Vier Buchstaben braucht es, und wir wissen, wo wir diesen Sam Coulson hinstecken müssen: Asia! Dort füllt der Engländer keine kleineren Fußstapfen als die von Steve Howe aus, seitdem dieser Anfang 2013 ausgestiegen war und damit dem wiedervereinten Original-Line-up wohl ein für alle Mal ein Ende bereitet hat. Sam Coulson ist Jahrgang 1987 und damit der Jungspund in dieser 'Super Group', in der alle anderen super bekannt sind, aber Sam Coulson zumindest auch super talentiert. Seit Jahren machte er als 'Selbstdarsteller' im Netz auf sich aufmerksam. Das blieb einem gewissen Paul Gilbert nicht verborgen, mit dem er später zusammen jammte und den er inzwischen zu seinen Freunden zählt. Durch Gilberts Empfehlung bekam Sam Coulson schließlich auch den Job bei Asia ...
... der ihn nicht ausfüllt - und zwar im positiven Sinne. Denn so entstand dieses erste Solowerk Sam Coulsons, auf dem der Klassik-Fan und Gitarrensammler, wie er sagt, zehn seiner liebsten klassischen Stücke auf ein paar seiner liebsten Stratocasters interpretiert. Außer ihm selbst spielt hier niemand, dafür schon mal zwei 'Coulsons' zur gleichen Zeit, wie im ersten Stück "Ave Maria". Er greift hier die Version des französischen Romantikers Charles Gounod auf, die 'Méditation sur le 1er prélude de Bach'. Heißt: Auch Sam Coulson nimmt sich Bachs weltberühmte Präludien aus dem 'Wohltemperierten Klavier' quasi als Unterlage. Und während die clean gespielten Arpeggien Takt um Takt ihre Harmonien aufdehnen und wieder entspannen, spielt er darüber seine Melodie so butterweich, als würde er die Gitarre wie eine Geige mit dem Bogen streichen. Ganz großes Gefühl, alle Achtung.
Sam Coulson hat noch mehr Bach zu bieten und nutzt bei "BWV 1007 Prelude" den leichten Hall der elekrischen Gitarre, um einen Hauch mehr Agogik zu wagen, als bei den meisten Klavierinterpretationen üblich. Das sehr bekannte "BWV Anh 114" (eine schnelle YouTube-Suche dürfte das Attribut 'bekannt' bestätigen) deutet er sogar komplett um und präsentiert statt des dynamischen Menuetts eine introvertierte und gedankenversunkene Studie. Weniger berühmt als Bach sind sicherlich die Komponisten Fernando Sor, Francisco Tárrega und Antonio Lauro, die sich Sam Coulson als Notengeber wählt. Interessant ist, dass hier die Originale auch bereits für Gitarre geschrieben wurden. Und wieder taktet er sie runter, wie beim meist deutlich schneller gespielten "Vals Venezolano No. 2" von Antonio Lauro. Sam Coulson mag es sinnlich.
Dazu passt dann auch der Ausklang dieses Albums, seine Version von "Romance" - Ursprung unbekannt; das Thema ist aber wieder eines dieser sehr berühmten, das auch in der Welt der Populärmusik gern benutzt wird. Diese Balance zwischen klassischen 'Ohrwürmern' und Schätzen jenseits des Mainstreams hält Sam Coulson wirklich gut. Und sein Highlight ist etwas außerordentlich Berühmtes in einer außerordentlich vom Original abweichenden Variation: Aus Beethovens Mondscheinsonate macht Sam Coulson den "Moonlight Sonata Blues" und singt sein Klagelied, wie der Name es schon andeutet, in bester Blues Rock-Manier. Das passt schon alles zusammen; denn sind viele der anderen Stücke mit ihrem elegischen Ausdruck nicht auch so etwas wie der 'Blues vergangener Jahrhunderte'?
Nur gut 24 Minuten dauert Sam Coulsons Debüt-Solowerk, das ist natürlich nicht viel Spielzeit. Und man sollte "Electric Classical" tunlichst nicht einfach so dem Kumpel zum Geburtstag schenken, nur weil der möglicherweise Asia mag. Nein, dieses Album ist nur etwas für neoklassische Gitarren-Nerds, die sich Sachen wie Yngwie Malmsteens "Concerto Suite For Electric Guitar And Orchestra in E Flat Minor, Opus 1" ins Regal stellen. Oder aber für Liebhaber der klassischen Gitarre, die offen für elektrische Verstärkung sind. Keine 'Sorge' - gerockt wird hier nicht. Nur gebluest ... im Stile der Jahrhunderte.
Line-up:
Sam Coulson (all guitars)
Tracklist |
01:Ave Maria (2:42)
02:BWV 1007 Prelude (2:33)
03:Op. 35 No. 22 (1:54)
04:Recuerdos De La Alhambra (3:09)
05:Vals Venezolano No. 2 (1:48)
06:Op. 6 No. 11 (4:39)
07:Moonlight Sonata Blues (3:03)
08:BWV Anh 114 (1:07)
09:Op. 35 No. 17 (1:21)
10:Romance (1:47)
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Externe Links:
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