben und somit für das musikalische Produkt verantwortlich!
Line-up:
J.J. Cale (guitar/vocals/keyboards)
Eric Clapton (guitar/vocals)
Doyle Bramhall II (guitar)
Derek Trucks (guitar)
John Mayer (guitar)
Albert Lee (guitar)
Gary Gilmore (bass)
Willie Weeks (bass)
Nathan East (bass)
Pino Palladino (bass)
Jim Karstein (drums/percussion)
James Cruce (drums/percussion)
Steve Jordan (drums)
Abraham Laboriel Junior (drums)
David Teegarden (percussion)
Billy Preston (hammond organ/wurlitzer piano/rhodes)
Walt Richmond (acoustic piano/wurlitzer piano/rhodes)
Christine Lakeland (acoustic guitar/background vocals)
Taj Mahal (harmonica)
Dennis Caplinger (fiddle)
Bruce Fowler (horns)
Marty Grebb (horns)
Steve Madaio (horns)
Jerry Peterson (horns)
Tracklist
01:Danger
02:Heads In Georgia
03:Missing Person
04:When This War Is Over
05:Sporting Life Blues
06:Dead End Road
07:It's Easy
08:Hard To Thrill
09:Anyway The Wind Blows
10:Three Little Girls
11:Don't Cry Sister
12:Last Will And Testament
13:Who Am I Telling You
14:Ride The River
Externe Links: