Greil Marcus über Bob Dylan / Schriften 1968 - 2010
Greil Marcus über Bob Dylan - Schriften 1968 - 2010 Titel der Originalausgabe: Bob Dylan by Greil Marcus - Writings 1968 - 2010
Deutsch von Fritz Schneider (und Gastbeiträgen, wenn vermerkt)
Verlag: Edel Germany GmbH, 2013
640 Seiten, gebunden
Medium: Buch
ISBN: 978-3-8419-0137-8
Preis: € 29,95

Buchbesprechung vom 16.09.2014


Markus Kerren
Der in San Francisco geborene amerikanische Autor, Rock-Journalist und Kulturkritiker Greil Marcus darf sich des weltweiten Rufs erfreuen, einer der besten seiner Garde zu sein. Unter anderem gilt sein original im Jahr 1975 erschienenes Buch "Mystery Train", (in dem er der Rockmusik - vor allem im alltäglichen Leben - einen wesentlich höheren kulturellen Stellenwert attestiert, als dies gemeinhin getan wird) bereits heute als Klassiker.
Eine sehr große Rolle in Marcus' Schaffen nahm schon immer Bob Dylan ein, den er in sehr jungen Jahren (in den frühen Sechzigern) nach dessen Auftritt hinter der Bühne des Newport Folk Festivals treffen durfte. In dem vorliegenden Buch befinden sich von dem Autor selbst ausgewählte (teilweise nachträglich gekürzte) Texte, die er in einem Zeitraum von über vierzig Jahren in verschiedenen Medien bzw. Zeitschriften veröffentlicht hat. Wirklich beginnen tut das Ganze mit seinem geradezu vernichtenden Review über die Dylan-Scheibe "Self Portrait" (1970), die den Protagonisten damals mit einer Mischung aus Wut und Fassungslosigkeit zurückließ.
Sehr deutlich wird, dass Marcus geradezu fasziniert von dem Musiker Dylan und dessen Werk war und ist, sich sehr eindringlich mit den Alben, aber auch den Texten beschäftigt hat. Was ihn aber nie davon abhielt, auch immer wieder ganz scharfe Kritik zu äußern. Herausgehoben werden natürlich die Frühphase, die generationenprägenden Jahre der Alben "Bringing It All Back Home" (aka "Subterranean Homesick Blues"), "Highway 61 Revisited" und "Blonde On Blonde", die ganz starke Phase Mitte der Siebziger (mit den Alben "Blood On The Tracks" und "Desire") oder das grandiose Comeback "Time Out Of Mind" aus dem Jahr 1997.
Sehr hart ins Gericht geht er dagegen (aus sehr gut argumentierten und dadurch auch nachvollziehbaren Gründen) hinsichtlich Dylans sogenannter christlicher Alben (von "Slow Train Coming" über "Saved" bis "Shot Of Love") und dessen vollkommener Orientierungslosigkeit in den Achtzigern. Und ja, Greil Marcus kann wirklich schreiben! Nicht nur sind seine Ansatzpunkte zu bestimmten Platten und Songs höchstinteressant, auch die Deutung einzelner Songs (mit all ihren, dem gemeinen Zuhörer oft verschlossenen, Hintergründen) sind sehr spannend zu lesen sowie echte Augenöffner. Das ist Musikjournalismus auf allerhöchstem Niveau.
Nun sollte man aber nicht den Fehler machen, hier ein Buch zu erwarten, das so ziemlich jeden Song Dylans auseinander nimmt und seziert. Weit gefehlt, auch wird bei Weitem nicht jedes Album besprochen. Vielmehr wird sich hier auf ein paar wenige konzentriert, die in der langen Karriere des zu besprechenden Musikers (entweder nach oben oder nach unten) ausgebrochen sind. Und auch hier wird lediglich ein (intensiver) Blick auf die Gesamtheit geworfen. Falls sich dies nun oberflächlich anlesen sollte: Ist es nicht, ganz und gar nicht, denn Greil Marcus hat die Gabe, in einem relativ kurzen Text so viele Wahrheiten und Details zu vereinen, dass man immer wieder verblüfft ist. Viel wichtiger ist es dem Autor, auch historische und persönliche Dinge aus dem direkten Umfeld Dylans mit ins Bild zu bringen.
In etwa 75 bis 80 % des 640 Seiten starken Teils beschäftigen sich direkt mit Bob Dylan und dessen Songs, aber speziell in der zweiten Hälfte des Buches tauchen auch immer wieder andere Themen auf, die zwar nicht unbedingt hätten sein müssen, für sich selbst dann aber auch wieder zu etwa 85 Prozent lesenswert und teilweise gar sehr interessant sind. Letzten Endes kann "Greil Marcus über Bob Dylan - Schriften 1968 - 2010" also durchaus empfohlen werden, selbst wenn es in allererster Linie für Dylan-Fans interessant sein dürfte. Allen, die 'his Bobness' nicht so zugetan sind, würde ich dagegen unbedingt das bereits erwähnte "Mystery Train" ans Herz legen.
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