DeWolff / DeWolff IV
DeWolff IV Spielzeit: 42:45
Medium: CD
Label: REMusic Records, 2012
Stil: Psychedelic Rock

Review vom 19.03.2013


Jürgen Hauß
Es ist schon erschreckend! Bands wie DeWolff zeigen mir stets sehr deutlich, wie alt ich mittlerweile bin. Nicht, dass ich mich zu alt für deren Musik fühle - ganz im Gegenteil, denn die Jungs aus Holland treffen durchaus meinen Geschmack. Das liegt in erster Linie daran, dass sich die Musik, die sie spielen, an musikalischen Vorbildern wie den - frühen - Deep Purple, den - frühen - Pink Floyd, Cream, sowie an ihren eigenen Landsleuten Focus und natürlich Golden Earring, deren goldene Zeiten ebenfalls in den 70er Jahren waren, ausrichtet. Das war die Musik, die ich in meiner frühesten Jugend - jedenfalls im übertragenen Sinne - 'live', sprich: zum Zeitpunkt ihres Erscheinens - konsumiert habe und deren Interpreten ich nahezu vergöttert habe.
Die genannten musikalischen Vorbilder sind zwischenzeitlich - sofern sie überhaupt noch leben - ebenfalls in die Jahre gekommen; dies gilt jedoch nicht für ihre Musik. Und dies gilt ebenso wenig für die vorliegenden Protagonisten. Als Markus Kerren hier erstmalig über DeWolff schrieb, brachte er den Altersunterschied auf den Punkt; die drei holländischen Jungs waren zusammen jünger als ich!
Das war - und ist - aber für mich kein Grund, mich nicht mit dieser Musik zu beschäftigen. Jetzt liegt ein neues Album vor, das schlicht "IV" bzw. "DeWolff IV" betitelt ist. Moment mal! Hatte Markus nicht "Strange Fruits And Undiscovered Plants" im Jahr 2009 als Debütalbum und Joachim 'Joe' Brookes im Jahr 2011 Orchards/Lupine als dessen tollen Nachfolger beschrieben? Warum dann also die Ordnungszahl IV? Eine denkbare Erklärung hierfür wäre, dass DeWolff vor "Strange Fruits And Undiscovered Plants" bereits eine schlicht "DeWolff" bezeichnete EP herausgebracht haben; zählt man diese Scheibe mit, dann wäre "IV" tatsächlich das vierte Werk der Band. Bei meinen Recherchen zu dem vorliegenden Beitrag stieß ich allerdings auf ein ebenfalls im Jahre 2011 veröffentlichtes Werk, das offenbar aus einem Buch mit beiliegender CD und DVD bestand, wobei man letztere wohl als die Dokumentation eines Live-Auftritts bezeichnen kann. Im regulären (Versand- bzw. Download-)Geschäft scheint das Werk allerdings nicht mehr erhältlich zu sein und ansonsten relativ teuer. Nach alledem scheint der Titel "DeWolff IV" auf die eine oder andere Weise jedenfalls berechtigt. Allerdings ist auf der - wenn auch nicht gerade aktuellen - MySpace-Seite der Band vermerkt, dass die Band gerade dabei sei, ihr drittes Album aufzunehmen, das im Jahr 2012 (!) erscheinen soll. Gehört die Titelwahl doch eher in den Bereich des Mystischen? Egal!
Um eines vorweg zu nehmen: Waren die beiden eingangs genannten Werke als aktuelle Beispiele für Psychedelic Rock mit eindeutiger Tendenz zum Rock zu bewerten (wobei Joe zutreffend auf eine musikalische Nähe zu The Brew verwiesen hatte), scheint vorliegend die Waage eher in die psychedelische Ecke auszuschlagen. Das gilt allerdings nicht für den Opener "Voodoo Mademoiselle", der mit klassischen Rock-Riffs aufwartet. Doch auch hier sind die Melodiebögen und die Gesangsparts bereits Indizien für die Richtung, in die die musikalische Reise geht.
Als Beleg dafür, dass bei den Jungs nicht nur - wie Markus es beschrieb - »die Plattensammlungen der Eltern von klein auf eine große und tägliche Rolle gespielt haben müssen«, sondern die musikalische Früherziehung auch an Instrumenten erfolgte, mag "Six Holes & A Ghost" herhalten, denn DAS Instrument musikalischer Früherziehung - das Glockenspiel - wird hier mit glockenklarem Klang durchaus stilprägend eingesetzt, ohne aber, dass der Song als Kinderlied bezeichnet werden könnte.
Klarer Anspieltipp für die eher Rock-geneigten Hörer ist für mich "Crumbling Heart". Vom Anfang weg stark Hammond-geprägt à la Jon Lord, kommen klassische Rock-Gitarre und ein kraftvolles Schlagzeug, das dem Song richtig Dampf gibt, zum Einsatz. Nur zu leicht möchte man hier
Ritchie Blackmore und insbesondere Ian Paice vernehmen, doch es sind - man kann es nicht oft genug wiederholen - drei Jungspunde, die zwar ihren Idolen nacheifern, ohne diese aber einfach zu kopieren. Auch dieser Song ist absolut eigenständig. Und immer wieder diese Schweineorgel - klasse!
