Victor Camozzi ist ein texanischer Singer/Songwriter bzw. Americana-Artist, der seine Album-Karriere - genau wie seine größten Einflüsse Guy Clark und Kris Kristofferson - erst startete, als er bereits über dreißig Jahre alt war. 2008 erschien sein Debüt "3 Peso Cigar" und im letzten Jahr legte er sein Zweitwerk, das hier vorliegende "Roadside Paradise" vor. An seiner Seite hatte er dafür lediglich zwei weitere Personen. Zum einen Matt Downs, der bis auf eine Gitarrenspur nicht nur alle Instrumente eingespielt hat, sondern gleichzeitig auch noch als Produzent fungierte und zum zweiten Danny Wilde, die Camozzi im Booklet als »...einzige Person auf diesem Album mit einer schönen Stimme...« würdigt.
Die Musik des Amerikaners verfügt über die besondere Qualität, dass sie dem Hörer umgehend bekannt, verwandt, ja gar vertraut erscheint. Bereits wenn der erdige Sound des Openers "Conversation Hearts" erklingt und Camozzi mit seiner halbdunklen Stimme die ersten Zeilen zum Besten gibt, entsteht ein angenehmes Gefühl und die Gewissheit, hier eine gute dreiviertel Stunde lang mit spannenden Geschichten und guten Tracks bedacht zu werden.
Üblicherweise ist es ja selten eine gute Idee, alle Instrumente von derselben Person einspielen zu lassen. Matt Downs muss allerdings mal ein großes Kompliment gemacht werden, denn auch wenn sich die ein oder andere Schlagzeug-Spur (wie zum Beispiel bei "Marlboro Morning") mal gesampelt anhört, so ist das Gesamtergebnis doch sehr homogen, sehr warm, schlüssig und richtig gut ausgefallen. Camozzi selbst beschränkt sich fast ausschließlich auf den Gesang. Zwar ist sein Tonumfang dabei nicht gerade sensationell, um es mal gelinde auszudrücken, aber das muß er für die insgesamt dreizehn vorgelegten Tracks auch gar nicht sein.
Ein sehr guter Geschichtenerzähler ist er, dem man auch immer wieder gerne zuhört. In den Texten behandelt er meistens den ganz normalen Wahnsinn des Alltags im amerikanischen Süden, Erinnerungen an seine Jugend und Wanderleben, während dessen er meistens morgens noch nicht wusste, wo er die Kohle fürs Frühstück, geschweige denn Abendessen herbekommen sollte. Auch die eher dunklen Jahre seines Lebens spart er nicht aus, wie etwa in "Marlboro Morning" (»...well, it's a Marlboro morning, whiskey afternoon, take a walk past Cedar's Place, the bar will open soon...«).
Doch selbst in den bittersten Lebenskrisen kann der Protagonist noch das Licht am Ende des Tunnels sehen, unter anderem schön dargestellt in dem Stück "Happy New Years, Baby". Auch zum Glauben scheint der knapp Vierzigjährige mittlerweile gefunden zu haben, wenn man den Text von "John" autobiographisch verstehen darf. Aber genau dieses Spektrum zwischen Licht und Schatten ist es auch, das die Spannung durchgehend aufrecht erhält. Und das alles - ich wiederhole mich gerne - in einem warmen, erdigen Americana-Sound mit vielen Ecken und Kanten verpackt.
Laut dem Promoter arbeitet Victor Camozzi zur bereits an seinem dritten Album, das mit ein bisschen Glück somit bereits im laufenden Jahr erscheinen könnte. Sogar Gerüchte um eine Europatour machten die Runde. Auf den Wahrheitsgehalt dieser angesprochen, antwortet der etwas kauzige Texaner: »Kommt drauf an...« Und worauf es denn ankäme? »Kommt auch wieder drauf an...« Hm, nix wissen tut man also bisher noch gar nicht. Bleibt die Hoffnung, dass im Zuge der nächsten Scheibe vielleicht etwas zu Stande kommt.
Für den Moment kann ich für "Roadside Paradise" auf jeden Fall eine gepflegte Empfehlung aussprechen. Dreizehn Songs, die zwar höchstwahrscheinlich keine großen Preise einfahren werden, dafür aber sehr gut sind und die man immer wieder gerne hört. Unbedingt mal anchecken!
Line-up:
Victor Camozzi (lead & background vocals, rhythm guitar - #7)
Matt Downs (all instruments)
Danny Wilde (background vocals)
Tracklist |
01:Conversation Hearts
02:Marlboro Morning
03:Ventura Honey
04:The Mercy
05:Somehow Now
06:Roadside Paradise
07:The Homecoming Waltz
08:A Lifetime In One Nighttime
09:Faith Finds You
10:Big Sierra
11:Some Things Don't Change
12:John
13:Happy New Years, Baby
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