Man hat bei Prog-Bands aus Kanada manchmal so einen automatischen Drang, hinzuhören. Beim D Project, die im frankophonen Québec zu Hause, aber (größteneils) in englischer Sprache unterwegs sind, lohnt es sich, dem Drang nachzugeben! Schon der Blick auf die Mitstreiter des Trios Desbiens/ Gosselin/ Gosselin weckt Vorfreude. Unter den Gästen sind Bass-Ass Tony Levin, Quidam-Sänger Bartek Kossowicz und Pianast & Keyboarder Lalle Larsson, den manch Progger von Karmakanic kennt. Außerdem sind Geigen, ein Cello und ein Saxofon am Start - und diese Instrumente kommen auf den 51 Minuten von "Big Face" auch sehr gekonnt zum Einsatz!
Es ist so eine 'Art' Neo Prog, aber spannender als viele Kandidaten dieses Genres - und so eine Art Psychedelic Rock, aber härter rockend. Nemo aus Frankreich oder Galleon aus Schweden kommen einem in den Sinn, wenn sich melancholische Atmosphären ausbreiten und sich daraus doch zielstrebig rockige, Riff-lastige Drives entwickeln. Irgendwo zwischen RPWL - in den psychedelischeren Gefilden - und Arena - in den härteren, E-Gitarren-lastigen Passagen, könnte man auch sagen. Und die souligen, weiblichen Backing Vocals sowie das Saxofon als Soloinstrument lassen schon beim klasse Opener "They" den Gedanken zu: Hey, das hat viel von Pink Floyd, nur heavier!
Der Gesang Stéphane Desbiens' verstärkt diesen Eindruck noch, denn der hat dieses gewisse Timbre, diese eigentlich in sich widersprüchliche eindringliche Zartheit, die tatsächlich etwas an David Gilmour erinnert. Mit am Besten nachzuempfinden auch beim kompakten "Don't Tell The Kids" mit seiner intensiven und irgendwie hypnotisierenden, melancholischen Atmosphäre. Das Stück hätte auch prima auf "The Division Bell" gepasst! Desbiens kann aber auch ganz anders, zum Beispiel beim straighten Rocker "So Low", wo ein etwas raueres Shouten angesagt ist. Solch knappe Stücke bleiben auf "Big Face" aber die Ausnahme.
Am Liebsten verlustieren sich die Kanadier gekonnt mit etwas längeren Stücken, zwischen fünf und zehn Minuten lang, die mittelprächtig kompliziert, dabei noch halbwegs eingängig und hochgradig interessant rüberkommen. "Anger I & II" (hat was von den ganz alten Gabriel- Genesis!), das Titelstück "Big Face" oder das bereits gelobte "They" sind allesamt atmosphärische Meisterstückchen. Das Pendel schlägt hin und her zwischen zerbrechlicher Klage-Ballade und expressivem Ausdruck, unter anderem gestützt von diesem kleinen, aber extrem feinen, souligen Background-Chor.
Die Musik des D Project lebt von ihren vielen Unterschieden auf engem Raum. Das sorgt für Überraschungseffekte und im Falle von "Macondo" auch für einen ausgesprochen experimentellen Mix aus hochspannenden Hardrock-Riffs, böse verzerrtem Sprechgesang und bombastischem Gospel-Chor. Der singt im Refrain drei Mal 'Macondo' und klingt dabei plötzlich arg nach "With A Little Help From My Friends" in der Cocker-Version. Seltsame Mischung - wirklich seltsam. Aber interessant ... und bisweilen imposant. Fällt auf und hinterlässt Eindruck im Ohr!
Für ein paar schöne Details sorgen überdies Violinen und Cello, entweder sanft oder, ganz im Gegenteil, Psychothriller-mäßig angespitzt im aufgewühlten, packenden "Anger III". Und noch ein Stück vielschichter machen die D Project-Arbeiter ihre Platte, indem sie bei mehreren Nummern die Lead Vocals in gute, fremde Hände geben. Jack Lavoie singt anklagend-aggressiv bei "Macondo", Quidam-Stimme Bartek Kossowicz sehr einfühlsam auf dem Titeltrack. Und hintenraus gibt es doch noch ein französischsprachiges Stück, "Poussière De Lumière" mit Claire Vézina, mit ganz viel Ausdruck zu minimaler Begleitung, ein Hauch Chanson, aber mit einem aufregenden, proggigen Instrumentalpart als Abschluss.
Unterm Strich steht eine stilistisch schwer zu beschreibende Scheibe ('Heavy Symphonic Psychedelic Neo Prog'?) mit spannendem Songwriting und ansprechenden Instrumentalparts - und mit klarer Aussage in den Texten: Man prangert das an, was die Menschen mit der Menschheit und der Welt anstellen. Es geht um gaunerhafte Bänkler und Lügen für die Massen ("Anger"), um korrupte Politiker ("Big Face") und Mensch-gemachten Umwelt-Wahnsinn wie bei der Ölkatastrophe im Golf von Mexiko ("Macondo"). Und immer schön dran denken ... 'Don't Tell The Kids'!
»Don't tell the kids / What we have done
Show what is left / Hide what is gone [...]
Let's all pretend / We didn't know
Go hide the dead / And fill up the hole«
Line-up:
Stéphane Desbiens (guitars, keyboards, lead vocals)
Mathieu Gosselin (bass, Chapman stick, double bass)
Jean Gosselin (drums)
With:
Sandra Poulin, William Foy (violins)
Myriam Boutin (cello)
Isabelle Renaud,Claire Vézina,Francis Foy (backing vocals)
Guest musicians:
Tony Levin (bass - #1)
Bartek Kossowicz (lead vocals - #4)
Claire Vézina (lead vocals - #9)
Lalle Larsson (keyboard solo - #9)
Jack Lavoie (lead vocals - #7)
Giovany Arteaga (saxophone - #1,8)
Tracklist |
01:They (8:46)
02:So Low (3:40)
03:Anger I & II (9:19)
04:Big Face (7:47)
05:Anger III (2:34)
06:Don't Tell The Kids (3:39)
07:Macondo (5:15)
08:Conspiracy (5:36)
09:Poussière De Lumière (4:25)
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