Und spätestens mit dem Song über die einzige dornenlose Rose sind wir gänzlich beim Psychedelischen angekommen. Einleitend starken Streicherarrangements folgt anschließend ein steter Wechsel mit ruhigeren Gesangspartien. Dieser hohe Gesang im Stile von Jon Anderson ist schon sehr markant.
Ganz klassisch mit Akustikgitarre und Gesang kommt das langsame "Northbound" zunächst daher, bevor Luka van de Poel seine Felle zart mit den Besen streichelt und auch Robin Piso auf der Hammondorgel nur seichte Klangteppiche im Hintergrund webt. Doch das Ganze wird musikdramaturgisch toll aufgebaut, bevor Gitarre und Gesang die Nummer allmählich ausklingen lassen, wobei allerdings mittlerweile die E-Gitarre die Akustische abgelöst hat; ein gut eingesetztes Stilmittel. Schade bei der Aufnahme ist allein, dass offenbar am Anfang die Bandmaschine gehakt hat und nach wenigen Sekunden ein Stolperer und nach einer Minute ein weiterer aufhorchen lassen - ich kann mir nicht vorstellen, dass dieses bewusst so produziert wurde. Da wäre ein bisschen mehr Sorgfalt angeraten gewesen.
Hat denn "IV" überhaupt keinen Track mit - um erneut Joe zu zitieren - »einer respektablen, längeren Spielzeit, wie es sich für eine Band aus dieser Musikrichtung gehört«? Ja und nein. Die Tracklist weist insgesamt elf Songs und eine Gesamtspielzeit von unter 43 Minuten aus, das längste Lied - Track 7 - kommt gerade einmal auf fünfeinhalb Minuten. Doch die Nummern 7 bis 11 gehen unmittelbar ineinander über, wobei es sich genau genommen nicht um lediglich fünf Songs handelt. Vielmehr handelt es sich bei #7 und #9 ausweislich der Angaben auf der CD-Hülle um sog. Doppeltracks, was sich auch daraus herleiten lässt, dass die Stücke - neben ihrer Nummerierung mit arabischen Ziffern - mit römischen Ziffern von I bis VII durchgezählt sind. All dies weist auf den inneren Zusammenhang hin. Zusammen kommt das Werk unter dem Über-Titel "A Mind Slip" auf eine Gesamtspielzeit von rund 19 ½ Minuten.
In der Tat kann man das Ganze als 'ein Werk' bezeichnen, denn was folgt, ist wirklich großes Musiktheater. Bach'sche Fugentechnik vermag ich genauso zu vernehmen wie Wagner'sche Klangkaskaden! Die musikalische (Früh)Erziehung der drei Knaben muss noch viel früher angesetzt haben als in den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts! "A Mind Slip" hier im Einzelnen näher zu beschreiben würde den Rahmen dieses Reviews eindeutig sprengen. Nur so viel: Pink Floyd insbesondere mit "Astronomy Domine" und - mehr noch - "Atomheart Mother" haben hier eindeutig Pate gestanden (und das sind ja schließlich nicht die schlechtesten Ziehväter!), wobei letztgenanntes Werk ja ebenfalls die Technik der Zusammenfassung von fünf Teilen unter einem gemeinsamen (Ober)Titel nutzt. Und dabei ist "A Mind Slip" keine einfache Kopie, sondern 'Psychedelic Rock at its best'! Wow!
Das Ganze hat unheimlich Freude gemacht, und "DeWolff IV" läuft derzeit bei mir auf allen Medienwiedergabegeräten. Für die Musik von DeWolff bin ich jedenfalls nicht zu alt - ganz im Gegenteil, denn sie lässt positive Jugenderinnerungen wieder aufleben. Außerdem lassen mich DeWolff und ihre Musik mit zunehmendem Alter - jedenfalls relativ - immer jünger werden; mittlerweile sind die Bandmitglieder zusammen sogar älter als ich - der Faktor 3 macht's möglich! Aus diesem Grunde möchte ich gerne in den nächsten Jahren noch mehr von der Band hören.
Line-up:
Pablo Van De Poel (guitars, lead vocals)
Luka Van De Poel (drums & percussion, siren, background vocals)
Robin Piso (Hammond, Rhodes, piano, bass, background, vocals)
Tracklist
01:Voodoo Mademoiselle (03:03)
02:Six Holes And A Ghost (04:50)
03:Devil's Due (04:15)
04:Crumbling Heart (03:19)
05:The Only Thornless Rose (03:31)
06:Northbound (04:28)
07:Devil On A Wire/The Telephone (05:34)
08:Black Hole Raga (02:53)
09:Sixth Dimension Blues/The Telephone II (05:05)
10:Astral Awareness (02:03)
11:Vicious Times (03:50)
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