"Peggy Suicide" ist keine vertonte Freundin-Trauerbewältigung des Walisers Julian Cope (Ex-Teardrop Explodes).
Das Thema, dem sich der 1957 geborene Musiker auf seiner 1991 erschienenen achten Platte widmet, hat (leider) auch heute nichts an Aktualität verloren: der Treibhauseffekt und die Umweltverschmutzung.
Cope hatte im Sommer 1990 eine Vision: Er sah Mutter Erde, der er den Namen 'Peggy Suicide' gab, in den Klauen der Menschheit, verletzt durch chemischen Müll und andere Schadstoffe. Gleißendes Licht brennt sich in Richtung Nordpol... das Ozonloch. Abstrahiert wird dieses Szenario auch auf dem Coverbild verdeutlicht.
Wie er in seinem selbst verfassten Eingangstext weiter erläutert, bekommt der klassisch mythische Begriff der 'Erleuchtung' der Seele einen sehr ironischen Beigeschmack.
Seine Vision war ein zweischneidiges Schwert, wunderschön und absurd.
"Peggy Suicide" erschien als Doppel-LP. Daher erkärt sich auch die in vier Phasen eingeteilte Tracklist. Wahrscheinlich würde Herr Cope, hätte er die Vision in unserer heutigen Zeit gehabt, gar nicht genug Platz auf einer CD gefunden und diese Platte wäre definitiv ein silberner Doppeldecker geworden.
Natürlich war vorliegendes Album nicht sein initialer musikalischer Gehversuch.
Cope hatte vorher schon einiges an Erfahrungen sammeln können. Erste Kontakte fanden mit Ian McCulloch, Pete Wylie sowie Stephen Spence in der Band Crucial Three statt. Eine Momentaufnahme, denn sie gehörte nach nur sehr kurzer Lebensdauer der Vergangenheit an. McCulloch wurde zu einem Echo & The Bunnymen. Ein weiteres Intermezzo war Mystery Girls mit Pete Burns, der später Mitglied bei Dead Or Alive wurde.
Aus der Cope-Gruppe A Shallow Madness wurde schließlich The Teardrop Explodes, die in den End-Siebzigerjahren und Anfang der Achtziger mit ihrem pyschedelischen Rock für Aufsehen sorgten. Damit war dann 1983 Schluss.
Julian Cope kann, auch ohne Teardrop Explodes, auf eine beachtenswerte Karriere zurückblicken und "Peggy Suicide" ist eines der Highlights daraus.
Textlich bekommen viele Leute einen Tritt in den Allerwertesten. Stellvertretend für die Politik ist es die damalige Premierministerin Margaret Thatcher, die in "Promised Land" ihr Fett abkriegt, die Auto-Bolliden-Fraktion ist es in "Easy Easy Rider" und Ausschreitungen bei Umwelt-Demonstrationen werden auch thematisiert ("Soldier Blue"). Ebenfalls wird der Drogen-Missbrauch von Cope angeprangert, obwohl in früheren Tagen selber davon abhängig und seine Erfahrungen beim Schwimmen mit einem Delphin in "Beautiful Love" umgesetzt, aber auch die Problematik der Müll-Lagerung ("Western Front 1992 C.E.") bilden einen riesigen Pool an Fragestellungen.
Bei der Konzentration auf ein Thema ist "Peggy Suicide" kein Konzept-Album.
Jeder Song kann auch ohne Probleme für sich stehen, womit wir bei der Musik wären.
Das differenzierte Netzwerk der Umwelt-Fragen bildet sozusagen die Vorlage für Copes Ausflüge in den Funk, Rock, Blues und Punk, oder man sollte besser, in Anbetracht der zeitlichen Einordnung von Post Punk sprechen. Auch Klang-Collagen oder Meditatives fehlen nicht auf dem Album.
Der Opener "Pristeen" ist eine melodiöse Ballade, die im Laufe der Spielzeit immer dramatischer wird.
"Double Vegetation" entpuppt sich als groovender Rock-Song und die fetzigen Gitarren, inklusive abgedrehtem Solo, dominieren den Track. Eine Nummer der Extraklasse.
Der Funk wird in "Easy Easy Rider" ausgepackt und "Promised Land" entwickelt sich zu einer psychedelischen Orgel-Parade und verzerrten 6-Saitern.
"Hanging Out & Hung Up On The Line" ist eines dieser Punk-Stücke mit Teardrop Explodes-Flair, allerdings viel besser. Stoisch runtergetrommelte Drums, heftige Riffs und ein hinreißend melodischer Refrain sind die Markenzeichen dieses Songs.
Alleine schon die breite Skala der 'Phase One' offenbart hochgradige Abwechslung und somit Hör-Vergnügen.
Durchhänger sucht man auf "Peggy Suicide" vergeblich.
Julian Cope präsentiert sich in seinen Kompositionen, zum Teil auch von Line-up-Musikern mitgeschrieben, einerseits minimalistisch, andererseits experimentierfreudig.
"Safesurfer" ist ein Gitarren-Gelage der Langsamkeit, bis sich die Nummer plötzlich in einen Pop-Song verwandelt. Auch hier bleibt er glaubwürdig. Immer natürlich an einer Cope-Messlatte ausgerichtet. Lieder geraten in die Reichweite von Kunstwerken.
Der Waliser hat hervorragende Musiker um sich versammelt. Gäste bereichern den Sound, ob es ein Cello hier, oder eine Trompete da ist und fast immer schwingt ein Stück Psychedelic mit.
Herrlich, wie man Stimmungen eingefangen hat und nicht selten bekommt der Hörer auch noch ein tolles Siebzigerjahre-Feeling um die Ohren gespielt, zum Beispiel in "Drive, She Said".
"Head" hat einen schönen Blues-Groove und das Bass-gepowerte "Leperskin" ist ein verdammt gutes Stück mit Fuzz- sowie Wah Wah-Gitarre. Und immer wieder dieser inflatiöse Drang zu sich festsetzenden Melodien.
Wär Julian Copes "Peggy Suicide" eine aktuelle Produktion, würde sie glatt eine Tipp-Grafik bekommen...
Line-up:
Julian Cope (electric 12-string guitars, acoustic 12-string guitars, vocals)
Domald Ross Skinner (bass, keyboards)
Rooster Cosby (drums, percussion)
J.D. Hassinger (electric drums, acoustic drums)
Featured Musicians:
Michael 'Moon-Eye' Watts (guitar - #3, dual-infinite guitar - #2,6)
Dan Levett (cello - #6)
Ron Fair (piano - #6)
Aaf Verkade (trumpet - #14)
G.S. Butterworth (moog - #14)
Double De Harrison (bass - #16)
The William Stukeley Quintet (strings - #16)
Wayland Smithy (reeds - #17)
Mike Joyce (drums - #7,8,18)
Lulu Chivers (backing vocals - #15)
Camilla Mayer (backing vocals - #15)
Edwina Vernon (backing vocals - #15)
Tracklist |
Phase One
01:Pristeen (4:41)
02:Double Vegetation (3:52)
03:Easy easy Rider (4:00)
04:Promised Land (3:39)
05:Hanging On & Hung Up On The Line (4:52)
Phase Two
06:Safesurfer (8:07)
07:If You Loved Me At All (5:01)
08:Drive, She Said (4:37)
Phase Three
09:Soldier Blue (4:48)
10:You... (1:49)
11:Not Raving But Drowning (4:17)
12:Head (2:21)
13:Leperskin (5:12)
Phase Four
14:Beautiful Love (3:13)
15:Western Front 1992 C.E. (2:02)
16:Hung Up & Hanging Out To Dry (4:47)
17:The American Lite (4:03)
18:Las Vegas Basement (4:50)
|
|
Externe Links:
|