Selbstverständlich ist Bob Dylan auch heute immer noch ein großer Name und die Bedeutung des Mannes aus Hibbing, Minnesota ist allgemein bekannt. Was man sich heute aber gar nicht mehr vorstellen kann ist, welch wahnsinnige Wirkung dieser Musiker mit seinen Songs in den sechziger Jahren hatte. Das Ausmaß seiner Tracks auf den damaligen Zeitgeist, ganz speziell in lyrischer Hinsicht, war dermaßen bahnbrechend, dass seinerzeit so ziemlich jede (zumindest amerikanische) Band, die auch nur ein kleines Stückchen auf sich hielt, mindestens einen seiner Tracks im Repertoire hatte. Und das betrifft nicht nur unbekannte oder Coverbands, auch sämtliche damals schon große Namen waren schwer beeindruckt und übernahmen nicht gerade selten Material von 'His Bobness'.
Keine Frage, jeder kennt die Nummer "Blowin' In The Wind" und die darin festgehaltene Grundaussage, aber sonst? Außer den Fans des Mannes und Leuten, die sich aus irgendwelchen anderen Gründen intensiver mit ihm beschäftigt haben, wird es dann schon eng. Und selbst wer sich zunächst mal ein bisschen in die Stücke rein liest, wird bei vielen Texten am Ende in etwa genauso schlau sein, wie er es davor war. Denn Dylan hatte sehr oft auch kryptische, verschlüsselte und wirklich nicht gerade leicht zu verstehende Titel am Start. Ein Umstand, der sein Werk ganz sicher auch wesentlich interessanter machte und ihm den Status des großartigen Lyrikers einbrachte, den er sich bereits seit vielen Jahrzehnten auf die Fahnen schreiben darf.
Die beiden französischen Autoren Philippe Margotin und Jean-Michel Guesdon hatten sich vor einigen Jahren zur Aufgabe gemacht, diesbezüglich etwas mehr Licht ins Dunkel zu bringen. Und was dabei herausgekommen ist, ist das vorliegende Werk, ein wahres Ungetüm voller Informationen, über siebenhundert Seiten dick und eine wahre Bibel, wenn es um das Schaffen Bob Dylans geht. So haben die beiden jedes einzelne (reguläre) Studioalbum bezüglich seiner Vorgeschichte, den Aufnahmen selbst und den Geschichten hinter den Tracks auseinander genommen. Und das (fast) Song für Song.
Die Songtexte an sich sind nicht abgedruckt, dafür wird detailgetreu jeder beteiligte Musiker zu jeder einzelnen Nummer gelistet, das jeweilige Aufnahmestudio, es gibt die Hintergrundgeschichten zum Entstehen der Lyrics und selbst die darin enthaltenen Anspielungen sowie verschlüsselten Aussagen werden hier nach bestem Wissen und Gewissen aufgeführt. Selbstverständlich können sich die Autoren dabei nicht auf Absolutheit stützen, beeindruckend ist aber die akribische Arbeit mit viel Liebe zum Detail, die hier geleistet wurde. Diese Geschichte geht allerdings sogar noch weiter, denn neben den bereits erwähnten Punkten wird meist sogar noch auf den Produzenten, den Toningenieur und (manchmal) die verwendeten Instrumente eingegangen.
Die jeweiligen Singles zu den Alben werden angegeben und sogar die Outtakes aufgeführt, die dann oft mit derselben Genauigkeit unter die Lupe genommen, wie die Albumtracks. Wer sich also mal pfadfinderisch auf den Weg machen möchte um herauszufinden, wer mit der besungenen Lady in "Like A Rollin' Stone" aller Wahrscheinlichkeit nach gemeint war, was eigentlich hinter dem Song "Hurricane" steckt oder die (etwas gruselige) Geschichte hinter "The Ballad Of Frankie Lee And Judas Priest" erkunden will, der ist hier aber so was von genau richtig, dass es kracht. Ein wahres Schmuckstück, ein Wissensbrunnen, der dazu einen ziemlich tiefen Einblick in den Menschen Robert Zimmerman vermittelt.
Als Fazit darf ich also noch einmal festhalten, dass wir es hier mit einer weiteren echten Dylan-Bibel zu tun haben, die unwahrscheinlich viele interessante, spannende und wahnsinnig unterhaltsame Lesestunden beschert. Und wenn man dann auch noch das jeweils dazugehörende Album auf dem Plattenspieler oder in der CD-Anlage hat, macht das Ganze nicht nur umso mehr Spaß, sondern es gehen einem oft sogar gleich mehrere Lichter auf. Einige der Tracks bekommen plötzlich eine vollkommen andere Bedeutung als die, die man immer für sich selbst eruiert hatte, bei manchen fühlt man sich in seiner Eigenanalyse bestätigt.
Ein prächtiges Buch, das zwar seinen stolzen Preis hat, dafür aber auch jede Menge zurück gibt. Prädikat: Unbedingt empfehlenswert!
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