Es gibt eine Handvoll exzellente, viele sehr gute und einige wenige Dylan-Alben, die dem Bob-Standard nicht ganz gerecht werden. Unbestritten dürfte sein, dass ihm im Jahr 1997 mit "Time Out Of Mind" ein spätes Meisterwerk und einer der Meilensteine seiner Karriere geglückt war.
Das fünf Jahre später erschienene "Love And Theft" war ebenfalls stark, konnte seinem Vorgänger aber weder bzgl. der Songs, vor allem aber von dessen Vollkommenheit, der Stimmigkeit von Musik, Text und Atmosphäre das Wasser reichen. Was also darf man von einem Mittsechziger, der sein geniales Alterswerk bereits abgeliefert hat, noch erwarten?
Erstmal gar nichts, denn Bob Dylan braucht schon lange nichts mehr zu beweisen. Dennoch geht immer ein Raunen umher, sobald die Nachricht über ein neues Album durch die Medienlandschaft zieht. Wobei wir direkt beim Übergang zum neuen Werk "Modern Times" angelangt wären.
"Thunder On The Mountain" fließt erst mal als astreiner Rock'n'Roll Song im Stil der Endfünfziger/Frühsechziger-Jahre durch die Boxen. Dylan ist in zeitrelativ guter stimmlicher Verfassung, und die Band rockt sich in einem angenehmen, sehr warmen Sound durch die kurzweiligen, aber ganz Dylan-Style
mit vielen Strophen versehenen, Minuten. Nicht spektakulär, eher gesetzt, aber sehr atmosphärisch, mit Ecken und Kanten versehen. Erinnert mich musikalisch fast an sein Album "Highway 61 Revisited".
"Spirit On The Water" führt uns dann zeitlich sogar noch weiter zurück, nämlich mitten in die 50er. Balsam auf der Seele ist erneut der Sound, der, wie auch auf dem Rest von "Modern Times" sehr organisch und warm ist und gänzlich ohne Computer-Unterstützung auskommt. So was gibt's also auch noch. Hauptgrund dürfte wohl sein, dass Dylan das Album von seiner Tour-Band einspielen ließ. Die Jungs kennen sich mittlerweile aus dem Effeff und harmonieren blind.
Bei mehr als nur einem Song hat man das Gefühl, als würde man sich in einem Swing-Club im Amerika des Jahres 1957 befinden, Dylan im Anzug (und eventueller Rose im Knopfloch) auf der Bühne, wo er von einer höllisch groovenden Band unterstützt wird. Überhaupt habe ich das Gefühl, dass uns der gute Bob mit diesem Album auf eine Zeitreise mitnehmen will.
"Rollin' And Tumblin'" (ursprünglich geschrieben von Muddy Waters) unterscheidet sich vom Songwriting und der Gesangsmelodie kaum von der Canned Heat-Version aus den 60er Jahren. Trotzdem ist als alleiniger Komponist Bob Dylan genannt, was mich dann doch etwas irritiert. Sicherlich hat Mr. Zimmermann seinen eigenen Text verfasst, aber davon abgesehen ist das Stück an sich ja doch schon mal da gewesen.
Auch "When The Deal Goes Down" und "Someday Baby" bewegen sich in dem beschriebenen Stil der 50er und 60er Jahre (einer Mischung aus Rock'n'Roll, Blues und Country), bevor man bei "Workingman's Blues" das erste Mal das Gefühl hat, soundmäßig in der Gegenwart angekommen zu sein. Nicht deshalb, sondern rein wegen des Tracks an sich handelt es sich hier um meinen persönlichen Favoriten auf "Modern Times". Bei "Ain't Talkin'" wird man zum Abschluss dann noch einmal wohlig an die Mittsiebziger und das Album "Desire" erinnert, wenn sich eine Violine zu den übrigen Instrumenten gesellt.
Sehr relaxt klingt das Album. Was Dylan bezüglich des Sounds schon bei "Time Out Of Mind" und "Love And Theft" anklingen ließ, zieht er hier konsequent durch. Aber noch mehr als bei den genannten Vorgänger-Alben kann man sich bei "Modern Times" entspannt zurücklehnen und zum Beispiel "Beyond The Horizon" mit schöner Pedal-Steel Gitarre im Background genießen.
Fazit: Ein angenehmes, sehr warmes Album, das zwar "Time Out Of Mind" nicht erreicht, aber geschlossener, einheitlicher und wärmer als "Love And Theft" wirkt. Zumindest geht es mir im Moment so. Der Zahn der Zeit wird zeigen, welchen Stellenwert "Modern Times" im Gesamtkatalog Dylans einnehmen wird.
Aus jetziger Sicht prognostiziere ich mal, dass es kein Meilenstein wird.
Dennoch ist es ein sehr gutes Album geworden, das den Meister, zumindest an der Oberfläche, erscheinen lässt, als ob er mit sich selbst ins Reine gekommen ist. Es sei ihm durchaus gegönnt.
Line-up:
Bob Dylan (Vocals, Guitars)
Tony Garnier (Bass, Cello)
George G. Receli (Drums and Percussion)
Stu Kimball: (Guitars)
Danny Freeman: (Guitars)
Donnie Herron: (Steel Guitar, Violin, Viola, Mandolin)
Tracklist |
01:Thunder On The Mountain
02:Spirit On The Water
03:Rollin' And Tumblin'
04:When The Deal Goes Down
05:Someday Baby
06:Workingman's Blues
07:Beyond The Horizon
08:Nettie Moore
09:The Levee's Gonna Break
10:Ain't Talkin'
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