Joe Cocker / With A Little Help From My Friends
With A Little Help From My Friends Spielzeit: 40:52
Medium: Hybrid SACD
Label: Audio Fidelity, 2015 (1969)
Stil: (Blues) Rock, Soul


Review vom 21.08.2015


Markus Kerren
Was ist es eigentlich, das ein Album zum Klassiker macht? In vorderster Linie natürlich die Qualität der Songs, dazu die der Einspielung, der Produktion und der Arrangements. Ein anderer - und ganz erheblicher - Aspekt ist aber auch, wie eine Scheibe über die Jahrzehnte 'gealtert' ist. Und da kann man bei Joe Cockers Debüt aus dem Jahr 1969 nur sagen: in Würde und Grazie. Der aus Sheffield stammende Engländer hatte bereits fünf Jahre davor einen ersten Gehversuch mit der Beatles-Nummer "I'll Cry Instead" gemacht, war nach dem Flop der Single aber desillusioniert in seine Heimatstadt zurückgekehrt, um seine Brötchen weiterhin als Klempner zu verdienen. Natürlich machte er aber nebenbei weiterhin Musik und war 1968 soweit, einen zweiten Versuch in Angriff zu nehmen.
Und dieses mal sollte es nicht nur mit der Karriere funktionieren. Das mir nun vorliegende Debütalbum sowie der als Single ausgekoppelte Titelsong (wieder ein Beatles-Stück) schlugen sogar ein wie eine Bombe. Über diesen Titel und auch den Dave Mason-Track "Feeling Alright" (die Joe beide bis an sein Lebensende auf der Bühne sang), braucht man wohl nicht mehr viel zu schreiben. Aber kein einziger der übrigen Songs steht diesen beiden (wenn überhaupt, dann lediglich um Nuancen) nach. Freuen durfte sich der gute Joe im Studio aber auch über tatkräftige Unterstützung von absoluten Topmusikern. Da ist bei fünf Stücken niemand anderes als Jimmy Page an der Gitarre unterwegs, an den Tasten waren (neben seinem musikalischen Partner Chris Stainton) Stevie Winwood sowie Tommy Eyre unterwegs und am Schlagzeug spielten Leute wie B.J. Wilson (Procol Harum), Mike Kellie (Spooky Tooth) und auch Session-Ass Clem Cattini.
Unter den vielen heute leider so gut wie vergessenen Songs dieser Scheibe befinden sogar drei, die Cocker (der ja nur sehr wenig schrieb) zusammen mit Chris Stainton komponierte. Neben dem etwas bekannteren "Marjorine" (das damals ebenfalls als Single ausgekoppelt wurde) wären da nämlich "Sandpaper Cadillac" (mit Page an der Gitarre), das mit seinem souligen Gesang und seiner dichten Atmosphäre bezaubert. Außerdem mit "Change In Louise" eine meiner absoluten Lieblingsnummern des Engländers überhaupt. Hier ist Henry McCullough an der Gitarre aktiv, der ja auch zu Joes Grease Band gehörte. Ein warmer Orgelsound, klasse Gesangsmelodien in Strophen und Refrains, dazu die (wie auf der gesamten Scheibe) göttlichen Background Vocals der - auf diesem Stück - Ladies Sue und Sunny Wheetman. Mir rennt beim Genuss dieses Titels auch heute noch eine Gänsehaut nach der anderen über den Körper.
Mit "Just Like A Woman" sowie "I Shall Be Released" waren auch zwei Dylan-Nummern im Programm und während sich das Erstgenannte in der Interpretation seines Komponisten oft verbittert und rachsüchtig anhört, wird es von Joe Cocker eher liebevoll vorgetragen. Einmal mehr glänzen der warme Orgelsound (diesmal von Matthew Fisher, Procol Harum) und der soulige Gesang. Auch "I Shall Be Released" wird von dem Protagonisten nicht wütend (wie im Original), sondern eher sanft und hoffnungsvoll interpretiert. Aber um nicht falsch verstanden zu werden: Von Schönspiel oder -singerei ist auch hier nichts zu finden. Die Ecken und Kanten sind vorhanden, was das Ganze umso besser macht.
Neben dem grandiosen "Don't Let Me Be Misunderstood" (der für mich besten Version dieses Stücks) glänzen auch noch das himmlisch-schön melancholische "Do I Still Figure In Your Life" sowie der ewige Geheimtipp "Bye Bye Blackbird", den Cocker für das 1996 erschienene Album "Organic" noch einmal aufnahm. Es ist zwar sehr schade, dass die beiden damaligen Single-B-Seiten "Something's Coming On" und "The New Age Of Lily" hier nicht vertreten sind, aber gut, Audio Fidelity ist mit seiner Hybrid SACD-Serie ja dafür bekannt, die Alben in ihrer Originallänge zu veröffentlichen.
Wer Joe Cocker also erst aus der Zeit nach seiner Wiederauferstehung in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre kennt, der sollte hier unbedingt zuschlagen. Logischerweise hört sich diese Scheibe etwas anders an, aber wenn man wissen will, wo der Mann herkommt und warum der Rezensent mit Cockers letzten Platten nicht mehr allzu viel anfangen kann, findet hier die Antworten. Zu diesem Album (das 1969 erschien) gehören unbedingt auch noch der Nachfolger "Joe Cocker!" (1970) sowie der weitere Klassiker (und eine der besten Livescheiben der Historie) "Mad Dogs & Englishmen" (ebenfalls 1970).
Auch vom Sound her glänzt die Hybrid SACD des Labels Audio Fidelity wieder einmal und macht diese ganze Geschichte nochmal mehr zu einem einzigen Ohrenschmaus. Kaufen!
Line-up:
Joe Cocker (lead vocals)
Chris Stainton (bass, piano - #2-4,7, organ - #2,7)
Jimmy Page (guitars - #2,4,5,7,9)
Henry McCullough (guitars - #3,6,8,10)
David Cohen (guitar - #1)
Tony Visconti (rhythm guitar - #2)
Albert Lee (guitar - #4)
Carol Kaye (bass - #1)
Artie Butler (piano - #1)
Tommy Eyre (piano - #5, organ - #8,9)
Matthew Fisher (organ - #5)
Stevie Winwood (organ - #6,10)
Laudir (tumba & maracas - #1)
Paul Humphries (drums - #1)
Clem Cattini (drums - #2,4,7)
Mike Kellie (drums - #3,6,10)
B.J. Wilson (drums - #5,9)
Kenny (drums - #8)
Brenda Holloway (background vocals - #1)
Brenda's sister (background vocals - #1)
Merry Clayton (background vocals - #1)
Madeline Bell (background vocals - #2,6,9)
Sunny Hightower (background vocals - #2)
Rosetta Hightower (background vocals - #2,9)
Sue Wheetman (background vocals - #3,6,10)
Sunny Wheetman (background vocals - #3,6,9,10)
Tracklist
01:Feeling Alright
02:Bye Bye Blackbird
03:Change In Louise
04:Marjorine
05:Just Like A Woman
06:Do I Still Figure In Your Life?
07:Sandpaper Cadillac
08:Don't Let Me Be Misunderstood
09:With A Little Help From My Friends
10:I Shall Be Released
Externe Links: