Ry Cooder gehört zu den 'Universalgenies' der Rockmusik. Deshalb will ich hier auch einmal auf ausführlichere 'Liner Notes' verzichten. Wer bisher noch nichts von dem hervorragenden Slide-Gitarristen, Sound-Guru, gesuchten Session-Ass, Filmmusik-Komponisten, Weltmusik-Kollaborateur und vielfach ausgezeichneten Musiker gehört hat, mag sich bei den ausführlich im WWW und Printmedien vorhandenen Informationen bedienen.
Der kürzlich 60 Jahre alt gewordene Kalifornier hat sich selten damit begnügt, 'nur einfach Musik zu machen', meist stand dahinter ein Thema, ein Projekt der Zusammenarbeit mit anderen Künstlern (bekanntestes war mit dem Buena Vista Social Club) oder die kompetente Beschäftigung mit der Musikgeschichte seines großen Heimatlandes.
In seinem neuen Album "My Name Is Buddy" befasst er sich weitgehend mit der U.S.-Arbeiterbewegung und deren Stimmen. Als Hauptprotagonisten für seine Story hat er sich den Kater Buddy ausgewählt, den er vor einigen Jahren in einem Vancouver Plattenladen entdeckt hatte. Alles Gründe für einen katzenverrückten Folkmusik-Liebhaber und ausgesprochenen Slide-Fan, sich die Platte vorzunehmen.
Soweit zur Ankündigung und der zugegebenermaßen vorhandenen Vorfreude auf gute Gitarrenmusik. Doch Cooder hat schon wieder ganz was anderes ('another record') gemacht. Ein 'einfaches', leises und (fast) rein akustisches Album mit Songs im Stil der alten Folksänger wie Woodie Guthrie, Pete Seeger (einer der illustren Gäste), Hank Williams oder Leadbelly.
Hobo- und Gewerkschaftslieder, die klingen, als stammten sie direkt aus der 'Great Depression' und von den Camps der Wanderarbeiter. Abends am Feuer gesungen, in der Geborgenheit der Schicksalsgenossen und immer auf der Hut vor den Schlägern der Landbesitzer oder den korrupten Cops. Oder von den Hinterhöfen der trostlosen Städte, wo sich die Einwanderer an den Feuertonnen wärmten. Bilder aus "Dieses Land ist mein Land" ("Bound For Glory") oder von Charlie Chaplins frühen Filmen drängen ins Gedächtnis.
Das Album ist eigentlich ein Bilderbuch (hätte ich gern im Kalenderformat), das mit Musik zusätzlich illustriert ist. Oder eine Geschichte, die in Wort, feinen Zeichnungen und Songs erzählt wird. Buddy, der rote Kater, verlässt die heimatliche Farm, weil die keine Zukunft mehr hat und geht auf Walze. Unterwegs trifft er Lefty ("Pancho & Lefty" lassen grüssen …) die Maus - zwei Streuner die zusammen besser weiterkommen als allein. Einigkeit macht stark und Singen macht Mut, das lernen sie bei den streikenden Minenarbeitern. Reverend Tom Toad (alias Rev. Gary Davis?) ist der dritte Gefährte, der erzählt, wie der Ku Klux Klan den Rassenhass verbreitete und seine Leute von ihrem Land vertrieb. Sie sterben fast vor Angst in der Wüste, besaufen sich, werden als illegale Aufwiegler verhaftet und erkennen, dass der Klan heute ganz öffentlich agiert - als 'RepubliKlan' …
Was hat Cooder bewogen, gerade jetzt ein solches Projekt über vermeintlich längst vergangene Zeiten zu machen? Bei den üblichen Widmungen dankt er einer Juliette (Commagere?) »who understand that Buddy matters now more than ever« ...
Beim ersten Anhören hauen die sparsam instrumentierten Songs sicher nicht vom Hocker, zumal Cooders Gesang recht dünn ist. Allein werden sie wohl auch bei intensiveren Lausch-Sessions kaum die Endorphin-Ausschüttung massiv fördern. "My Name Is Buddy" ist ein Gesamtwerk aus seinen drei Komponenten und dann wirkt auch die Musik im Zusammenhang. Als Soundtrack für eine moderne All American-Fabel, die Cooder mit leichter Hand als akustisches Road-Movie inszeniert.
Es lohnt sich jedoch, der Musik zuzuhören. Die großen Namen in Line-up sind keineswegs schmückendes Beiwerk, sondern machen die Songs zu interessanten Stücken, die nur oberflächlich 'einfach' sind. Sie werden vom fröhlichen, irisch inspirierten Opener "Suitcase In My Hand" (mit Paddy Moloney, Flöte und Dudelsack) über groovigen Country Blues ("Sundown Town" mit Terry Evans und Bobby King, vocals), assoziativen und Bar Jazz-Tunes ("Green Dog") flotten Tex-Mex-Rhythmen ( Flaco Jimenez am Akkordeon) und coolen Ambient-Sounds ( Jon Hassel an der Trompete in "One Cat, One Vote, One Beer") zum Ende hin komplexer, auch sperriger und steigern sich mit dem wunderbar anrührenden Traditional "There's A Bright Side Somewhere" zum 'All Star-Finale'. Kein einfacher Stoff, vor allem kein schnell eingängiger. Aber zweifelsohne guter, der auch bei mir sicher noch nicht seine ganze Wirkung entfaltet hat. Cooders Songs atmen den Geist der alten Folkies, Countrymen und Blueser, sind jedoch aktuell in Wort und Musik. Der Klang ist natürlich makellos, der Rauch seines Lagerfeuers strebt schnurstracks himmelwärts. Aber kaum Slide. Leider.
Weitere Gäste: René Comacho (bass), Joachim Cooder (drums, keyboards, percussion), Van Dyke Parks (piano), Mike Seeger (fiddle, harmonica), Roland White (mandolin), Mike Elizondo (bass), Jim Keltner (drums), Juliette Commagere (vocals), Jacky Terrasson (piano), Stefan Harris (vibes, marimba). Cooder ist an diversen Saiteninstrumenten und an (nur sehr sparsam eingesetzten) Keyboards zu hören.
Musik für Freunde der amerikanischen Folksänger der Sechziger Jahre. Für Leute, die wissen wollen, wie ein Kenner vom Kaliber eines Ry Cooder dieses Erbe aktuell interpretiert, ohne tonnenweise roten Dreck drüberzuschütten oder mit gezwungener Fröhlichkeit übertüncht, wie's um dieses Land wirklich steht. Politische Songs ohne »Impeach the president«-Agitation, subtil, intelligent und kompetent gemacht. Und für alte Cooder-Fans, die wohl jetzt seine ersten beiden Alben herausholen und nicht nur dabei durchaus Bekanntes entdecken.
Tracklist |
01:Suitcase In My Hand
02:Cat And Mouse
03:Strike!
04:J. Edgar
05:Footprints In The Snow
06:Sundown Town
07:Green Dog
08:The Dying Truck Driver
09:Christmas In Southgate
10:Hank Williams
11:Red Cat
12:Three Chords And The Truth
13:My Name Is Buddy
14:One Cat, One Vote, One Beer
15:Cardboard Avenue
16:Farmgirl
17:There's A Bright Side Somewhere
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