Den Londoner Dave Davies - der zugegebenermaßen immer etwas im Schatten seines großen Bruders Ray stand - lediglich auf die Rolle des Lead-Gitarristen der Kinks zu reduzieren, wäre eine himmelschreiende Ungerechtigkeit. Denn nicht nur kreierte er bereits Mitte der sechziger Jahre einen Gitarrensound, der später viele Heavy Metal-, Hard Rock- und Punk-Bands beeinflussen sollte, sondern darüber hinaus war er auch solo unterwegs. Und es wird wohl kaum einen Musikfan geben, der seine erste Single unter eigenem Namen, das im Juli 1967 veröffentlichte "Death Of A Clown", nicht kennt.
Sein erstes eigenes Album (dem noch weitere vier Studioproduktionen - zuletzt "Fractured Mindz" aus dem Jahr 2007 - folgen sollten) erschien dagegen erst 1980. Nun liegt mir das sechste Werk mit dem schönen Namen "I Will Be Me" vor, für das sich der Engländer jede Menge Gäste ins Studio eingeladen hatte. Von seinem gehassliebten Bruder Ray oder anderen Kinks-Mitgliedern (die Band liegt bereits seit 1996 auf Eis, wurde jedoch bis zum heutigen Tag nicht aufgelöst) fehlt zwar erwartungsgemäß jede Spur, aber dafür arbeitete Davies neben weiteren Studiomusikern mit sieben unterschiedlichen Bands (jeweils für einen Track und unten bei den Angaben zum Line-up ersichtlich) zusammen.
Nun gut, "I Will Be Me" ist zwar kein wirklicher Überflieger geworden, kann aber dennoch mit einer guten Handvoll richtig starker Tracks punkten. Der erste Höhepunkt ist "The Healing Boy", das eher getragen, dafür aber mit einer richtig tollen Violine von Yura Zeleznik daher kommt. Klasse Songwriting und sehr emotionaler Gesang runden das Bild ab. Apropos Gesang: Der scheint manchmal auf der Platte etwas bemüht, wobei schwer zu sagen ist, ob dies am Alter des mittlerweile 66-Jährigen oder doch an den Nachwirkungen seines im Jahr 2004 erlittenen Schlaganfalls liegt.
Das direkt folgende "Midnight In L.A." ist ebenfalls sehr gelungen. Auch hier überzeugt wieder Davies' feines Gespür für gutes Songwriting. Da sind tolle Harmonien im Spiel und die Nummer würde (wenn man den etwas brüchigen Gesang mal außen vor lässt) locker auch auf ein richtig gutes Kinks-Album passen. Beim Opener "Little Green Amp" wirft der gute Dave nochmal einen Blick weit zurück in die Sechziger und untermalt dies amüsanterweise immer wieder mit Anspielungen von Hits (der Marke "Splish Splash" u. w.) aus der damaligen Zeit.
Die Gitarre lässt er dabei ebenso heftig knallen, wie auch bei dem durch und durch optimistischen (»...no matter what they say, the future's here to stay...«) "Livin' In The Past", was (bezogen auf den Songtitel) für unseren Protagonisten so gar nicht in Frage kommt. Es gibt leider auch ein paar Titel zu vermelden, die nicht ganz so gelungen sind. Ein Beispiel dafür ist "Energy Fields", das keinen Hund wirklich hinter dem Ofen hervorlocken kann. Oder "Erotic Neurotic", das zwar durch fett-plakative Gitarren groß auffährt, hinsichtlich des Songwritings aber doch etwas dünn ausgefallen ist.
Richtig gut und der versöhnliche Abschluss der Scheibe ist "Cote Du Rhone (I Will Be Me)", bei dem Dave Davies noch einmal zeigt, was er wirklich drauf hat. Leider tut er das auf diesem Album in kompositorischer Hinsicht nicht immer und es mag auch sein, dass zu viele Köche (= Gäste) den Brei dann doch ein bisschen verdorben haben. Zumindest in Hinsicht auf den berühmten 'Roten Faden', der zwar grundsätzlich da ist, den man zwischendurch aber verloren geglaubt wähnt, bis er bei intensivem Hören dann doch immer wieder (wenn manchmal auch schemenhaft) durchscheint.
"I Will Be Me" ist ein sympathisches Album mit vielen Stärken, aber auch ein paar Schwächen. Die guten Songs sind sogar sehr gut, aber leider gibt es ebenso einige (sich in der Unterzahl befindende) Nummern, die den Standard nicht ganz halten können. Ich mag die Scheibe, aber wenn ich ehrlich bin, sehe ich kaum Chancen, dass sie in meiner persönlichen Top 10 des Jahres 2013 auftauchen wird.
Line-up:
Dave Davies (lead-, rhythm & acoustic guitars, keyboards, lead & background vocals)
Jürgen Engler (bass - #2,13, additional guitars - #2,7,11,13)
Chris Lietz (drums - #2,13)
Chris Spedding (guitar - #13)
Ty Segal (guitar & background vocals - #2)
Yura Zeleznik (violin - #3)
Bruce Tyner (pedal steel - #4)
Geri X (vocals - #7)
John Wesley (guitar - #7)
Also with:
Anti-Flag - #1
The Bloody Hollies - #5
Dead Meadow - #6
Oli Brown Band - #8
The Art - #9
The Lost Souls Club - #10
The Jayhawks - #12
Tracklist |
01:Little Green Amp
02:Livin' In The Past
03:The Healing Boy
04:Midnight In L.A.
05:In The Mainframe
06:Energy Fields
07:When I First Saw You
08:The Actress
09:Erotic Neurotic
10:You Can Break My Heart
11:Walker Through The Worlds
12:Remember The Future
13:Cote Du Rhone (I Will Be Me)
|
|
Externe Links:
|